Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten. Кристин Нефф
von MSC kann als Nebenprodukt der Entwicklung der Ressourcen der Achtsamkeit und des Selbstmitgefühls betrachtet werden (siehe Teil IV über die Beziehung zwischen Selbstmitgefühl und Psychotherapie).
Das MSC-Curriculum
Das vollständige MSC-Curriculum wird in Teil III des Buches vorgestellt. MSC soll die Teilnehmenden von einem konzeptionellen, theoretischen Verständnis von Achtsamkeit und Selbstmitgefühl zu einer gefühlten Erfahrung dieser Konzepte hinführen und ihnen Werkzeuge an die Hand geben, um Achtsamkeit und Selbstmitgefühl im Alltag entwickeln und zur Gewohnheit machen zu können. Die Sitzungen wurden sorgfältig so konzipiert, dass sie aufeinander aufbauen. Jede Sitzung umfasst einen kurzen didaktischen Teil, gefolgt von Übungen, die den Teilnehmenden das Thema fühlbar vermitteln. Darauf folgt eine Exploration der direkten Erfahrungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen.
Die Bedürfnisse der Teilnehmenden sind in der Regel sehr unterschiedlich. Deshalb ermutigen wir sie, bei der Auswahl der Übungen zu experimentieren, diese an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen und so zu ihrem eigenen Lehrer, ihrer eigenen Lehrerin zu werden. MSC-Lehrende bemühen sich, eine sichere Atmosphäre zu schaffen, in der die Erfahrungen, welche die Teilnehmenden mit den Praktiken machen, geschätzt und gewürdigt werden.
Die Lehrenden werden darin bestärkt, ihren eigenen Stil zu entwickeln, sich das Programm beim Lehren zu eigen zu machen. Die Botschaft lautet aber: »Entwickle deinen eigenen Stil, nicht dein eigenes Curriculum.« Das ist besonders in der Anfangsphase des Lehrens wichtig, weil die strukturelle Integrität des Programms erst offensichtlich wird, wenn man es mehrmals unterrichtet hat. Es gibt im Curriculum einen gewissen Spielraum für kleinere Änderungen, beispielsweise was man bei der Präsentation von Konzepten für unterschiedliche Gruppen hervorhebt, aber die Lehrenden sollten keine neuen Hauptpraktiken entwickeln und den Programminhalt maximal um 15 Prozent modifizieren, wenn sie es noch MSC nennen wollen. Und um es noch einmal zu betonen: Niemand sollte MSC ohne formelles MSC-Lehrertraining unterrichten.
Das effizienteste Werkzeug eines MSC-Lehrenden ist die Verkörperung Achtsamen Mitgefühls. Es heißt doch: »Die Leute wollen wissen, was du weißt, wenn sie wissen, dass es dir am Herzen liegt.« Wenn Sie einmal einen Moment an die Lehrerinnen und Lehrer zurückdenken, die den größten Einfluss auf Ihr Leben hatten, dann waren das wahrscheinlich diejenigen, die angesichts der Herausforderungen, denen Sie beim Lernprozess begegnet sind, mitfühlend waren und wussten, wie sie Ihnen hindurchhelfen konnten. Daher ist der effizienteste Weg, um Selbstmitgefühl zu lehren, mitfühlend zu sein.
Von MSC-Lehrenden wird erwartet, dass sie selbst kontinuierlich etwa 30 Minuten täglich Achtsamkeit und Selbstmitgefühl praktizieren, insbesondere während eines Kurses (und zwar besonders die Praktiken, die jede Woche gelehrt werden). Durch die persönliche Praxis bleiben den Lehrenden die mit dem Erlernen von Achtsamkeit und Selbstmitgefühl verbundenen Herausforderungen präsent. Und sie verleiht ihren Worten Autorität und Kraft. MSC ist eine Vermittlung von Herz zu Herz, das durch die emotionale Resonanz zwischen Lehrenden und Kursteilnehmenden geschieht. Diese werden in der Gegenwart von Lehrenden, die Achtsamkeit und Selbstmitgefühl verkörpern, viele Qualitäten wahrnehmen – Respekt, Demut, Selbstgewahrsein, Zärtlichkeit –, die ihre individuelle Praxis unterstützen.
Zu MSC gehört eine bestimmte Form der Interaktion mit Gruppenmitgliedern, die als »Inquiry« bezeichnet wird und denjenigen Lesern und Leserinnen, die bereits an einem Lehrertraining teilgenommen haben, vertraut sein dürfte. Es ist dies eine Interaktion zwischen dem Selbst und dem oder der anderen, die dem Schüler oder der Schülerin eine achtsame oder mitfühlende Interaktion mit sich selbst spiegelt. Sie folgt in der Regel auf eine individuelle Übung oder eine Gruppenübung und beginnt mit Fragen wie »Was hast du wahrgenommen?« und »Was hast du gefühlt?«. Die Lehrenden helfen, die direkte Erfahrung der Gruppenmitglieder durch freundliches, urteilsfreies Befragen zu beleuchten. Wenn eine Erfahrung schwer zu ertragen ist, wird dem Gruppenmitglied aufgezeigt, wie man Achtsamkeit und Mitgefühl in diese spezielle Erfahrung einfließen lassen kann. Eine Lehrerin könnte beispielsweise fragen: »Kannst du ein bisschen Freundlichkeit in diese Erfahrung hineinbringen?« Vielleicht auch: »Was würdest du deiner Meinung nach jetzt brauchen?« Oder: »Was könntest du einem Freund sagen, der sich so fühlt, wie du jetzt?« Bei MSC wird eine eigene, charakteristische Form des Fragens angewandt, die der Schlüssel zum Lehren des Programms ist. Deshalb ist die Hälfte der Sitzungen beim MSC-Lehrertraining dem Einüben der Kunst der Inquiry gewidmet. Auf nahezu jede in Teil III dieses Buches beschriebene Meditation, informelle oder formelle Übung, folgen Beispiele eines solchen Inquiry-Prozesses.
Andere MSC-Unterrichtsmodalitäten schließen didaktische Themen, geführte Mediationen, das Anleiten von Gruppenübungen und das Lesen von Gedichten ein. Alle diese Aspekte des Lehrens haben einen gemeinsamen Nenner – das Lehren von innen heraus. Zum Beispiel sollten didaktische Themen in der eigenen, authentischen Sprache des Lehrenden vermittelt werden, und Lehrende sollten auf ihre eigenen Anweisungen vertrauen, wenn sie Meditationen anleiten. Es fällt ihnen leichter, den richtigen Ton in Gruppenübungen zu finden, wenn sie fühlen, dass ihre Worte von innen kommen. Gedichte können ebenfalls subtile Bewusstseinszustände vermitteln, wenn Lehrende zulassen, dass die Worte sie innerlich berühren.
MSC und Achtsamkeitstraining
MSC soll helfen, Achtsamkeit und Selbstmitgefühl zu kultivieren, weil wir ohne Achtsamkeit nicht wirklich mitfühlend sein können und umgekehrt Mitgefühl brauchen, um ganz achtsam sein zu können. In MSC kommen der Achtsamkeit vier wichtige Rollen zu: 1) den Schülern und Schülerinnen zu helfen, bewusst wahrzunehmen, wenn sie leiden; 2) sie zu befähigen, das Gewahrsein im gegenwärtigen Moment zu verankern, wenn Emotionen aktiviert werden; 3) das Wahrnehmen von Emotionen im Körper zu üben, um sie regulieren zu können, und 4) eine Haltung der Gelassenheit zu entwickeln, die Raum für mitfühlendes Handeln lässt.
Nun mag man sich fragen: »Worin ähnelt oder unterscheidet sich MSC von etablierten Achtsamkeitstrainings?«
Das bekannteste Achtsamkeitstraining ist heute MBSR, das ursprünglich von Jon Kabat-Zinn (1990) entwickelt wurde, um Patientinnen und Patienten einer Universitätsklinik, die unter chronischen Schmerzen und anderen schwer zu behandelnden Erkrankungen litten, Linderung zu verschaffen. Die drei Kernelemente von MBSR sind Atemmeditation, Bodyscan und achtsame Bewegung. MBSR-Lehrende vermitteln implizit liebevolle Güte und Mitgefühl, indem sie diese Qualitäten in der Interaktion mit ihren Gruppenmitgliedern verkörpern und zu einer freundlichen Haltung gegenüber allen Erfahrungen ermutigen. Während des einen Retreat-Tages wird auch die Liebevolle-Güte-Meditation gelehrt, aber der Hauptzweck von MBSR ist das Entwickeln von innerer Gelassenheit inmitten stressiger Lebensumstände durch urteilsloses Gewahrsein im gegenwärtigen Moment.
MBCT (Mindfulness-based Cognitive Therapy) ist eine verhaltenstherapeutische Adaption von MBSR zur Behandlung von wiederkehrenden Depressionen, die von Zindal Segal und Kollegen (2013) entwickelt wurde. Sowohl bei MBSR als auch MBCT hat sich gezeigt, dass die Praktizierenden mehr Selbstmitgefühl entwickelten (siehe Kapitel 4). Die Liebevolle-Güte-Meditation ist nicht Teil des MBCT-Protokolls, weil man vermeiden wollte, innerhalb dieser vulnerablen Population bestimmte Emotionen zu aktivieren: MBCT konzentriert sich mehr auf das Entwickeln eines dezentrierten achtsamen Gewahrseins depressiver Gedankengänge.
Drei Kernelemente von MBSR und MBCT wurden für das MSC-Programm adaptiert, wobei besonders Herzenswärme und Wohlwollen im Mittelpunkt stehen. Die Meditation Liebevolles Atmen ist bei MSC beispielsweise eine Form der Atemmeditation, die die Teilnehmenden dazu einlädt, den sanften Rhythmus des Atems zu genießen – insbesondere die Erfahrung, innerlich vom Atem gewiegt und liebkost zu werden.
Bei dieser Meditation steht nicht die Konzentration im Vordergrund, sondern das Gefühl, vom Atem gehalten und genährt zu werden – was unweigerlich zu einer erhöhten Konzentration beiträgt. Der »Bodyscan mit Mitgefühl« des Achtsamen-Selbstmitgefühl-Programms ähnelt dem MBSR-Bodyscan, konzentriert sich aber stärker darauf, zu würdigen, wie hart jeder Teil des Körpers für uns arbeitet, jedem Körperteil Gutes zu wünschen und dem Herzen zu erlauben, dass es weich und mitfühlend wird, wenn