FANTASTISCHE WIRKLICHKEITEN. Группа авторов
ein wenig von der Nabelschau zu lösen, in die so mancher zu fallen drohte. Dass dies aber nunmehr Ling-ling so sehr beschäftigte, machte ihn nachdenklich.
»Was genau willst du?«, fragte der Meister, dem es von Anfang an darum gegangen war, seinen Schülern zu helfen – bei allen Problemen, gleichgültig, worum es sich handelte.
»Ich möchte eine solche Welt einmal sehen«, sagte Ling-ling und Meister Li sah ihm an, dass er es ernst meinte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so etwas gibt. Falls aber doch, dann will ich das mit eigenen Augen anschauen!«
Meister Li überlegte, was er antworten sollte. Interesse an Unbekanntem und Neugier auf Neues waren Eigenschaften, die er dennoch zu schätzen wusste. Andererseits wollte er seine Schüler auch vor enttäuschenden Negativerfahrungen schützen.
»Sicherlich hast du in diesem Klassiker gelesen …«
Ling-ling nickte.
»… dann weißt du auch, dass es eine Möglichkeit gibt. Doch sie ist nicht jedem zugänglich.«
»Ich weiß, Meister, diese Götterpilze sollen helfen, eine Reise des Geistes zu unternehmen und diese Welten zu sehen.«
»Ich werde dir helfen«, versprach Li T'ai-p'o. »Mein Freund Su, der taoistische Eremit am Grünrot-Berg, hat mir verraten, wo es solche Pilze gibt. Beziehungsweise, wo diese Pilze in kleinen Mengen zu finden sind.«
»Oh, bitte, Meister! Wollt Ihr mir das nicht verraten …«
Meister Li zögerte nur kurz, dann sagte er: »Du findest den violetten Rettichhelmling am Fuße des nördlichen Felsplateaus jenseits des Sees. Und dann musst du Folgendes beachten.«
Er sah sich um; kein anderer seiner Schüler sollte das hören. »Und halte dich genau an die Anweisungen. Der Pilz selbst entscheidet, was du siehst und wohin dich diese Reise führt. Nun hör genau zu!«
Kuang Ling-ling war für einige Tage verschwunden, doch während die anderen Schüler sich wunderten oder gar sorgten, spielte auf Meister Lis Gesicht nur ein kleines Lächeln, wenn die Rede auf den Abwesenden kam. Bis Ling-ling wieder in ihrer Runde auftauchte, als sei nichts gewesen.
Meister Li freilich fiel auf, dass der junge Mann nachdenklicher als vor seinem Verschwinden wirkte. Er konnte sich natürlich auch irren, sagte er sich, bis Ling-ling am Abend vor seiner Hütte stand.
»Darf ich eintreten, Meister?«
Das klang fast verzagt, gleichzeitig aber auch entschlossen. Seltsam, dachte Li und bat seinen Schüler herein.
»Ich denke, du kannst mir etwas erzählen.«
Ling-ling saß zunächst schweigend, ehe es in einem Wortschwall aus ihm herausbrach:
»Ich habe mich genau an Eure Anweisungen gehalten, Meister, habe nur einen Pilz bei hellem Mondschein gepflückt und ihn anschließend klein gehackt meiner Reismahlzeit zugefügt. Ich habe das Gericht einen ganzen Tag lang ruhen lassen und es anschließend verzehrt. Was ich dann erlebt habe …«
Er verstummte und konnte sich offenbar nur mühsam zwingen, weiter zu reden.
»Nie wieder will ich so etwas sehen!«
»Was hast du denn gesehen?«
»Ich sah eine Welt … Wie kann es das geben? Eine Welt, ganz eingetaucht und geformt in die kaiserlichen Farben, in die Farben unseres T’ien-tse, unseres verehrungswürdigen Himmelssohnes. Eine Welt ganz in Gelb. Ausschließlich in Gelb. Gelb wie Schwefel. Entsetzlich.«
»Gelb ist eine Farbe der Weisheit und des Glücks. Ist es nicht wundervoll, dass es eine solche Welt gibt?«, fragte Li.
Kuang Ling-ling sah ihn skeptisch an.
»Gelb und Gold sind dem Kaiser vorbehalten. Wer als Bürger diese Farbe trägt, vergeht sich gegen göttliche Gebote. Gelb ist auch das Symbol der Macht. Und die ist des Kaisers. Es ist Blasphemie, sich mit Gelb zu schmücken, das haben mir meine geliebten Eltern beigebracht. Und eine ganze Welt in Gelb – das geht gar nicht.«
Er verstummte. Meister Li wartete geduldig.
»Nie wieder«, sagte Ling-ling, »will ich solche Welten sehen, die unseren verehrten Himmelssohn derart verhöhnen.«
Meister Li blieb stumm.
Donnas Kaschemme II
Donnas Kaschemme
Monika Niehaus: Hunter’s Planet
»Wie findet ihr es?« Black Mary, Tauranerin und nach terranischen Maßstäben elf bis zwölf Jahre alt, hatte es als blinder Passagier der Rosinante in Donna Kaschemme verschlagen.* Nun hielt sie einen eleganten Flakon in der Hand und wedelte uns den Duft zu.
»Wow, riecht wie ein ferengisches Freudenhaus!«, konstatierte K'Xara, die nachtschwarze K'zin-Kriegerin mit dem Widdergehörn und dem roten Brusttattoo.
»Woher weißt du, wie es in derartigen Etablissements duftet, Freundin meiner Nächte?«, wollte Little Wong, ihr schmächtiger Gefährte aus dem Shanghai-Imperium, wissen. »Ich finde es durchaus attraktiv!«
Donna, deren roter Irokesenkamm wippte, während sie frische Gläser abfüllte, schnupperte ebenfalls: »Könnte mir gefallen! Was meinst du, Willi?«
Der Wurmlochscout und Skipper der Rosinante zog den Flakon heran und schnüffelte: »Die Kopfnote besteht aus Hyazinthe und rosa Pfeffer, die Herznote aus Jasmin und Orange, die Basisnote aus Moschus, Patschuli und Castoreum …«
»Willi, du Schuft!« Mary entriss ihm das Fläschchen. »Du hast das Etikett gelesen!«
»Mit so einem Zinken ist das kaum nötig«, grinste Quoxx, der reiche Händler aus dem Kuiperbelt. »Aber wie kommst du in den Besitz dieses bestimmt sündhaft teuren Parfüms, junge Dame?«
Mary strich sich die schwarzen Locken aus der Stirn und lächelte. »Ein Geschenk für geleistete Dienste!«
»Rabenaas hatte eine Idee …« Die K'zin-Kriegerin bleckte ihre strahlend weißen Zähne. Diesen Kosenamen hatte sie der Tauranerin nach einer Pokerpartie auf der Rosinante verliehen.
Quoxx sah Willi fragend an. Willi drehte sein leeres Glas. Der Kuiperbelter seufzte und machte Donna ein Zeichen, eine frische Runde Bier zu servieren.
Willi nahm einen tiefen Zug. »Nun, wir befanden uns auf dem Weg nach Gamer’s Planet, um diese Ausreißerin wieder der Obhut ihres liebenden Vaters zu überstellen, der uns für unsere Babysitterdienste« – Mary schnaubte empört – »ein stattliches Handgeld versprochen hatte. Unterwegs überredete uns dieser Plagegeist zu einem kleinen Abstecher zum Pferdekopfnebel, den sie unbedingt sehen wollte … nun, die Folge war, dass wir in einen heftigen Magnetsturm gerieten. Der Bordcomputer spielte verrückt, ich musste auf Handsteuerung umstellen, und wir schafften es mit Müh’ und Not zum nächsten Klasse-M-Planeten mit Sauerstoffatmosphäre …«
Die Rosinante schlitterte mit einem schrillen Knirschen über den felsigen Boden und kam dann mit einem Ruck zum Stehen. Mit einigen heftigen Rammstößen öffnete K'Xara die verklemmte Tür, und wir traten ins Freie.
Wir waren am Eingang eines Tals gelandet, das sich hinter uns zur Schlucht verengte. Farne bedeckten die Wände der Schlucht, durch die sich ein Bach schlängelte, der in einem kleinen See mündete. Ein schillerndes Insekt, vierflügelig und lang wie eine Hand, schwirrte in Zickzackflug übers Wasser. Die Bachufer waren von einem lichten Wald aus Laubbäumen gesäumt, an deren Ästen kürbisgroße, an Lampions erinnernde Gebilde hingen. Hoch über dem havarierten Raumschiff kreiste ein krächzender Trupp fremdartiger Vögel, deren Silhouetten sich gegen den Abendhimmel abhoben.
Als