Elefanten-Freddy. Jana Denole

Elefanten-Freddy - Jana Denole


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sind neu bei uns, darum müssen wir Sie vorher informieren. Dies ist ein ungewöhnlicher Kunde, ein Multimillionär mit mehr als originellen Wünschen. Sie bekommen die dreifache Bezahlung.“

      „Sie brauchen gar nichts weiter zu sagen. Ich bin bereit.“

      „Dann gehen Sie bitte nach oben. Sie werden angezogen und instruiert, was Sie zu tun haben und wie.“

      Roxi ging in den ersten Stock. Die Tür eines Zimmers stand sperrangelweit offen, drinnen erwartete sie ein Schrank mit Sexkleidung.

      „Darf ich nicht in meiner eigenen Kleidung fahren? In meinem Koffer habe ich eine Menge verschiedener Kostüme.“

      „Leider nicht. Zu diesem Kunden müssen Sie so angezogen kommen, wie er es für Sie gewählt hat.“

      „Geht es hier so streng zu?“

      „Wir sind in der Schweiz. In diesem Land leben und lieben alle nach den Regeln.“

      „Verstehe.“

      Es sollte der kleinen Voodoo-Puppe für immer im Gedächtnis bleiben, worauf sie sich an diesem Tag einließ.

      Dieselbe Nacht, derselbe Regen. An einem Zoo im Kanton St. Gallen fuhr eine weiße Limousine vor. Ein unglaublich schönes Mädchen stieg aus – eine blasse Rumänin mit natürlichem, pechschwarzem Haar, das ihr bis zur Taille reichte, und himmelblauen Fuchsaugen. Sie trug hohe Lackstiefel über Strümpfe mit Haltern. Ihr Po war rundlich und prall, die Beine schlank, gerade und wohlgeformt. Ihre Jacke war aus rotem Lackleder, in den Halbfinger-Handschuhen aus schwarzem Atlas mit Spitze sahen die frisch manikürten verlängerten Fingernägel supersexy aus. Der BH war essbar. Er bestand aus Fruchtgummi. Ihre Brustwarzen hatten eine seltene Besonderheit: In der Kälte zogen sie sich in den Körper zurück wie eine Radioantenne, bei Wärme kamen sie wieder heraus wie bei allen anderen Frauen auch. Die Brustform war prächtig. Beim Anblick dieser Schönheit konnte man die Männer verstehen, die gern ins Bordell gingen, ja, sie waren sogar – vollständig gerechtfertigt: Kaum jemand wäre fähig, dieser perfekten Komposition aus zwei Hügeln zu widerstehen. Die kleinen Antennen auf ideal runden, natürlichen, vollen, schön gehobenen Brüsten konnten zweifellos auch bei Frauen Lust auf eine gleichgeschlechtliche Ehe wecken.

      Ein dreister Blick und prätentiös zusammengekniffene Lippen, die mit einem beinahe pechschwarzen Konturenstift nachgezogen waren, dazu ein Hundehalsband um den Hals vervollständigten den Femme-Fatale-Stil, der zu der Rumänin perfekt passte. In der rechten Hand trug sie einen kleinen Koffer mit allerlei Zubehör für SM, unter anderem einige geschälte Karotten. Der gelangweilte Fahrer, der gleichzeitig ein Gehilfe des Zuhälters war, bat das Mädchen gemäß der Vereinbarung mit dem Kunden, die Hundeleine in der Faust zu halten und nach vorne zu ziehen, als würde sie sich selbst mit ausgestrecktem Arm wie einen Köter hinter sich herzerren, und zeigte ihr den Weg in die Dunkelheit – in Richtung des schwarzen Zooeingangs.

      Das Mädchen stieg aus dem Auto, und die Realität holte ihre Vernunft ein. Die Rumänin fing allmählich an, zu begreifen, worauf sie sich eingelassen hatte. Sie drehte sich zu der abfahrenden Limousine um, schreckliche Angst und Panik, begleitet von Übelkeit, überfielen sie.

      „Oh Gott! Was mache ich nur?“

      Nachdem sich das Scheinwerferlicht in der mitternächtlichen Dunkelheit aufgelöst hatte, schaute Roxi in die Finsternis, nahm ihre Hundeleine in die Hand und ging langsam, Schritt für Schritt, als ob ein Fallbeil sie erwartete, in die Richtung, aus der Laute von Tieren zu hören waren. Das markerschütternde Gebrüll eines Tigers vor dem Hintergrund von monotonem Eulengeheul stach aus der Geräuschkulisse besonders hervor.

      Plötzlich fuhr ein Blitz nieder und es donnerte, die Zooinsassen lärmten noch lauter, was Roxi panische Angst machte. Die Laute unserer Mitgeschöpfe bedeuten nicht immer Vergnügen und Freude. Man spürte die Macht der Stärkeren. Ein Mensch ist ein Nichts ihnen gegenüber. Er wird zertrampelt und bei lebendigem Leibe aufgefressen. Nachts ist es im Zoo gruseliger als auf dem Friedhof. Niemals hatte ein Friedhof das Mädchen so geängstigt wie dieser scheinbar harmlose Zoo. Als sie sich der Pforte und dem schmiedeeisernen Zaun näherte, zuckte sie zusammen. Direkt neben ihr stand ein Mann in der Dunkelheit. Er war ziemlich breit gebaut, hatte ein auffälliges, ovales Gesicht, große Ohren und ein etwas stoppeliges Kinn. Sein kastanienbraunes, anscheinend gefärbtes Haar deutete auf ein fortgeschrittenes Alter hin. Er hatte den kalten Gesichtsausdruck eines Puppenspielers. Um das Bild dieses fürchterlichen Menschen abzurunden, fehlte vielleicht nur noch ein Transvestiten-Make-up. Natürlich war er nicht geschminkt, aber die schrecklichen, reglosen Augenbrauen hinter seiner Brille, die leicht gehobene Oberlippe, eine große Nase, nicht ganz gerade Vorderzähne und ein direkter Blick aus schmalen, kleinen, farblos-grauen Knopfaugen, in denen kein einziger Gedanke zu lesen war, verliehen seiner Erscheinung eine irre Eiseskälte und ließen ihn unecht und täuschend komisch aussehen.

      „G-g-guten Abend. Ich bin Callgirl, mein Name ist Roxi.“

      „Komm rein, du stinkige Schlampe. Jetzt wirst du von meinen Elefanten gefickt!“

      „Welche Elefanten? Ich will nicht.“

      „Was heißt, du willst nicht? Hör auf, zu schreien! Hat man dir nicht gesagt, dass du hier nicht schreien darfst?“

      „Doch.“

      „Ich verfüttere dich den Tieren, du schmutzige Kreatur.“

      „Bitte schön, wie Sie wünschen!“

      Er riss ihr den Koffer aus der Hand, öffnete ihn langsam und holte eine der vorbereiteten Karotten heraus. Er packte das Mädchen an der Hundeleine und zog sie hinter sich in die Tiefe des Zoos. Roxana hatte sich ein bisschen an den Lichtmangel gewöhnt und erkannte in der Dunkelheit die Tiere, die in den Freigehegen saßen und den extravaganten „Nachtfalter“ erstaunt anstarrten. Ein dummer Gedanke schoss Roxi durch den mit kranken Fantasien gefüllten Kopf: „Ganz bestimmt starren die Tiere mich so an, weil sie vor Neid platzen.“

      Als sie an den Käfigen vorbeiging, erinnerte sie sich an das, was ihr heilig war – an Mutter und Vater, an ihr gemütliches Haus in einem Vorort, wo die Menschen sich ihr Leben lang um einander kümmern, bis sie alt werden, oder umgekehrt, ihre Tage mit Skandalen und Schlägereien und dabei doch in Liebe und Eintracht verbringen.

      „Wo bin ich gelandet? Das ist schrecklich! Warum habe ich mich darauf eingelassen?“, dachte sie.

      „Oh Gott, wo bringen Sie mich hin?“, rief sie laut. „Ich will nicht!“

      „Jetzt schauen wir, wie sexy du bist! Mein Elefant wird dich mit einer Karotte ficken. Ahahaha!“

      Das Lachen des Schizophrenen, Affengeschrei, Donner und Blitz, das Gezwitscher der unschuldigen Vögel mischten sich mit dem hektischen Getrampel der Elefanten, die von ihrem Besitzer pervertiert wurden. All das wirkte schauerlich.

      Roxi erinnerte sich an einen kleinen Elefanen, den sie in ihrer Kindheit in einem Zoo in Rumänien gesehen hatte und der so lustig einen Ball auf seinem Rüssel drehen konnte. Mit ihren Eltern hatte sie dieses geliebte niedliche Wesen öfter besucht.

      Aber an diesem Abend erschienen ihr Elefanten wie die schrecklichsten Tiere auf dieser Erde, gewaltig groß und mindestens eine halbe Tonne schwer. Ihr fiel auch wieder ein, dass durch Angriffe von Elefanten Hunderte von Menschen in der Welt sterben, besonders Zoologen und Tierärzte, die mit diesen Schlagetots täglich Kontakt hatten. Man wusste eben nie, wann die Tiere in Fahrt kommen würden oder was sich sonst noch ereignen konnte. Roxi hatte keine Ahnung von Elefantenarten, aber sie hoffte, dass ihr nichts Schlimmes passieren würde, dass die Tiere dieses Deppen harmlos wären und auf ihn hörten. Sie dachte angstvoll, dass sie erst fünfundzwanzig Jahre alt war, aber der alte Perversling sich schon um seinen Platz auf dem Friedhof kümmern sollte und eigentlich nichts mehr zu verlieren hatte. Elefanten hatten angeblich ein ausgezeichnetes Gedächtnis, sie waren nachtragend und konnten Menschen über Generationen hinweg hassen. Das war die Folge der Verbrechen von blutrünstigen Wilderern, die den gütigen schlappohrigen Riesen die Stoßzähne abhackten und sie dadurch einem qualvollen Tod preisgaben. Es kann nicht verwundern, dass dies eine unvergessliche Spur des Verderbens hinterlassen


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