Scheinwelt. Andreas Reinhardt

Scheinwelt - Andreas Reinhardt


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ich meinen Mann im Jahr 2020 in „Das große SAT.1 Promiboxen“, direkt nach der TV-Reality-Show „Kampf der Realitystars – Schiffbruch am Traumstrand“ von RTL ZWEI, um ein Jahr darauf in „Die große Dschungelshow“ von RTL anzutreten. Die unterschwellige Angst vor dem Verlust des erlangten finanziellen Wohlstandes wollte trotzdem nie ganz das Feld räumen. Regelmäßig blickte mich im Spiegel noch dieses hässliche Entlein an, das ich einmal gewesen war. Meine verdammten Dämonen brachten mich noch eine ganze Weile dazu, wie ein Getriebener auf der Überholspur dahin zu rasen, bis Kritik vereinzelt sogar aus dem eigenen Bekannten- und Freundeskreis, selbst aus der Familie laut wurde. War ich wirklich dabei, mich zu meinem Nachteil zu verändern, meine Bodenständigkeit und Zugänglichkeit auf dem Altar des Showbusiness zu opfern? Dort hat man es ja besonders häufig mit missgünstigen Gesellen, Speichelleckern und falschen Freunden zu tun. – Apropos, kennen Sie den?:

      Bist du ganz oben, dann wissen deine Freunde, wer du bist. Bist du aber ganz unten, dann weißt du, wer deine Freunde sind.

      Also wann ist schlechte Kritik berechtigt, wann sind Lob und Respekt wahrhaftig? Kein Wunder, dass etliche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens paranoide Züge entwickeln.

      Wie stand es also um mich? Dass ich von jeher schlecht mit nachteiliger Kritik umgehen kann, machte die Selbstreflexion nicht eben leicht. Auch nicht, dass ich in verschiedenen TV-Formaten sowie Print- und Onlinemedien gezielt in die Schublade des großmäuligen, unsensiblen Machos, Draufgängers und Egomanen gestopft worden bin. Bedingt virtuos bespielte man dort real existierende Charakterzüge wie die freche Schnauze, meinen Hang zu provokanter Ironie sowie den allzeit lauernden Rebellen und Kämpfer. Touché!

      Zusammenfassend lässt sich sagen: Während der Aufstieg zum neudeutsch „Reality-TV-Star“ quasi über Nacht über längere Zeit eine große Herausforderung darstellte, lernte ich das „Spiel“ gleichwohl immer besser zu spielen, ohne mich darin zu verlieren. Es war wie ein ultimativer Charaktertest auf glattem Parkett, der mir da abverlangt worden ist. Immerhin bewegt man sich in einer Glitzerwelt der Extreme, in der Sein und Schein nahtlos ineinander übergehen, sogenannte Reality-TV-Stars und Influencer allzu häufig nur benutztes Produkt, will sagen gesteuerte, kurzweilige Vorbilder sind. In jener Welt sind Worte und Taten im Grunde ohne bleibende Relevanz oder tiefere Bedeutung – lediglich ausgeschlachtet zugunsten der schnellen Sensation. Im Prinzip funktioniert es wie ein kunterbunter Ballon, faszinierend, schillernd, groß und letztlich doch nur mit heißer Luft gefüllt.

      Mit diesem Buch will ich ausdrücklich keine pauschale Attacke gegen Show-Kollegen, Reality-TV-Formate oder alle Influencer reiten, das wäre unfair und liegt ganz sicher nicht in meiner Absicht. Gleichwohl möchte ich das Prinzip „Influencer“ und „Reality-TV“ kritisch und mit sehr deutlichen Worten beleuchten, denn dafür gibt es aus meiner Sicht schwerwiegende Gründe, welche Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben, in der wir alle zusammenleben.

      Tatsächlich sollte sich jeder Mensch als Original mit immens viel Potenzial begreifen. Die eigene innere Schönheit zu erkennen bedeutet, beklemmende Vergleiche mit anderen in die Wüste zu verabschieden. Denn was bringen solche Vergleiche schon hervor, außer Neid, Missgunst und Verunsicherung?!

      Wenn meine Biografie denen Ratgeber, Anker und Motivation sein kann, die sich in der verwirrenden Welt aus Sein und Schein zu verlieren drohen oder die ihre eigene innere Stimme noch nicht gefunden haben – ob nun prominent oder als Privatperson – dann wäre ein wichtiger Zweck erfüllt.

      Aber damit genug der Vorworte, ich lade Sie auf eine Reise durch mein bisheriges Leben ein, um mich besser, das heißt authentischer kennenzulernen. Wer oder was hat Oliver Sanne zu dem gemacht, der er heute ist? Mit welchen Hürden und Herausforderungen war er bisher konfrontiert?

      Ich wünsche erhellendes, spannendes und amüsantes Vergnügen …

      Ganz unspektakulär wurde ich in eine Handwerkerfamilie mit Malereibetrieb hineingeboren, wobei meine Mutter mehr den geschäftsführenden Part innehatte, mein Vater den des ausführenden Handwerkers. Als ich zur Welt kam, waren meine Eltern nicht mehr die Jüngsten, womit sich wohl auch erklären lässt, dass ich mehr „passiert“ bin als geplant war – der letzte Schuss, wenn man so will. Papa war auch Vater zweier weiterer Kinder aus einer früheren Ehe. Für meinen zehn Jahre älteren Bruder Alexander und mich war es ein Leben ohne spürbare Entbehrungen, jedenfalls empfanden wir es nie so. Es gab das angesagteste Spielzeug und keine abgetragenen Klamotten. Tatsache war allerdings auch, dass die Familie zwar von Monat zu Monat halbwegs gut über die Runden kam, ohne jedoch erwähnenswerte Ersparnisse aufbauen zu können. Sicherlich wurde da die eine oder andere D-Mark beziehungsweise der eine oder andere Euro mehr als einmal umgedreht, aber welcher Familie ging es hinter vorgehaltener Hand nicht genauso, zumal mit zwei oder mehr Kindern? Viel entscheidender war, dass in unserem Elternhaus zwar ein strenges väterliches Regiment vorherrschte, jedoch weder geschlagen noch Stubenarrest als Strafmaßnahme eingesetzt wurde. Überhaupt lag die Erziehung vor allem in den Händen der Mama. Sie war die Chefin in den eigenen vier Wänden. Papa beschränkte sich auf die Rolle des regelmäßigen Mahners, der sich mit Gesten, Blicken und Worten Respekt verschaffte. Aufbrausend war er bisweilen auch, schlug schon mal wütend auf den Tisch und erhob die Stimme. Das war dann aber auch das Äußerste. Diesen Charakterzug habe ich zweifelsohne von ihm geerbt.

      »Ihr müsst ums Verrecken die Schule vernünftig hinkriegen, damit euch alle Optionen im späteren Berufsleben offenstehen. Ich will, dass Ihr die Schule ernst nehmt. Ihr sollt nicht so arbeiten müssen wie ich, bis es euch körperlich kaputt macht«, pflegte er uns mit allem Nachdruck ins Gewissen zu reden.

      Kein Wunder also, dass auf unsere Erziehung und Schulbildung allergrößter Wert gelegt wurde. Mein Bruder Alex erfüllte die Anforderungen mehr oder weniger spielend, ging bei uns in Bonn auf eine angesehene Privatschule, wo er auch sein Abitur machte. Selbstredend sollte ich es ihm gleichtun, was daran scheiterte, dass ich schulisch gesehen zum Totalausfall tendierte. Die katholische Realschule stemmte ich noch gerade so – nach einer „Ehrenrunde“ in der 10. Klasse – aber für eine Empfehlung auf besagtes Gymnasium reichte es nicht. Meine Eltern entsandten mich dann zwar auf ein anderes, aber das war dasselbe, als würde man einen altersschwachen Esel einen steilen Bergpfad hinauftreiben. Meine Leistungen ließen immer mehr zu wünschen übrig, ich verkackte Prüfung um Prüfung, vor allem in den entscheidenden Fächern wie Mathematik, Deutsch und Physik.

      Was mein Selbstvertrauen darüber hinaus jeden Tag aufs Neue pulverisierte, war mein Übergewicht. Mit 15 Jahren brachte ich schon satte 100 Kilo auf die Waage, ein Jahr darauf stolze 110 Kilo, und als 18-Jähriger kratzte ich sogar die 120-Kilo-Marke – höchst ungünstig verteilter Speck noch dazu. Dabei habe ich immer leidenschaftlich und viel Sport getrieben, von Taekwondo über Basketball bis hin zur Sport-AG der Schule. Das Dilemma bestand darin, dass ich daneben auch ein leidenschaftlicher Esser mit unbändigem Appetit war – nicht aus irgendeinem Frust heraus, sondern wirklich aus Lust am Essen. Ein typischer Wochentag sah für mich so aus, dass ich nach der Schule zu einem Klassenkameraden ging, um gemeinsam Hausaufgaben zu machen. Dort wurde dann auch warm zu Mittag gegessen. Danach ging es in die Innenstadt, wo nahezu zwanghaft McDonald's angesteuert wurde. Kam ich dann am frühen Abend nachhause, behauptete ich, noch nichts Warmes zu mir genommen zu haben und genoss auf die Art eine weitere deftige Speise. Mein wichtigstes Motto in dem Zusammenhang: Immer große Portionen und immer um Nachschlag bitten. – Meine Eltern hatten ihrerseits keinen Sinn für betont gesunde und vor allem maßvolle Ernährung. Sie entstammten noch einer Generation, deren Hauptaugenmerk darauf lag, dass alle in der Familie überreichlich zu Essen hatten, um im Umkehrschluss gut genährt und folglich gesund zu sein. Nichts anderes wurde mir vermittelt. Kurzum, die Sensibilität für wirklich gesunde Ernährung ging meinen Eltern vollständig ab. Wäre jemand meinem Vater – dem klassischen Handwerker – mit Fitness-Lifestyle, kalorienarmer oder gar Trennkost gekommen, hätte er womöglich Vertreter der städtischen Nervenheilanstalt zu Hilfe gerufen. Zumindest hätte er herzhaft über den vermeintlichen Witz gelacht. Für ihn war nun mal die gutbürgerlich deftige Küche meiner Mutter der einzig wahre Jakob.

      Ich erzähle das über


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