Innen wachsen – außen wirken. Julia Buchebner
schlimm, wie es aussieht.«
»Die Politiker sind es, die handeln müssen!«
»Es ist mir viel zu teuer, Biomilch zu kaufen.«
»Wieso soll ich mich einschränken, ich zahl schon genug Steuern für den Sozialstaat.«
»Jetzt habe ich so viel Geld in das neue Auto investiert, jetzt möchte ich es auch ordentlich nutzen.«
»Was kann ich allein denn schon groß verändern? Mein eigenes Verhalten spielt doch ohnehin keine Rolle.«
Wir reden das Problem klein, ziehen uns aus der Verantwortung und stellen andere oder auch uns selbst einfach als unfähig dar. Die Psychologie nennt dieses Phänomen »Self-Serving Denials«, also Selbstschutz-Behauptungen oder selbstwertdienliche Ausreden. Nehmen wir als Beispiel ein gescheitertes Unternehmen her. Im Konkursfall argumentieren die Eigentümer gern, dass das Management wohl versagt haben müsse. Das Management selbst ortet die Gründe bei der Konkurrenz, den Zulieferern oder der Belegschaft, während die Mitarbeiter wiederum dazu tendieren, dem Management und der Aktionärsversammlung die Schuld in die Schuhe zu schieben. Und sieht man noch etwas genauer hin, wird man auch welche finden, die den Konkurs ohnehin schon immer vorausgesehen haben und nun froh sind, sich endlich was Neues suchen zu können. So finden alle Beteiligten die passende Ausrede, um durch das Scheitern nicht am eigenen Selbstwert zweifeln zu müssen. Das ist wirklich eine grandiose Strategie, um sich selbst auszutricksen, sich wieder besser zu fühlen und letztlich auch nichts an sich selbst verändern zu müssen!
Alibi-Aktionen für das gute Gewissen
Eine andere Strategie, um sich und sein Verhalten nicht ändern zu müssen, sind die sogenannten Alibi- oder Jo-Jo-Aktionen. Anstatt etwas grundsätzlich zu verändern, tut man einfach so, als würde man sich nachhaltig verhalten. Bei den Alibi-Aktionen sucht man sich etwa im ganz kleinen Rahmen eine nachhaltige Verhaltensänderung, die leicht zu bewerkstelligen ist und einem nicht wehtut. Dies hilft darüber hinweg, bei den großen Problemen nicht wirklich hinsehen zu müssen und trotzdem ein gutes Gefühl zu behalten.
Eine Alibi-Aktion ist zum Beispiel, wenn du die Kartonummantelung eines Joghurtbechers sorgfältig abnimmst und mit dem Altpapier trennst, aber täglich mit deinem SUV in den Supermarkt um die Ecke fährst und exotische Früchte aus aller Herren Länder kaufst. Oder wenn du dem Bettler auf der Straße gern mal einen Euro schenkst, gleichzeitig aber Lohndumping bei deinen Mitarbeitern betreibst und in Verhandlungen um jeden Cent feilschst.
Der Jo-Jo-Effekt wiederum beschreibt die negative Rückkopplung von zuvor gesetzten Maßnahmen. Die meisten von uns haben den Jo-Jo-Effekt bei sich selbst oder im Bekanntenkreis sicherlich schon beobachten können. Zum Beispiel, wenn jemand eine Diät zur Gewichtsabnahme macht. Zuerst wird eine Woche lang gefastet und auf alles Mögliche verzichtet. Doch weil dieser Verzicht so schwerfällt, wird im Anschluss in gewohntem Maße weitergegessen, und das Gewicht schlägt sofort wieder nach oben aus. Dies führt zur nächsten Diät inklusive anschließenden Fressattacken. Und wenn man das Ganze ein paar Mal wiederholt, verhält sich das Gewicht ähnlich einem Jo-Jo, es pendelt ständig auf und ab. Das ist nicht nur nervig, sondern sogar gefährlich. Studien aus den USA und Deutschland zeigen, dass eine oftmalige Gewichtsschwankung Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördert und schlimmere gesundheitliche Auswirkungen hat als das Übergewicht selbst.35
Auch in der Nachhaltigkeit ist der Jo-Jo-Effekt wohlbekannt. So hat man etwa festgestellt, dass manche Menschen umweltschädlicher handeln, nachdem sie sich zuvor einmal kurzfristig nachhaltig verhalten haben.36 Den Klassiker kennen wohl die meisten von uns: Man verzichtet ab und zu auf das Auto und benutzt die öffentlichen Verkehrsmittel, um damit den redlich verdienten Langstreckenflug in den Urlaub rechtfertigen zu können. Ein anderes Beispiel wäre, sich ein benzinsparendes Auto zu kaufen, das man aber dann umso häufiger nutzt, weil es ja so wahnsinnig benzinsparend ist.
Mit Alibi- und Jo-Jo-Aktionen waschen wir also unser Gewissen rein, was aber im Endeffekt durch ein anderes, viel schädlicheres Verhalten wieder wettgemacht wird.
Die sieben Drachen der Untätigkeit
Es gibt noch viele Dutzend weitere Strategien, die wir im Lauf der Zeit entwickelt haben, um in alten Mustern bleiben zu können und uns im Sinne der Zukunftsfähigkeit nicht verändern zu müssen. Ja, wir sind mittlerweile richtig kreativ geworden, was diese Strategien anbelangt.
Der kanadische Umweltpsychologe Robert Gifford hat im Jahr 2011 die unterschiedlichsten Gründe zusammengefasst, warum es vielen so schwerfällt, sich aktiv für Nachhaltigkeit und Naturschutz einzusetzen. In einer Publikation im »American Psychologist« hat er diese psychologischen Hürden als »Die sieben Drachen der Untätigkeit« benannt.37 Vieles davon lässt sich wunderbar auf den inneren Schweinehund umlegen, den wir zuvor beschrieben haben. Manch andere Punkte und viele weitere »Drachen« werden wir dann an späterer Stelle noch mal im Detail aufgreifen. Daher seien hier die »sieben Drachen« nur in aller Kürze benannt:38
Begrenztes Denkvermögen: Fehleinschätzungen und unangebrachter Optimismus hinsichtlich der ökologischen Probleme.
Ideologien: Bestehende Weltanschauungen wollen nicht infrage gestellt werden.
Vergleiche mit anderen: Sich zu sehr an den Meinungen anderer und den gängigen sozialen Normen orientieren.
Unumkehrbare Kosten: Einmal getroffene Investitionen lassen sich so schnell nicht mehr rückgängig machen.
Missbilligung: Mangelndes Vertrauen und Verleumdung wissenschaftlicher Ergebnisse.
Wahrgenommenes Risiko: Das finanzielle oder soziale Risiko des Handelns und der Konsequenzen erscheint zu groß.
Begrenztes Handeln: Einfache Verhaltensveränderungen werden durchgeführt, schwierigere nicht.
Wie können wir nun unseren inneren Schweinhund oder diese gefährlich anmutenden »Drachen der Untätigkeit« überwinden? Wie schaffen wir es, diesen Strategien nicht auf den Leim zu gehen, sondern konsequent an den Zielen und Lösungen für eine nachhaltige Zukunft zu arbeiten?
Um die Frage zu beantworten, müssen wir zuerst verstehen, dass all diese psychologischen Barrieren nicht ohne Grund existieren und dass sie mit noch viel tieferen Mechanismen in Zusammenhang stehen. Mechanismen, deren wir uns in der Regel nicht bewusst sind und die wir somit kaum betrachten.
An so manchen Gewohnheiten halten wir womöglich deshalb fest, weil tief in unserem Inneren die Angst vor Veränderung schlummert. Weil wir uns mit dieser Angst aber nicht konfrontieren wollen, bleiben wir lieber in unseren gewohnten Bahnen und halten unsere Muster und Automatismen aufrecht.
Auch bestimmte Werte oder Weltbilder können unsere Entwicklung und Motivation negativ beeinträchtigen. Wir müssen also erst einmal verstehen, dass der innere Schweinehund nur die Spitze des Eisbergs ist – Gefühle, Werte und unsere zugrunde liegenden Annahmen über die Welt befinden sich auf den tieferen Ebenen darunter. Diese Ebenen werden wir später ausführlich betrachten. Erst mal wollen wir dir eine Übersicht geben, welche inneren Verhinderer es auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft gibt und was die »innere Dimension« der Nachhaltigkeit für uns Autoren bedeutet.
2.3 Die innere Dimension der Nachhaltigkeit
Wir freuen uns riesig, dir unser Eisbergmodell der inneren Ebenen zu präsentieren, die den Weg in eine zukunftsfähige Welt aus unserer Sicht entscheidend beeinflussen und daher in den Nachhaltigkeitsdiskurs integriert werden sollten.
Unser Modell unterscheidet grundsätzlich vier Ebenen: die Verhaltensebene, die Werteebene, die Gefühlsebene und die spirituelle Ebene. Auf jeder dieser Ebenen sind bestimmte »innere Verhinderer« angesiedelt, die in jedem Individuum vorhanden sind, aber je nach Konditionierung, Lebenserfahrung, seelischer Reife etc. unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Gleichzeitig birgt jede dieser Ebenen einen Schatz,