Das ERGOS-Projekt. Christian Friedrich Schultze

Das ERGOS-Projekt - Christian Friedrich Schultze


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stecken. Aber G.W. hat selbst wirklich keinerlei Vorstellungen, was für die Zukunft wichtig sein könnte. Er ist ein Chaot. Ich vermute, er ist sowieso nur für seine Shareholder unterwegs. An dem Irakgeschäft verdienen vor allem Halliburton, Carlyle, Brown&Roots und so weiter, das ist seine Familie.“

      Redcliff war überrascht über die Direktheit des Ministers, der ja immerhin zu den Republikanern gezählt wurde.

      „Danke für ihre Offenheit“, erwiderte er.

      „Ist ja ziemlich egal jetzt. Aber auch ich kann zwei und zwei zusammenzählen. Wenn sie von niemandem kommen, haben sie wohl auch noch niemanden im Boot? Ich habe im Oval Office ebenfalls nur noch wenige Freunde und nachdem G.W. mit seiner Familie meint, er müsste um die letzten fossilen Brennstoffe Krieg führen, ist es mit sinnvoller Zukunftspolitik ziemlich düster bestellt. Von der einstigen Ordnungsmacht sind wir zum ersten Unruhestifter geworden und vergraulen uns sogar wichtige Freunde.“

      „Damit sind wir ganz bei der Sache“, rief Redcliff erfreut. „Wir möchten sie dafür gewinnen, bei uns mitzumachen. Vergessen sie dabei mal, dass ich beim Dienst bin, was vielleicht auf Zeit gesehen sogar ein Vorteil ist. Es gibt ´ne ganze Menge Leute auch außerhalb, denen klar ist, dass es sich bald nicht mehr lohnt, mit derartig hohen Kosten militärisch ums Öl, ja nicht einmal mehr ums Wasser, zu kämpfen. Wir wissen, dass Ihr Ministerium nicht mehr so weit weg ist von der Kernfusion. Wenn unsere Informationen stimmen, vielleicht noch zwanzig Jahre. Wenn wir die Energiefrage als Erste lösen können, lösen wir auch alle anderen Probleme, die wir haben. Wir könnten nicht nur die entscheidende Wende im Problem mit dem Klimawandel angehen, wir könnten sogar in der Welt noch eine Weile als Nummer eins mitmischen, unabhängig davon, wie viel Manpower die Inder und Chinesen auf die Beine stellen werden.“

      „Wir sind mindestens noch dreißig Jahre weg von der Kernfusion, obwohl wir in Los Alamos einige fähige Leute damit beschäftigen“, knurrte der Minister. „Und ich kann vermutlich wenig für sie tun, denn ich werde auch hinschmeißen. Die Gelegenheit ist günstig, mich mit meiner bescheidenen Pension in meinen gemütlichen Bungalow nach Casa Grande zurückzuziehen.“

      „Das wäre sehr schade“, erwiderte Redcliff. „Wir haben da vielleicht einen Mann gefunden, der uns entscheidend weiterhelfen kann. Es wäre eine ganz neue Möglichkeit. Uns fehlen allerdings derzeit die Mittel, um unsere Ideen umzusetzen. Und überhaupt müssten wir erst mal das notwendige Netzwerk schaffen. Vielleicht haben sie auch paar geeignete Leute in ihrem Departement, in Los Alamos oder im Fermilab6.“

      „Unser Budget reicht nicht mal für das Wichtigste, beziehungsweise für das, was ich für das Wichtigste halte. Für achtundzwanzig Milliarden bekommen sie keine Kernfusionstechnologie!“, stellte Abraham trocken fest.

      „Das sehen wir auch so. Wir brauchen nach unseren Berechnungen für unser Projekt wenigstens erstmal 300 Milliarden, innerhalb von acht bis zehn Jahren. Damit könnten wir es anschieben.“

      „Das wird unter den Bonesman niemals was. Die brauchen jährlich 350 Milliarden für Mittelost und noch mal 250 Milliarden für den Rest unserer glorreichen American Army“.

      „Gerade das macht uns optimistisch. G.W. wird bald aus Mittelost herausgehen müssen. Die Führung nach ihm könnte lernen, dass ihr die Navy mit ihren Flugzeugträgern, Atom-U-Booten und auch die ganze beknackte Raketenabwehr in Zukunft überhaupt nichts mehr bringen kann. Wir verplempern massenhaft Geld und pumpen es in den MIT7, ohne noch etwas dafür zu bekommen, außer Ärger außen und innen. Ganz abgesehen davon, dass dauernd ein gewaltiger Finanzcrash droht, wenn die Araber und die Chinesen mal keine Lust mehr verspüren sollten, unser Leistungsdefizit zu finanzieren.

      Wenn man der Militärindustrie ein anderes Geschäft anbieten könnte, bekommt der Neue vielleicht die nötigen Mehrheiten. Nur – das Ding können wir nicht allein stemmen!“

      Der Minister schwieg. Er sah den Einmeterneunzigmann mit der grauen Stoppelfrisur und den grüngrauen, hellwachen Augen im kantigen Gesicht nachdenklich an. Dann sagte er: „Klingt nicht unplausibel. Ich könnte, wenn sie mir mehr erzählen, versuchen, ein paar Freunde zu mobilisieren, die mich hier überleben werden. Denn auch für den nächsten Vormann dieses schönen Departements brächte es ja vielleicht was, wenn er Mittel in solchen Größenordnungen für Energieentwicklung erhielte.

      Es ist sehr interessant, was sie hier vortragen, Admiral. Ich möchte gern noch mehr dazu hören. Allerdings benötigte man für solch ein Projekt nicht nur das Geld und geeignete Spitzenkräfte, sondern wohl auch einen ganz neuen Präsidenten. Vielleicht muss man erst diesen Kandidaten suchen und ihm dabei das Projekt anbieten. Für heute müssen wir leider Schluss machen. Es wartet noch mein ganzer Terminplan. -

      Sind sie ad hoc abkömmlich?“, fragte Abraham nach einer kleinen Pause.

      „Für diese Sache Tag und Nacht, Spencer. Glauben sie mir, das ist wirklich eine lebenswichtige Angelegenheit für unser Land! Und wenn sie sich tatsächlich entschließen könnten, uns zu helfen, stelle ich ihnen auch unseren Mann aus Palo Alto vor. Der kann sie noch besser überzeugen, weil er mehr Zukunft in seinem Kopf hat als wir alle.“

      „OK, sie hören so bald wie möglich von mir. Was meinten sie damit, dass ´die anderen´ womöglich bereits weiter sind als wir?“

      „Wir hören von unseren Gewährsleuten, die derzeit leider nicht speziell darauf angesetzt sind, und sehen es auch bei unseren diesbezüglichen Recherchen, dass sich die Deutschen mit den Russen und auf der anderen Seite die Chinesen und sogar die Inder auch intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Und man weiß nie, wer zuerst den Durchbruch schafft.

      Wenn sie es am neuen Beschleuniger, den die Europäer in Bern bauen, schaffen, wären sie uns ein ganzes Stück voraus. Das ist bekanntlich nicht nur eine Sache des Geldes.“

      „Wohl, wohl, aber Genies sind selten geworden“, schloss der Minister das Gespräch.

      Sie verabschiedeten sich herzlich und der vor der Türe wartende Dienstmann brachte den Admiral in die Tiefgarage.

      Die Nachmittagssonne stand, als sie aus der Tiefgarage ans Tageslicht fuhren, nur noch in halber Höhe über Arlington und tauchte den Obelisken und die National Mall im Osten in ein warmes, goldenes Herbstlicht.

      Der Admiral war nicht unzufrieden mit diesem Treffen. Aber es würde noch viel Arbeit machen, bis ein Durchbruch erreicht werden könnte, da war er sich sicher.

      3.

      „Könnten sie sich vorstellen, dass unsere beiden Länder gemeinsam an einem Wissenschaftsprojekt größter Dimension arbeiten?“, fragte Jurij Demtschenko den schmächtigen, dunkelhaarigen Deutschen.

      Es war im Weißen Haus in Moskau lange überlegt worden, ob die Zeit herangereift sei, an die Deutschen heranzutreten, nachdem es in den vergangenen zwei Monaten einige nicht vorhergesehene Abkühlungen zwischen der Europäischen Union und Russland, dem Anführer der neuen GUS-Vereinigung, gegeben hatte. Deutschland war zu abhängig von den Machern in Brüssel und Washington und Kanzler Schröder hatte wenig eigenen Spielraum.

      Zwar traute Wladimir Putin dem Sozialdemokraten und hatte ein gutes persönliches Verhältnis zu ihm. Aber viele Berater im inneren Zirkel meinten, dass Schröders Tage im Berliner Kanzleramt bereits gezählt seien. Und ob die kommenden Leute um den neuen, merkwürdig trockenen und amerikahörigen, bayrischen Kandidaten ein Projekt an den Amerikanern vorbei wagen würden, war äußerst ungewiss. Aber ohne die Hilfe der deutschen Koryphäen, das war Demtschenko vom russischen Auslandsgeheimdienst SWR deutlich nachgewiesen worden, hatte sein Land Demtschenko keine Chance, in dem zu erwartenden Konkurrenzkampf zu bestehen.

      „Das kommt auf das Projekt und die Dimension an“, erwiderte der Deutsche. „Sie wissen, dass wir gerade ihm Wahlkampf sind. Und wir haben keine Ahnung, wie es ausgehen wird. Die Umfragen sprechen derzeit gegen uns.“

      Franz Meier, die graue Eminenz im engsten Beraterstab des Kanzlers für Auslandsbeziehungen, war außerdem zuständig für Zukunftsressourcen, speziell


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