Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten. Кристин Нефф

Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten - Кристин Нефф


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hinsichtlich unserer Bemühungen, unser Ego ständig vor realen oder eingebildeten Bedrohungen zu schützen. Wenden wir uns aber mitfühlend uns selbst zu, wenn wir leiden, beginnt sich unser Gefühl des Getrenntseins paradoxerweise aufzulösen. Was geschieht beispielsweise, wenn es uns schlecht geht und wir uns die Hände auf den Herzbereich legen, um uns selbst zu trösten und zu unterstützen? Dieser Akt der Freundlichkeit ermöglicht es uns normalerweise, uns vom egozentrierten, grüblerischen Denken zu lösen und die Welt mit neuen Augen zu sehen.

       Gibt es kein besseres Wort als »Selbstmitgefühl«?

      Unsere Sprache tendiert dazu, Vorstellungen zu verfestigen. Ein gleichwertiger Ausdruck für »Selbstmitgefühl« ist »inneres Mitgefühl«. Wir verwenden den Ausdruck »Selbstmitgefühl«, weil er Anfängern einleuchtet, die vielleicht Probleme mit sich selbst haben. Wenn Praktizierende durch meditatives inneres Forschen entdecken, dass es kein festes »Selbst« gibt, wird »inneres Mitgefühl« zu einem passenderen Ausdruck.

       Kann ein Selbstmitgefühlstraining nicht zur Aktivierung von Emotionen beitragen?

      Wir alle haben problematische Erinnerungen, die beim Selbstmitgefühlstraining wieder ins Bewusstsein treten können. MSC wurde ­entwickelt, um alten Verletzungen auf eine gesunde, neue Art und Weise begegnen zu können: mit Achtsamkeit und Mitgefühl. Emotionale Aktivierung ist ein wesentlicher und unvermeidbarer Teil des Transformationsprozesses. Die Stabilisierung des Gewahrseins inmitten heftiger Emotionen ist einer der Hauptgründe, weshalb neben dem Selbstmitgefühl gleichzeitig Achtsamkeit gelehrt wird. Die Unterstützung durch die Gruppe ist ein weiterer wichtiger Teil des Selbstmitgefühlstrainings: das Leiden in einem freundlichen Umfeld da sein lassen.

       Sollte sich MSC nicht darauf konzentrieren, neben Selbstmitgefühl auch Mitgefühl für andere zu vermitteln?

      MSC war nie als komplettes Mitgefühlstraining konzipiert. Wenn Mitgefühl umfassend und vollständig sein soll, sollte es nach unserem Verständnis sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet sein. Leider kann man überall auf der Welt die Tendenz beobachten, Mitgefühl für andere über das Mitgefühl für sich selbst zu stellen. Deshalb soll unsere besondere Betonung des Selbstmitgefühls helfen, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren. Unser Anspruch ist eigentlich sehr bescheiden: Wir wollen uns selbst in den Kreis derer aufnehmen, denen Mitgefühl entgegengebracht wird. MSC lehrt auch Mitgefühl für andere, verknüpft es aber mit Selbstmitgefühl, weil das unser Hauptfokus ist. Diverse Studien zeigen, dass MSC-Training hilft, Mitgefühl für andere zu entwickeln (Neff und Germer, 2013), dass aber auch die Zunahme des Mitgefühls für andere uns hilft, zunehmend Selbstmitgefühl zu entwickeln (Breines und Chen, 2013).

      Können wir beginnen?

      Sie werden nun durch das MSC-Programm geführt. Der weitere Text von Teil I widmet sich den theoretischen und wissenschaftlichen Grundlagen des Selbstmitgefühls und des Selbstmitgefühlstrainings (Kapitel 2 bis 4). Teil II beschreibt die Didaktik des Selbstmitgefühlstrainings. Kapitel 5 befasst sich mit der Struktur und dem Curriculum von MSC. Kapitel 6 fasst zusammen, wie didaktische Themen vermittelt und Meditationen und Gruppenübungen angeleitet werden. In Kapitel 7 geht es darum, Selbstmitgefühl zu verkörpern und mitfühlende Lehrende zu werden. Kapitel 8 bietet Einblicke in und Vorschläge für den Umgang mit Gruppenprozessen, und in Kapitel 9 wird der Weg des Lernens und Lehrens auf der Basis des Inquiry-Prozesses beschrieben.

      Teil III bietet einen detaillierten Einblick in jede der acht Sitzungen des MSC-Programms (ein Kapitel pro Sitzung) sowie ein separates Kapitel über das halbtägige Retreat. Jedes Kapitel beginnt mit einem Überblick über die Sitzung (oder das Retreat), gefolgt von der Beschreibung eines didaktischen Themas, vollständigen Anleitungen für jede Meditation, informelle Übung und Gruppenübung sowie Beispielen des Inquiry-Prozesses, der im Anschluss an die bei den Übungen gemachten Erfahrungen stattfindet. (In den Anhängen des Buchs finden Sie zusätzliche Quellen und Ressourcen für Studium, Praxis und Lehre.)

      Teil IV befasst sich speziell mit der Integration von Selbstmitgefühl in die Psychotherapie, zeigt Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen MSC und Therapie auf und beschäftigt sich ausführlicher mit besonderen Themen wie »Trauma« und »Scham«.

      Wir nennen meist weibliche und männliche Form, wechseln manchmal aber zwischen beiden, wenn wir uns auf eine einzelne Person beziehen, oder nennen beide. Eine hundertprozentig genderneutrale respektive inkludierende Wortwahl ist aus Gründen der besseren Lesbarkeit in diesem Buch nicht realisiert. Obwohl wir die grammatisch maskuline und/oder feminine Form gewählt haben, sind jeweils beide und alle, die sich nicht in das gesellschaftlich hegemoniale Zweigeschlechtersystem einordnen lassen (möchten), selbstverständlich mitgemeint. Wir hoffen aufrichtig, dass sich so auch alle einbezogen fühlen.

      Wir sind dankbar, dass Sie sich auf die innere Reise des Selbstmitgefühls begeben, und hoffen, dass Sie das in diesem Buch enthaltene ­Material in Ihren persönlichen und beruflichen Bemühungen unterstützen wird. Wenn Sie nach der Lektüre des Buches das achtwöchige MSC-Programm selbst unterrichten möchten, finden Sie weitere Informationen über das Lehrertraining auf www.arbor-seminare.de/msc-teacher-training.

      Unabhängig von bisher erworbenen Qualifikationen oder Erfahrungen ist es notwendig, eine formelle MSC-Lehrerausbildung zu absolvieren, um ausreichend darauf vorbereitet zu sein, das Programm zu unterrichten. Da MSC Emotionen aktivieren kann, sind persönliches Training und Anleitung im Hinblick auf das Lehren des Programms unverzichtbar – insbesondere wenn Schwierigkeiten auftauchen –, um die Sicherheit der Teilnehmenden zu gewährleisten.

      Wichtige Punkte, an die wir uns erinnern sollten

       Wenn Achtsamkeit vollständig ist, ist sie von den Herzensqualitäten der liebevollen Güte und des Mitgefühls durchdrungen. Herzensqualitäten sind besonders inmitten schwieriger Emotionen wichtig für achtsames Gewahrsein, und sie können durch regelmäßige Praxis kultiviert werden.

       MSC ist Achtsamkeitsbasiertes Selbstmitgefühlstraining.

       MSC ist ein Programm zum Aufbau innerer Ressourcen, das für die breite Öffentlichkeit entwickelt wurde. Der Schwerpunkt des Programms liegt mehr auf der Entwicklung einer achtsamen und mitfühlenden Beziehung zu emotionalem Schmerz – und zu uns selbst – als auf der Heilung alter Verletzungen. Alte Verletzungen neigen jedoch dazu, im Laufe des Selbstmitgefühlstrainings an die Oberfläche zu kommen und sich zu transformieren.

       Das Curriculum enthält eine Vielzahl von formellen Meditationen sowie informellen Praktiken und Übungen und liefert Erläuterungen zu allen Praktiken. Mit diesen Skills und diesem Verständnis werden die Teilnehmenden ermutigt, ihre eigenen Lehrer und Lehrerinnen zu werden. MSC hat die achtwöchige Trainingsstruktur und den auf Inquiry basierenden Ansatz von MBSR entlehnt. Darüber hinaus wurden drei weitere Praktiken von MBSR übernommen: die Atemmeditation, der Bodyscan und die achtsame Bewegung.

       MSC ist das erste strukturierte Programm, das speziell entwickelt wurde, um Selbstmitgefühl zu kultivieren.

       Die formale MSC-Lehrerausbildung ist erforderlich, um das in diesem Buch beschriebene Programm sicher und effektiv unterrichten zu können.

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      Was ist Selbstmitgefühl?

      Wenn ich aber nun entdecken sollte, dass …ich selber des Almosens meiner Güte bedarf –dass ich mir selbst der zu liebende Feind bin, was dann?

      C. G. Jung (1971)

      Selbstmitgefühl unterscheidet sich nicht wirklich vom Mitgefühl für andere. Die Gefühle sind die gleichen, die Erfahrung ist die gleiche. Der Unterschied besteht darin, dass Menschen in der Regel sich selbst ausschließen aus dem Kreis derer, denen ihr Mitgefühl gilt – sie sind viel eher bereit, anderen Mitgefühl entgegenzubringen als sich selbst (Knox, Neff und Davidson, 2016). Aus diesem Grund


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