Weißer Stein. Christian Friedrich Schultze

Weißer Stein - Christian Friedrich Schultze


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nicht. Daher neigen sie zu einem Wechsel der Partnerschaft (es geht ja auch mehrgleisig) und sind dann mit dem anderen Partner wieder zu intensiverem Erlebnis fähig. Schlicht gesagt, wenn die Beziehung länger dauert, ist sie eingefahren und ´Mann´ sucht sich was Neues. Wenn er nicht andere Partnerinnen sucht, sucht er sich Ersatzbefriedigung (Saufen, Spielen und als schlimmste Form Arbeitswut und Streben nach Besitz und Reichtum). Egal, in welcher Form diese Ersatzbefriedigung gesucht wird, ist es doch fast immer eine Flucht aus der realen Wirklichkeit und der Unlösbarkeit der klar daliegenden Probleme. Beieinanderbleiben bedeutet eigentlich nichts mehr. Auseinandergehen bedeutet für beide Teile Angst vor der eigenen Unfähigkeit, die Zukunft allein zu gestalten. (Allein mit den Kindern oder allein mit einem anderen Partner, also das Eingeständnis des nicht ´an sich selbst Glaubens´.)

       ´ Und setzt Ihr nicht das Leben ein, nie soll Euch das Leben gewonnen sein!´Schiller

       Liebste Sonnhild, es ehrt Dich, daß Du kämpfst.

       Diesen Kampf gewinnst Du nicht allein!

       Eine Beziehung besteht aus zwei Menschen.

       Es ist nicht wichtig, daß man einander ansieht, sondern nebeneinander steht und in die gleiche Richtung schaut. Wenn Du aber um die Beziehung mit Peter kämpfst, mußt Du selbst daran glauben, daß es eine gemeinsame Zukunft gibt. Nicht nur das Familienleben mit den Kindern ist wichtig, sondern wie Deine ganz persönliche Beziehung zu ihm ist.

       Liebst Du ihn? Begehrst Du ihn? Bist Du gern mit ihm zusammen? Tut er etwas für Dich auch ohne vorherige Ansage von Dir?

       Hast Du ihm die Narben auf Deiner Seele verziehen, die von Wunden stammen, die er Dir zufügte?

       Gibt es ein vertrautes Gespräch, die liebevolle Hinwendung zu den Problemen, die Dich beschäftigen? Gibt es geistige Auseinandersetzung, Streben nach Kultur und Bildung?

       Erhältst Du durch Deine Beziehung Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl? Auch gemeinsamen Glauben?

       Sind das überhaupt Fragen, die Du Dir gestellt hast?

       Solltest Du sie Dir nicht stellen? Z.B.: Wer bin ich? Woher komme ich, Wohin will ich? Was will ich?

       Nachdenken über Vergangenes ist oft hart, die richtigen Entschlüsse zu fassen für eine Zukunft noch schwerer. Aber es sollte damit beginnen, daß Du die Phantasie aufbringst, mögliche Entwicklungen zu Ende zu denken. Du bist viel klüger, als Du selber weißt: Du hast von Deinem Elternhaus sehr viel Herzensbildung und Zusammengehörigkeitsgefühl mitbekommen. Nur ist die Welt anders und andere Menschen haben dafür eventuell kein Gefühl. Also ist Erkenntnis dessen, was ist, die erste Stufe einer Analyse des künftig Möglichen (Realität). Bedenke dies und komme vom Nachdenken zum Denken und von da zum Handeln. Peter wird es nie tun (meine ich nicht böse).

       Grüße Rudi

      Keine lieben Grüße und keine guten Wünsche! Einfach nur Grüße! Und ein eklatanter Vertrauensbruch nach einem reichlichen Jahr der Beziehung zwischen den beiden. Dabei wird deutlich, dass die „Geliebte“ darüber nachdachte, Rudolf J. den Laufpass zu geben und zu ihrem Mann zurückzukehren.

      Anfang März 1992 rückte Sonnhild in das Spezialkrankenhaus Rothenburg zur Operation ihres linken Schultergelenkes ein. Wie der Gemütszustand der Patientin und ihres besorgten Liebhabers Rudolf J. in jener Zeit war, mag ein weiterer Brief des Hamburgers verdeutlichen, der sich ebenfalls bei der ersten Ermittlungsakte befindet:

      „Ebersbach, den 7. März 1992

       Liebe Sonnhild,

       nun liegst Du in Deinem Krankenbett und bist ganz groggy und ich laufe mit schweren Gedanken herum.

       Einerseits möchte ich nichts tun, was Dich in dieser Zeit belasten könnte. Es soll alles so sein, daß Du Dich auf Deine Gesundung und ein Leben mit zwei benutzbaren Armen konzentrieren kannst.

       Alle meinen guten Wünsche begleiten Dich dabei. Ich werde, wenn Du magst, Dich auch jeden Tag in Rothenburg besuchen.

       Aber eine Voraussetzung für eine ganzheitliche Gesundheit ist nicht nur die Gesundheit des Körpers, sondern auch die Heilung des Geistes und der Seele. Da sehe ich für den Moment ein Problem.

       Gedankenschwer hast Du mir mitgeteilt, daß Du mit mir reden wolltest. Das hast Du getan und mir gesagt, daß Du so nicht leben kannst und es daher gut sei, wenn ich bei Dir ausziehen würde. Diese Entscheidung habe ich ja schon mehrere Male von Dir erfragt, denn auch für mich ist so ein Zustand recht arg. Nun hast Du mir auf meine Nachfrage gesagt, daß Peter das wolle und Du es mir nun gesagt hast.

       Unabhängig davon, daß es richtig so ist und eigentlich egal ist, vom wem diese Entscheidung kommt, erhält diese ganze Angelegenheit so einen ganz anderen Touch. Wieder einmal (wie sicher oft in Deinem Leben) entscheidet Peter I. und Sonnhild tut was er will. Es wird so geschehen, wie wir (nun aber nur Du und ich) entschieden haben und wir werden hoffentlich in Zukunft so miteinander umgehen, daß die Wahrhaftigkeit nicht leidet.

      Es wäre gut und richtig für Dich, wenn Du durch Nachdenken zu den Entscheidungen kommen würdest, die die Richtung Deines Lebens bestimmen. Ich und auch kein anderer Mensch kann wissen, was Du denkst und fühlst. Es ist nicht Deine Aufgabe, so zu handeln wie ich oder jemand anders es will, sondern wie Du es willst. Du bist nicht allein und mußt daher auch immer mit einbeziehen, was nötig ist für die Kinder. Das beginnt an jedem Morgen und endet am Abend. Es ist schwer dabei Zeit zu finden für Dinge, die Dir wichtig sind. Peter beherrscht das perfekt, er schiebt alles weg, was ihm und seinen Plänen hinderlich ist. (Und lieb ist er solange zu Dir, wie es nötig ist, Dich zu besänftigen).

       Fasse meinen Brief bitte positiv auf, wenn ich nicht so großes Interesse an Dir haben würde, so nähme ich mir nicht so viel Zeit, um mich mit Dir zu beschäftigen.

       Erinnere Dich beizeiten an diese Zeilen und gehe mit mir wahrhaftig um.

       Mit vielen Grüßen

       Rudolf“

      Arbeitete sich da einer bereits an einer in Wahrheit unerwiderten Liebe ab? Bieten diese Zeilen etwa eine Verdachtsgrundlage für die Ermittlungsbeamten, die später zur zeitweiligen Observation des „Zeugen“ Rudolf J. führte?

      Die Anklageschrift sagt hierüber nichts aus. Staatsanwalt Matthieu unterließ es auch wohlweislich, darüber Spekulationen anzustellen. Lakonisch heißt es unter:

      „a) Vorgeschichte

      Am 09.04.1992 kehrte der Angeklagte von seiner Montagetätigkeit unangekündigt nach Hause zurück. Zu diesem Zeitpunkt öffnete ihm der Zeuge J. die Tür, während seine Ehefrau Sonnhild I. unbekleidet in der Badewanne saß. Für den Angeklagten wurde hierbei offenkundig, dass zwischen Rudolf J. und seiner Ehefrau mehr als nur eine einfache Bekanntschaft bestand. Er verlangte vom Zeugen J., dass dieser sofort aus der Ehewohnung ausziehen solle. Diesem Wunsch kam Rudolf J. ein oder zwei Tage später nach.“

      Daran stimmen drei Dinge allerdings nicht: Rudolf J. bewohnte nicht die Ehewohnung der I.s, sondern eine der drei Ferienwohnungen gegen Entgelt. Er hatte auf Wunsch der „Geliebten“ auch bereits ein Pensionszimmer in Walddorf am Kottmar, an dessen Hängen die Spree entspringt, bezogen. Sonnhild hatte den Hamburger bereits über einen Monat vorher gebeten, von der Hutungswiese wegzuziehen. Zudem fehlt in der Anklageschrift der Hinweis, dass der linke Arm der frisch operierten Frau in einem von Körper abstehenden Streckgips steckte, welcher von einem am Oberkörper angebrachten Stützkorsett in einer äußerst unbequemen Lage gehalten wurde. Am 15. April sollte sie wieder in das Rothenburger Krankenhaus einziehen, um sich einer Spezialtherapie mit schmerzhaften physiotherapeutischen Übungsstunden zu unterziehen. Davor graute ihr.

      Im Rahmen der Auseinandersetzungen


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