Weißer Stein. Christian Friedrich Schultze
gerade dabei gewesen, ihre Sachen für einen (den d.A.) Krankenhausaufenthalt zusammenzupacken, als der Angeklagte von hinten an sie herantrat und sie mit beiden Händen zu würgen begann. Durch einen Tritt auf die Zehen konnte sie sich zwischenzeitlich befreien. Der Angeklagte ist ihr jedoch hinterher gekommen, hat sie am Oberkörper gepackt und auf das Bett geworfen. Dabei ist der Gipsverband im Bereich der operierten Schulter, der extra angelegt worden war, am Arm zerbrochen. Die Würgeversuche des Angeschuldigten sind auch beendet worden, weil die Kinder der Eheleute I. zum Geschehen hinzutraten. Unmittelbar danach hat der Angeklagte seine Ehefrau in die Nase gebissen, die daraufhin zu bluten begann. In der weiteren Folge ist man dann an jenem Abend noch nach Rothenburg gefahren, wo der zerbrochene Gips repariert wurde. (Vergl. ZV Sonnhild I., Bl. 365 ff., 98 f.d.R. d.A.)“
Diese Darstellungen stehen, wie alle diesbezüglichen Behauptungen einiger Nachbarn und späterer Zeugen über angebliche dauernde Gewalttätigkeit Peter I.s, im krassen Gegensatz zu unserer langjährigen Erfahrung beim Umgang mit dem Ehepaar I. Wir hatten natürlich eine gewisse Gefühlskälte und ein stets berechnendes Wesen des Oberlausitzer Granitschädels festgestellt. Sein Auftreten gegenüber den Kindern war zwar von einer gewissen Strenge und Härte gekennzeichnet, aber stets ruhig, gerecht und niemals unfreundlich gewesen. Auch dass Peter ein Trinker gewesen sein solle, ist pure Erfindung. Er trank schon mal eine Flasche Radeberger mit, aber er wollte immer bereit sein zum Autofahren, denn vor der Wende wurde selbst der geringste Alkoholgehalt im Blut drastisch geahndet.
Ich hatte sogar ein gewisses Verständnis dafür, dass er an jenem Abend so ausgerastet war. Denn wenn ich von einer längeren Dienstreise nach Hause zurückgekehrt wäre und mein Freund Rudi J. hätte im Bad bei meiner nackt in der Wanne badenden Ehefrau gesessen, wäre ich wohl auch gehörig ausgeflippt. Nur - uns hat weder 1992 noch 1993 oder1994 irgendeiner von den zahlreichen Ermittlern je dazu befragt!
Sonnhilds Behandlung im Krankenhaus war langwierig und schmerzvoll und dauerte bis zum 8. Mai 1992. Rudolf J. hat sie in dieser Zeit fast täglich besucht. Als er einen Job in Großschönebeck bei Berlin angenommen hatte, teilte er in einem weiteren Brief an Sonnhild unter anderem mit, dass er für acht Tagewerke 11.280 DM erhielte. Das waren die Wochensätze, die die westlichen Unternehmensberater allgemein für Ihre Tätigkeiten in den neuen DDR-GmbHs kassierten. Was mag die Oberlausitzer Textilarbeiterin und Beiköchin darüber gedacht haben? Am 9. Mai wurde sie entlassen, kehrte jedoch nicht in ihr Haus an der „Hutchwiese“ zurück, sondern wohnte mit dem kleinen Sohn vorübergehend bei ihren Eltern in Dittelsdorf.
Noch während ihres Krankenhausaufenthaltes war sie mit Rudolf J. zu einer Löbauer Rechtsanwältin gefahren, um die Ehescheidung einzuleiten. Die Trennungsanzeige wurde Peter I. am 13. Mai zugestellt. Unter anderem forderte Sonnhild fürs Erste 550 DM Kindesunterhalt und 500 DM Trennungsunterhalt.
Am Vortag hatte sie, ebenfalls unter Anleitung Rudolf J.s, Strafanzeige bei der Polizei in Zittau wegen Körperverletzung gegen ihren Ehemann gestellt. Wie sehr sie in ihrer seelischen Not auf den Beistand ihrer Eltern hoffte, mag ein Brief vom 29. und 30. April 1992 aus dem Krankenhaus Rothenburg belegen.
„Meine lieben Eltern!
Heut ist es schon wieder Mittwoch. Im Moment sitze ich sehr kaputt im Bett. Jeden Morgen 7:00 Uhr muß ich zur Therapie. Die Bewegungsübungen sind mächtig anstrengend und gehen oft über die Schmerzgrenze. Morgen ist Chefvisite und dann werde ich erfahren, wann ich nach Hause kann. Jetzt reden sie jedenfalls von Sonnabend. Wenn ich daran denke, bekomme ich ganz schön Herzklopfen. Noch nie bin ich so ungern nach Hause gegangen wie diesmal.
Am Sonntag waren meine beiden Kinder bei mir. Ich habe sie sehr lieb. Hoffentlich mute ich ihnen nicht zuviel zu, mit dem, was ich vor habe.
Ich will dann mal in die Telefonzentrale gehen. Ich möchte auch mal die Rechtsanwältin in Löbau sprechen. Ich habe Angst vor dem, was mich erwartet. Ich hoffe nur, daß ich stark bleibe und meinen Weg zu Ende gehen kann.
Gestern war F. nur allein mitgekommen. Andreas war in Zittau zum Crosslauf. Peter hatte mir wieder nichts zu sagen, außer, daß er mir Vorwürfe machte. Da denke ich, lieber Vati, an Dich und lasse mich auf kein Gespräch ein. Das macht ihn richtig wütend. Da kann ich von Liebe nichts mehr spüren, die er mir vor ein paar Tagen noch geschworen hat. Diese Erkenntnis macht aber auch meinen Entschluß leichter.“
Am nächsten Tag fährt Sonnhild fort:
„30.4.92
Nun ist schon wieder Donnerstag und wir haben gerade erfahren, daß in unserer Mittagspause die große Visite sein soll. Die zwei Patienten aus unserem Zimmer haben schon ihre Taschen bekommen. Sie haben genau wie ich gesagt bekommen: ´eventuell Sonnabend´. Bei mir sind sich die Schwestern noch nicht sicher. Na ja, ich lasse mich überraschen.
Gestern war Peter wieder mit den Kindern da. Er machte natürlich gleich wieder Stunk. Da habe ich ihn gefragt, ob er mich nicht mit den Kindern allein lassen könnte. Das wollte er natürlich nicht, sondern (er ist) gleich wieder mit den Kindern nach Hause gefahren.
Bei den Entlassungen bin ich diesmal immer noch nicht mit dabei. Der Chefarzt hat gesagt, daß ich noch 1 Woche Bewegungsübungen brauche. Ich habe jetzt auch schon Übungen machen müssen, die noch gar nicht gemacht werden sollten. Deshalb habe ich auch solche Schmerzen. Es war eben doch eine andere OP , als bei dem ersten Arm.
So nun will ich aber aufhören von mir zu schreiben. Ich hoffe bei Euch ist alles gut gelaufen. Ich habe oft an Euch gedacht und hoffe, Ihr seid wieder heil zu Hause angekommen und habt eine schöne erholsame Woche erlebt. Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich noch einmal hier in Rothenburg besuchen würdet. Ihr habt bestimmt viel zu erzählen.
Nun will ich hoffen, daß der Brief noch bis Sonnabend in Dittelsdorf ankommt. Heut ist Donnerstag und morgen 6:45 Uhr wird der Krankenhausbriefkasten wieder geleert.
Seid alle beide ganz lieb gegrüßt
von Eurem Sorgenkind
Sonnhild“
Erst am 18. Mai kehrte Sonnhild mit dem kleinen Sohn in das Grundstück an der Hutungswiese zurück. An Vormittag hatte sie auch den Trabant zum Autohaus Olbrich nach Großschönau gebracht, um ihn dort zu verkaufen. Sie glaubte und gab das auch zu Protokoll, dass ihr Mann das Fahrzeug manipuliert hatte, um sie in einen - möglichst tödlichen - Unfall zu verwickeln. Dieser Verdacht war, wie die technischen Gutachten belegen, vollkommen unbegründet.
Doch die Frau hatte offenbar wirklich Angst vor ihrem Ehemann. Oder ist das auch nur ein Mythos, der von ihr und ihrem Liebhaber aufgebauscht wurde und den Staatsanwalt Matthieu nur zu gern übernommen hat?
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