Deutschland wohin???. Luma Mayhér
erfuhr eine erhebliche Kürzung und es wurden die Voraussetzungen für befristet Arbeitstätigkeit und den Niedriglohnsektor geschaffen. Es waren Veränderungen, wofür die konservativen Parteien der CDU und CSU im Bundestag nie die notwendige Mehrheit erhalten hätten, solange die SPD Oppositionspartei war. Besonders gravierend waren die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenunterstützung sowie die starke zeitliche Begrenzung für das Arbeitslosengeld. Es waren letztlich die Regelungen, die der damit beauftragte Akteur, der frühere VW-Betriebsrat und SPD-Mitglied Peter Hartz, entwickelte. Sie werden bis heute als Hartz-4 bezeichnet. Peter Hartz wurden später erhebliche Unregelmäßigkeiten nachgewiesen, die er als Betriebsrat bei VW beging. Das Gericht ahndete diese Straftaten mit einer Geldstrafe in Höhe von 400.000 €. Der damalige Wirtschaftsminister Clement brachte weitere Veränderungen, wie die Abschaffung der Meisterpflicht für etwa 50 Berufsrichtungen und das Entgelt der 1-Euro-Jobber. Die Abschaffung der Meisterpflicht hatte nie die daran geknüpfte Erwartung eines deutlichen Anstiegs der Beschäftigtenzahlen gebracht. Stattdessen bewirkte sie einen deutlichen Qualitätsabbau bei handwerklichen Leistungen sowie sinkende Bereitschaft, eine Lehre zur Ausbildung zu absolvieren. Auch deshalb fehlt es heute an qualifizierten handwerklichen Fachkräften. Aus diesen Gründen hatte sich in den letzten Jahren die Handwerkerschaft zur Rückkehr zur Meisterpflicht ausgesprochen, die inzwischen in einigen Berufen wieder gegeben ist. Eine weitere Ausweitung wird von der Politik diskutiert. Die Möglichkeit einer Belebung durch Förderung der Selbständigkeit im Handwerk wurde hingegen unzulänglich genutzt.
Der damalige Wirtschaftsminister Clement führte zur Wiederbeschäftigung von Arbeitslosen die Entlohnung von 1 € / Stunde ein. Bei einer Vollbeschäftigung hätte 2002 damit der betreffenden Arbeitnehmer 165 € im Monat bzw. 1.980 € im Jahr verdient (2019 Google Angabe zur damaligen Jahresarbeitszeit von Vollbeschäftigten). Bei dem geschätzten Ministergehalt vom Wirtschaftsminister Clement hätte ein 1 €-Jobber über siebeneinhalb Jahre arbeiten müssen, um durch seine Arbeit den Betrag des Monatslohns von Minister Clement zu erreichen. Unter Einrechnung des Harz IV-Monatsregelsatzes (2005) sind immer noch je nach Regelbedarfssatz knapp zweieinhalb bis über drei Jahre Arbeit eines 1 €-Jobbers für den Monatsverdienst von Minister Clement erforderlich. In Ostdeutschland etwas mehr, weil dort die Regelsätze niedriger waren. Nun wird das verfügbare Einkommen des Ministers durch die Lohnabzüge merklich gekürzt. Das gilt aber noch stärker für 1 €- Jobber, denn die müssen von diesem schmalen Verdienst auch noch das Fahrgeld zum Arbeitsort begleichen. Unter günstigen Bedingungen sind das mindestens 2 €/Strecke, somit geht die Hälfte der 8 €, die er für 8 Stunden Arbeit erhält, an Fahrkosten drauf! Die Beschäftigung als 1 €-Jobber hat nach Presseberichten zudem für die meisten Betroffenen nicht den erhofften Wiedereinstieg in eine angestellte Berufstätigkeit gebracht. Sie ist fast eine Verhöhnung der betroffenen Personen. Es ist eigentlich unglaublich, dass diese Regelung von einer sozialdemokratischen Regierung eines SPD-Kanzlers stammt, denn zuvor war ein Leitmotiv dieser Partei soziale Gerechtigkeit.
In Anbetracht der erheblichen Ausweitung von beschäftigten Arbeitnehmern im Niedriglohnsektor sowie von Kurz- und Teilzeitarbeit warnten Experten schon damals vor einer anwachsenden Altersarmut, die diese Entwicklung nach sich ziehe. Dafür kam der zukünftigen Rentenpolitik eine wesentliche Schlüsselposition zu. Die Grundannahmen für die Renten hatten sich durch die Nazizeit, die demografischen Veränderungen und den steigenden Lebezeitraum wesentlich verändert. In der ursprünglichen Version lag das Kernanliegen darin, die Altersversorgung von den Unsicherheiten privater Vorsorge in eine staatlich garantierte, ausreichende Mindestversorgung umzuwandeln. Diese Ausrichtung erfolgte aufgrund der negativen Erfahrungen, die bei Schicksalsschlägen private Vorsorge vernichten können. Das Eintrittsalter wurde bei der Renteneinführung zur vorletzten Jahrhundertwende, trotz einer wesentlich längeren Wochenarbeitszeit als heute, mit 65 Jahren festgelegt. Der deutsche Mann erreichte zu dieser Zeit im statistischen Durchschnitt nur ein Lebensalter von 46,4 Jahren, die Frauen von 52,2 Jahren. Viele Personen erreichten also die Altersgrenze nicht, so dass die Anzahl der zu versorgenden Rentner entsprechend geringer war. Für die Finanzierung der Renten wurden jährlich aufgestockte Rücklagen gebildet. Diese Rücklagen plünderten aber die Nazis und brauchten sie zweckentfremdet zur Finanzierung ihrer Rüstung auf. Die braunen Machthaber gingen davon aus, nach einem gewonnenen Krieg die verausgabten Rentenbeiträge den besiegten Ländern aufzubürden.
Mit der Kriegsniederlage war das vorbei. In dieser Situation brauchte man ein neues Modell.
Die Regierung Adenauer deklarierte den Generationenvertrag. Der beinhaltet, dass aus den Rentenbeiträgen der Beschäftigten nicht mehr Rücklagen gebildet werden, sondern dass die Beiträge der aktuell zu versorgenden Rentnergeneration dienen, da ja für deren Finanzierung die Rücklagen nicht mehr vorhanden waren. Angesichts der in den 50er Jahren hohen Geburtenzahlen, noch mehr der Geburten im Zeitraum 1960 bis 1966/67, ein durchaus vertretbares Konzept. In der damaligen Zeit begannen dennoch einige Bundesländer zumindest für die zukünftige Beamtenversorgung Pensionsrücklagen zu bilden. Diese sinnvolle Maßnahme wurde bei Konjunktureinbrüchen mit dem Verweis auf die Praxis in den meisten anderen Bundesländern aufgegeben, um mit diesen Mitteln Haushaltsdefizite auszugleichen.
Inzwischen haben sich aber die Grundvoraussetzungen verändert. Die Geburten liegen seit Ende der 60er Jahre etwa ein Drittel unter der Sterberate. Deshalb sind langfristig immer mehr Rentner von der dann verbliebenen nachwachsenden jungen Bevölkerung zu versorgen. Gleichzeitig stieg die Lebenserwartung enorm an. Je mehr sich der Geburtenrückgang als dauerhaftes Phänomen abzeichnete, desto mehr wurden die Probleme für den Generationenvertrag unübersehbar, zumal sie noch zusätzlich durch die gestiegenen und wahrscheinlich weiterhin steigenden Lebenserwartungen verschärft werden. Die Renten müssen also für immer längere Zeiträume von einer demografisch bedingt schrumpfenden Anzahl Berufstätiger gezahlt werden. Der Handlungsbedarf war eindeutig und dringlich. Zum Ende der Ära Kohl wollte deshalb der damalige Sozialminister Norbert Blüm die Rente von 67 % auf 64 % des letzten Nettolohns absenken. Dagegen lief die Opposition der SPD, geführt von Kanzlerkandidat Schröder und seinem Sozialexperten Riester, Sturm. Sie prangerten dieses Vorhaben als deutliche Verschlechterung für die Rentner an und polemisierten im Wahlkampf massiv gegen die Absenkungspläne Blüms.
Nachdem der neue Kanzler Schröder die Regierung führte, reduzierte der nun zum Sozialminister aufgestiegene Herr Riester sehr bald den Rentenanspruch sogar noch weiter, nämlich auf 60%, also unter die Marge, die er zuvor von Norbert Blüm anprangerte. Damit aber nicht genug, er reduzierte zugleich die Rentenbezüge von Witwen auf 56 % (das von Riester kritisierte Modell Blüm sah auch für Witwen 64 % vor) der Bezüge ihres verstorbenen Mannes. Für mich ein unglaubliches, unehrliches, letztlich widerliches Verhalten. Erst gegen die verhältnismäßig moderate Rentenkürzung unter Norbert Blüm massiv polemisieren und kaum an der Regierung genau das Gegenteil, mit noch größerer Rentenkürzung bei zusätzlicher Kürzung der Witwenrenten. Diese Verhaltensweise übertrifft für mich noch bei weitem besonders unlautere Werbungen in der Wirtschaft. Bei derartig unaufrichtigem Taktieren sind das niedrige Ansehen von Politikern sowie die wachsende Politikverdrossenheit in der Bevölkerung verständlich. In Anbetracht dieser Unaufrichtigkeit kann ich seit dieser Zeit keinerlei Achtung für Herrn Riester aufbringen.
Herr Riester bot als Ausgleich für seine hohe Rentenkürzung eine staatlich geförderte Versicherung an, mit dem der/die Einzelne durch Ansparen seine/ihre Rente anheben kann. Damit erfolgt eine grundlegende strukturelle Veränderung des Rentenmodells, das die Erfahrungen aus der Zeit der Renteneinführung missachtete. Ein Kernpunkt der damaligen Renteneinführung war eben die staatlich garantierte ausreichende Altersversorgung anstelle der Unsicherheit privater Vorsorge. Genau dieser zentrale Punkt wurde durch Riesters Modell ausgehebelt. Dabei belegte die reale Entwicklung damals schon die Unsicherheit privater Rentenvorsorge. Angesichts der Veränderungen des Arbeitsmarktes unter der Kanzlerschaft Schröders und seinem Wirtschaftsminister Clement, mit der hohen Anzahl Personen, die im Niedriglohn beschäftigter waren, könnten viele zudem die erforderlichen Ansparmittel für das Riestermodell, der so genannten „Riesterrente“ zur Rentenaufbesserung nicht aufbringen. Das gilt vor allem für die unteren Einkommensgruppen, die ohnehin nur niedrige Renten bekommen. Deshalb sinken deren Rentenansprüche unter das Niveau der sozialen Grundsicherung. Schröder und Riesters Rentenkonzept hat die Altersversicherung für die unteren Bevölkerungsgruppen wieder