Genesis VI. Alfred Broi

Genesis VI - Alfred Broi


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und mehr durch dicke, immer größer werdende Glasscheiben ersetzt.

      Dahinter war zunächst nur Dunkelheit zu erkennen, die aber zunehmend heller wurde und sich zu bewegen schien. Weitere drei Stockwerke höher durchstießen erste Lichtstrahlen die mittlerweile eher graue Masse hinter dem Glas und allmählich erkannte jeder, dass es sich hierbei um Wasser handelte, dass mit hoher Geschwindigkeit rechts und links am Treppenhaus vorbeischoss und für etliche Verwirbelungen sorgte. Je mehr Licht hineinfiel, desto mehr und besser waren auch Schwebstoffe zu erkennen, sowie kleine und größere Äste und aufgewirbelte Steine, die vorbeitrieben. Dann endete ihr Aufstieg unvermittelt und Lobos führte sie in einen großen, fast kreisrunden Raum, den Mavis, Vilo und die anderen militärisch versierten Männer sofort als die Kommandobrücke der Kamarulu erkannten. Wenn der Haupthangar das Herz des Schiffes war, dann war die Kommandobrücke das Gehirn gewesen. Überall gab es Kontrollkonsolen und Terminals, dazu drei riesige Bildschirme von mehreren zehn Quadratmetern Fläche. Einer von ihnen war jedoch komplett zerstört, ein zweiter wies lange Risse auf. Den gesamten Raum umgab ab etwa einemmeterfünfzig Raumhöhe eine Glasfront. Deutlich war zu erkennen, wie das Wasser auf der einen Seite auftraf, dann rechts und links an der Brücke vorbeifloss und sich schließlich auf der anderen Seite wieder entfernte.

      Als Mavis direkt an die Scheiben trat, wo das Wasser auftraf, konnte er förmlich spüren, wie es unter dem immensen Druck leicht vibrierte. Gleichzeitig flutete so viel Licht in das Wasser, dass er etliche Meter in die Tiefe sehen und dort einen gewaltigen dunklen Schatten erkennen konnte. Er nahm an, dass es das Flugdeck der Kamarulu war. Um sicher zu gehen, drehte er sich um, ging zur anderen Seite und schaute dort aus dem Fenster. Hier gab es zwar nicht mehr Licht, dafür aber war das Wasser ruhiger und so konnte er besser in die Tiefe sehen und erkennen, dass er Recht hatte. Etwa fünfzehn Meter unter ihnen lag das Flugdeck. Er hatte damit gerechnet, keine Flugzeuge mehr darauf zu sehen, da das Wasser offensichtlich genug Kraft besaß, um das Deck vollkommen leer zu spülen, doch musste er feststellen, dass er sich getäuscht hatte. Neben etlichen Einschusslöchern, durch die das Wasser in das Innere des Schiffes stürzte, gab es dort tatsächlich auch das Wrack eines größeren Transportflugzeuges. Es war zur Hälfte in das Deck eingebrochen und musste sich dann verkantet haben, sodass es nicht wegrutschen konnte. Es ragte mit gebrochenen Flügeln in die Höhe und bot einen absolut gespenstischen Anblick, der dadurch noch grausamer wurde, dass Mavis einen undefinierbaren, dunklen Haufen Masse auf dem Pilotensitz erkennen konnte, der vielleicht einstmals ein Mensch gewesen war. Er fröstelte und er drehte sich weg. Dabei stellte er fest, dass Melia direkt neben ihm stand und ebenfalls hinabschaute. Plötzlich sog sie abrupt und hörbar die Luft ein und umfasste seinen linken Oberarm. Er wusste, sie hatte ebenfalls in die Kanzel des Wracks geschaut. Mavis suchte ihren Blick und legte seine rechte Hand auf ihre Hand. Melia sah ihn überrascht an und als er sie anlächelte, erschrak sie ein wenig und nahm ihre Hand weg. Bevor Mavis jedoch etwas sagen konnte, sprach Vilo.

      „Das ist das verdammt Bekloppteste, das ich je gesehen habe!“ Er schüttelte mit verzogenen Mundwinkeln den Kopf. „Dieses riesige Schiff mitten in diesem Wasserfall…!“ Er lachte heiser auf und schüttelte erneut den Kopf. „Unfassbar!“

      „Ja!“ Lobos nickte zustimmend. „Aber unsere Tage sind gezählt!“

      „Was?“ fragte Cosco. „Wieso?“

      Lobos antwortete nicht sofort, sondern trat an eines der Fenster, streckte seine rechte Hand in die Höhe und deutete mit dem Zeigefinger in den obersten Bereich, wo Fenster und Rahmen aufeinandertrafen.

      „Die Dichtungen werden porös!“ meinte Tibak sofort und nickte.

      Doch Lobos schüttelte den Kopf. „Nein, die sind noch intakt!“

      „Was meinen sie dann?“ fragte Dek.

      „Das Wasser!“ erwiderte Kaleena und als Vilo sie irritiert ansah, fügte sie hinzu. „Also, den Wasserstand!“

      Lobos nickte. „Stimmt!“

      „Was soll das heißen?“ fragte Mavis.

      Der Admiral atmete einmal tief durch, bevor er erklärte. „Als die Triebwerke den oberen Wasserfall sprengten, rissen die Explosionen Unmengen an Erde und Gestein auf, die das Wasser weiter transportierte und die Kamarulu dadurch so gut wie darunter begraben wurde. Im Laufe der Jahre hat das Wasser all das wieder weggeschwemmt. Dennoch war es anfangs so, dass der Fluss genügend Wasser mit sich führte, dass er das Schiff weiterhin im Verborgenen hielt. Seit ein paar Monaten aber sinkt der Wasserspiegel!“ Wieder hob er den rechten Arm an und deutete auf die gleiche Stelle wie zuvor. „Sehen sie!“

      Und plötzlich erkannten es alle: Einen schmalen Streifen von vielleicht einem Zentimeter Breite, wo der freie Himmel über dem Fluss zu sehen war. Der Streifen war nicht beständig da, weil das Wasser immer wieder durch die vorherrschenden Strömungen aufgewühlt wurde, aber wenn er da war, konnte man die dicken, dunklen Wolkenpakete über dem Bergmassiv erkennen.

      „Wenn man von oben hier heruntersieht…!“ Lobos deutete in die Richtung, wo die Kitaja zerstört worden war. „...sah man bisher nur das aufschäumende Wasser. Jetzt aber kann man einen dunkeln Fleck an dieser Stelle darin erkennen!“

      „Das Dach der Kommandobrücke!“ Cosco nickte erkennend.

      Lobos tat es ihm gleich. „Und der Vorgang hält an und beschleunigt sich!“

      „Wie lange noch?“ fragte Vilo.

      Der Admiral sah ihn mit ernster Miene an. „Zwei, vielleicht drei Monate! Und wenn man uns erst entdeckt hat…!“ Lobos schaute unheilvoll in die Runde.

      „…wird man sicher nachholen, was man damals versäumt hat!“ fügte Mavis mit einem Nicken hinzu und es wurde still auf der Brücke.

      *

      Esha spürte, wie sich der Strick um ihren Hals schnürte, als ihr Körper vom Boden abhob und ihr gesamtes Gewicht jetzt wie tonnenschwer darauf lastete, dass sie das Gefühl hatte, ihr Kopf würde gleich vom Rumpf gerissen werden. Ihre Hände zuckten mehrmals, erzitterten bei dem Versuch, sich an den Hals zu greifen, um den Druck von dort zu nehmen, doch sie konnte ihre Fesseln natürlich nicht lösen. Auch verursachte jede Bewegung zusätzliche Schmerzen, sodass sie bemüht war, ruhig zu hängen. Da sie geahnt hatte, was passieren würde, hatte sie versucht noch einmal tief Luft zu holen, doch das war ihr nur halbwegs gut gelungen. Der Druck auf ihren Kehlkopf wurde zunehmend schlimmer und schmerzhafter, wie in einem Schraubstock wurde er erbarmungslos zusammengedrückt, schon konnte sie hören, wie er zu zerquetschen drohte. Sie musste röcheln, alle Kraft wich aus ihrem Körper.

      „Nein!“ Das war Jorik, der sich mit aller Macht gegen die Wache in seinem Rücken stemmte. Die Verzweiflung verschaffte ihm neue Kräfte, es gelang ihm, auf Esha und Narrix zuzugehen. „Hören sie auf!“

      Narrix würdigte ihn keines Blickes, hatte ihm weiterhin den Rücken zugedreht. Dafür starrte er absolut fasziniert auf Esha und ihren immer deutlicher zuckenden Körper und ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Warum?“ fragte er aber dennoch, während es in seinen Augen gierig blitzte.

      „Ich sage es!“ brüllte Jorik, verzweifelt, mit Tränen in den Augen, während der Kerl in seinem Rücken wild an ihm riss und ihn schließlich zu Boden ziehen konnte.

      Narrix Lächeln wurde zu einem Grinsen, während er weiterhin Esha anstarrte. Dann zuckten seine Augen kurz hinter sie und er nickte dem Wachmann, der das Seil angezogen hatte, mit einer knappen Geste zu, woraufhin er Esha wieder auf ihre Füße herabsenkte. Die junge Frau hustete, ihr Gesicht war mittlerweile rot angelaufen, sie spürte Hitze dort, ihr Schädel pochte, Schweiß rann über ihre Stirn. Außerdem wurden ihre Beine plötzlich wackelig und sie hatte Mühe, sich aufrecht zu halten.

      „Ich sage es!“ wiederholte Jorik, dessen Gegenwehr verebbte, unter Tränen. Narrix wandte sich zu ihm um und sein Lächeln erstarb.

      „Du…!“ stieß Esha plötzlich hervor. Sie hustete und ihre Stimme klang rau. „…sagst gar nichts!“

      Narrix Kopf wirbelte zu ihr zurück und er starrte sie ausdruckslos, aber mit funkelnden Augen


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