Love Rules - Geheimnisse. Tanja Neise
mich extra für ihn aufbrezeln. Was ich nicht getan hatte, schließlich musste jeder mal duschen, oder?
Je näher der Zeiger auf drei Uhr zuschritt, umso unruhiger wurde ich. Warum war ich eigentlich so nervös?
Um mich ein wenig abzulenken, griff ich nach meinem Tablet und scrollte mich durch die Romane von Clodette. Puh, das war eine Auswahl, dass ich mich gar nicht recht entscheiden konnte, welchen ich als Nächsten lesen wollte.
Ich tippte blind auf einen und lud ihn mir herunter, ohne den Klappentext zu lesen. Da er von Clodette war, war ich davon überzeugt, dass er gut sein musste. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich noch zwanzig Minuten Zeit hatte.
Zum Artikelschreiben war mir das zu wenig, also begann ich mit dem Lesen des Romans. Innerhalb kürzester Zeit vergaß ich alles um mich herum und schreckte jäh hoch, als es an der Tür klingelte. Sofort schlug mein Herz in wildem Galopp. Barfuß öffnete ich die Wohnungstür, nachdem ich den elektronischen Türöffner gedrückt hatte.
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend kam Ethan die Treppe herauf. Wenn ich gedacht hatte, dass er gestern Abend eine tolle Figur in dem dunklen Anzug gemacht hatte, musste ich nun zugeben, dass er in Jeans und Shirt noch attraktiver wirkte. Er hatte sich genau wie ich für eine dunkelblaue Jeans entschieden und ebenso ein weißes Shirt gewählt.
»Hey, Abigail!« Sein Blick glitt über meinen Körper hinweg und blieb schließlich an meinem Gesicht hängen. Beinahe hatte ich das Gefühl, zu spüren wie er mich berührte. »Wir scheinen heute Morgen beide in derselben Stimmung gewesen zu sein«, sagte er lächelnd.
Begriffsstutzig sah ich zu ihm auf, weil er mich einen guten Kopf überragte. Seine Anwesenheit sorgte dafür, dass die Blutzufuhr zu meinem Gehirn gekappt wurde und das Lächeln auf seinem Gesicht tat das Übrige.
»Ich meine Ihre Kleidung«, erklärte er mir geduldig und wies zwischen uns hin und her.
»Ja, scheint so«, antwortete ich lahm.
Wo war nur meine Schlagfertigkeit hin? Normalerweise hatte ich immer einen frechen Spruch auf den Lippen und mich brachte so schnell nichts aus der Ruhe. Doch in Ethans Gegenwart löste sich mein Ich in Luft auf und eine völlig andere Frau besetzte meinen Körper. Das war erschreckend! Das musste aufhören – schnellstens!
»Geht es Ihnen gut? Ich habe gestern Mist gebaut. Deshalb habe ich Mary gegenüber auch darauf bestanden, Ihnen Ihre Sachen persönlich bringen zu dürfen. Außerdem wollte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Wegen mir mussten Sie so früh von der Party verschwinden.« Betreten schaute er mich an, doch um seine Augen konnte ich das Grinsen erkennen, das er unterdrücken musste. So leid tat es ihm gar nicht.
»Ist schon gut. Sie haben mich anschließend brav nach Hause gebracht, ohne die Situation auszunutzen. Von daher, verzeihe ich Ihnen.« Ich merkte selbst, wie abweisend ich mich anhörte, doch der Mann, der mir da im Hausflur gegenüberstand, hatte eine Wirkung auf mich, die ich nicht mochte – die ich nicht brauchen konnte. Deshalb streckte ich auffordernd meine Hand aus. Mit leichtem Bedauern im Blick reichte er mir den Mantel und mein Handy.
»Ihre Gastgeberin hätte mir den Kopf abgerissen, wenn Ihnen etwas zugestoßen wäre oder ich Ihre Notlage womöglich ausgenutzt hätte.« Mit einem Zucken der Augenbrauen verdeutlichte er das, was er mit den letzten Worten ausdrücken wollte.
Doch anstatt eines Lachens, das die Situation aufgelockert hätte, schnürte es mir die Kehle zu. Mein Herz fing an zu rasen und mein Gehirn malte farbenfrohe Bilder von Ethan und mir, während er Dinge mit mir tat, die auffallende Ähnlichkeit mit den erotischen Szenen hatten, die ich in den E-Books der Millionärsromane in den vergangenen Tagen gelesen hatte. Mir trieb es die Schamesröte ins Gesicht. Seit dem Moment, da ich das Büro der Snyder verlassen hatte, war ich eine völlig andere Frau. Wo war nur meine Selbstsicherheit hin? »Danke, dass Sie mir die Sachen gebracht haben«, stieß ich hervor.
»Kein Problem. War schön, Sie wiederzusehen.« Er wandte sich um und ging langsam die Treppe hinunter, so als warte er, dass ich ihn zurückrief, doch das tat ich nicht.
Insgeheim verfluchte ich meine eigene Sturheit, was Männer betraf, aber ich kannte ihn nicht. Selbst wenn ich ihn gekannt hätte, wäre ich nicht willens gewesen, von meinem Standpunkt – ein Leben ohne Mann zu führen – abzuweichen – auch nicht, um meinen willigen Körper an seinen zu pressen.
Mit hängenden Schultern schlurfte ich zurück ins Wohnzimmer, schnappte mir den Laptop und fing an, den Artikel mit dem Interview zu schreiben. Die Snyder würde mir eine Gehaltserhöhung geben müssen, so sehr würden die Auflagenzahlen ansteigen, dank meiner Serie. Ja, da war es wieder - mein Selbstbewusstsein.
Ethan
Ich musste ein verdammter Heiliger sein. Da stand diese heiße Frau im Türrahmen und ich ging einfach wieder, ohne mein Glück bei ihr zu probieren. Und das nach der Pleite mit Natascha am gestrigen Abend. Natascha war mit ihrem Verlobten auf der Party gewesen. Ihrem Verlobten! Sie war definitiv keine Frau, die sich fest an einen Mann band. Zumindest dachte ich das bisher, aber offenbar veränderten sich die Menschen. Denn auch als ich versucht hatte, sie mit Worten heiß zu machen und in mein Bett zu bekommen, lehnte sie ab, die Nacht mit mir zu verbringen.
Als ich dann unter meiner Decke gelegen hatte, konnte ich nicht einschlafen und diesmal war nicht der Vertrag schuld, sondern der heiße Feger, dem ich gerade freiwillig den Rücken zugedreht hatte. Stundenlang lag ich mit einem enormen Ständer einfach nur da. Letztendlich hatte ich es mir selbst besorgt, während ich mir vorstellte, Abigails Hände wären es, die mir Erleichterung verschafften. Seit meiner Schulzeit hatte ich so etwas nicht mehr getan.
Was war nur los mit mir? Normalerweise nahm ich mir das, was ich wollte. Oder ich versuchte es zumindest, so wie bei Natascha gestern. Selbstverständlich würde ich einer Frau keine Gewalt antun, aber ich war ein guter Verführer und bekam meistens, was ich wollte. Es waren noch andere Frauen auf der Party, doch mir war nicht danach gewesen, einer fremden Frau das zu schenken, was ich dieser einen hatte geben wollen. Natascha wäre eine Notlösung gewesen, aber ich kannte sie wenigstens, war mit ihrem Körper vertraut und sie mit meinem, was unweigerlich von einem zum anderen geführt hätte. Mein Verstand wäre endlich in der Lage gewesen, abzuschalten.
Zumindest wusste ich jetzt Abigails vollständigen Namen, ihre Adresse und bevor ich ihr das Telefon brachte, hatte ich die Nummer ausgelesen. Wie gut, dass mein Freund Toni Kontakte hatte, die solche Spezialaufgaben erledigten. In der heutigen Zeit lief niemand mehr mit einem Handy durch die Gegend, das nicht durch einen Pin-Code gesichert war. Abigail Jones achtete jedenfalls auf ihre persönliche Sicherheit.
Pfeifend trat ich hinaus in den Sonnenschein, setzte die Sonnenbrille auf und stieg in mein Auto. Den Nachmittag würde ich damit verbringen, herauszufinden, auf wen mein Körper dermaßen abfuhr, dass ich mich verhielt wie ein pubertierender Jüngling. Danach würde ich mir überlegen, wie ich diese Frau am schnellsten in mein Bett bekam. Viel Zeit hatte ich dafür nicht, meine Tage in Chicago waren gezählt, doch ich scheute niemals eine Herausforderung.
»Hey Kumpel, du ziehst ja ein Gesicht, als hättest du in eine saure Zitrone gebissen.« Toni trat zu mir an den Tisch, den ich für uns in meinem Lieblingsrestaurant reserviert hatte. Wie immer trug er eine Jeans und seine heißgeliebte Lederjacke. Obwohl er mittlerweile enorm viel Geld verdiente, sah man es ihm nicht an. Er wirkte wie der Typ vom Pizzalieferdienst, der für seinen Onkel das Essen ausfuhr. Dafür mochte ich ihn noch mehr. Toni war einer der wenigen Menschen, die sich durch ihren neuen Reichtum nicht hatten verderben lassen. Immerhin war er der Sohn der Frau, die unseren Haushalt versorgt hatte. Er war praktisch über Nacht aufgestiegen und dennoch ließ er niemals den Großkotz raushängen wie so viele andere, die nicht damit klarkamen, dass man sich auch mit einem Haufen Geld in der Tasche zu benehmen hatte.
Wir trafen uns alle paar Tage, um zu reden, und sei es nur über stumpfsinnigen Männerkram, den man eben ausschließlich mit dem besten Kumpel bequatschte. Nur in seiner Gegenwart konnte ich sein, wie ich wollte. Toni kannte