Reise in Südamerika. Erster Band.. Freiherr von Ernst Bibra

Reise in Südamerika. Erster Band. - Freiherr von Ernst Bibra


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ich überzeugt war seekrank zu werden, und mich nicht eben besonders auf die neuen Erfahrungen freute, welche ich zu machen fürchtete. Aber als bereits schon ein Theil der Reisenden in verdächtigen Situationen zu sehen waren, während ich mich vollkommen gesund befand, schöpfte ich frischen Muth.

      Unsere Fahrt durch den atlantischen Ocean bot keine eigentlichen Abenteuer dar. Wir hatten keine Gefechte mit Piraten, wir litten nicht Schiffbruch und hatten keinen Schiffsbrand. Aber doch sahen wir Allerlei, was dem Binnenländer neu, seltsam, und nach Umständen erheiternd oder bedrohlich erscheinen mochte.

      Allein auf sich beschränkt und eingeschlossen von jener unendlichen Wasserwüste, wird den Passagieren sowohl wie der Mannschaft die kleinste Neuigkeit zum Ereignisse. Ein Fisch, der dem Schiffe folgt, Seevögel, ein fernes Segel, oder irgend eine Erscheinung am Himmel, alles weckt das gemeinschaftliche Interesse. So war das erste Schiff, welches wir am 8. Mai außerhalb des Kanales trafen, für uns ein Gegenstand, der großes Interesse erweckte. Es wurde mit jenem Schiffe geflaggt, d. h. der seemännische Gruß gegeben, durch mehrmaliges Aufziehen und Herablassen der Flagge. Der Spanier, denn das Schiff war ein spanisches, erwiederte den Gruß mit Artigkeit und so zogen wir an einander vorüber wie zwei höfliche Männer, die sich mehrfach mit dem Hute grüßen, wohl auch noch mit der Hand bewinken, ehe sie gänzlich scheiden. Alle Nationen ziehen die Flagge gegenseitig auf und geben so ein Zeichen der Höflichkeit von sich, mit Ausnahme des Nordamerikaners, welcher, aus Artigkeit wenigstens, vor einem Schiffe gleichen Ranges keine Flagge aufzieht. Bei amerikanischen Kauffahrern ist dies immer der Fall und so oft wir später einem Yankee begegneten, habe ich unwillkürlich an einen Gentleman gedacht, der die Hände in den Taschen, den Hut auf dem Kopfe und die beiden Füße auf dem Tische liegen hat.

      Den ersten Zug von Delphinen sahen wir Tags darauf, den 9. Mai, unter 14° 14' westlicher Länge und 35° 58' nördlicher Breite. Tümmler (Delphinus phocaena) hatten wir in der Nordsee und am Eingange des Kanals mehrere gesehen. Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß die Thiere, welche der Seefahrer überhaupt Delphin, oder eigentlich Schweinfisch nennt, sehr verschiedenen Arten angehören, von welchen viele den Zoologen nicht genau bekannt sind; denn diejenigen Arten, welche nur auf hoher See, oder an unbewohnten Küsten sich aufhalten, kommen nur durch Zufall in kundige Hände, wird gleichwohl hie und da auf der See einer gefangen. Die Fabeln, welche sich die Alten von den Delphinen erzählten, werden theilweise gerechtfertigt durch die Lebhaftigkeit und Intelligenz, welche diese Thiere beweisen. Jener erste Zug, welcher uns entgegenkam, wohl etwa dreißig bis vierzig Individuen, begleitete das Schiff längere Zeit, spielend um das Bugspriet, bald vorauseilend, bald zurückbleibend und wieder dann in verdoppelter Eile nachkommend. Es scheint dieses Begleiten der Schiffe, welches die Delphine fast immer thun, keineswegs zu geschehen, um irgend eine Nahrung zu erhaschen, sondern es hat den Anschein als geschehe es allein aus Heiterkeit oder um einen Weltlauf zu veranstalten.

      Der Kapitain warf mit einer Harpune nach einem der Thiere und traf es auch wirklich; als man es aber herausholen wollte, riß die Harpune aus, und das Thier gieng, schwer verwundet, verloren. Dies geschah übrigens fast immer, da die Widerhaken der Harpunen zu klein sind, um das Gewicht des Thieres, sobald es aus dem Wasser ist, tragen zu können.

      Wir haben auf der ganzen Fahrt bis nach Valparaiso nicht einen einzigen Delphin bekommen, während wir sicher acht bis zehn Stücke schwer verwundeten. Erst auf der Rückreise wurden wir einiger habhaft, und ich schmeichle mir, dort etwas dazu beigetragen zu haben; indessen davon später.

      Unter jenen Breitegraden trafen wir überhaupt häufig Delphine und schon Tags darauf kam wieder ein Zug in die Nähe der Reform. Es schienen die Thiere diesesmal eine Art Vorposten ausgeschickt zu haben, denn der Hauptzug, etwa 50 Thiere, folgte langsam und dicht geschlossen, während fünf oder sechs derselben voraus und auf das Schiff zueilten. Als sie hierauf an der Steuerbord-Seite angelangt, sich wie gewöhnlich anschickten, das Schiff zu begleiten, harpunirte der Kapitain einen derselben, welcher, schwer getroffen, aber noch im Wasser, so heftige Bewegungen machte, daß er losriß und verloren gieng, während das Eisen der Harpune durch die Anstrengungen des Thieres fast im rechten Winkel gebogen an Bord gezogen wurde. Ich stand neben dem Kapitain, und half ihm die Leine fixieren, da die Mannschaft noch an einigen Stellen ebenfalls auf der Lauer stand. Das auffallende und wirklich Intelligenz verrathende Benehmen der Kameraden des Verwundeten setzte mich dort höchlich in Erstaunen. Sobald das Thier getroffen war und sich, die See mit Blut färbend, wieder losgerissen hatte, waren die nächsten an Bord mit der Schnelligkeit des Blitzes verschwunden. Bei jenem großen, in beiläufiger Entfernung von zwei oder drei Schiffslängen nachkommenden Zuge konnte man aber die deutlichen Zeichen der Mißbilligung und Entrüstung beobachten. Die Thiere sprangen knurrend und eigenthümliche Töne von sich gebend über das Wasser empor, schlugen augenblicklich eine der unseren entgegengesetzte Richtung ein, und in dem vorher wohlgeordneten Haufen war ersichtlich Verwirrung und Schrecken eingetreten. Mir schien, als wollten uns jene Delphine ihren Zorn und ihre Kränkung zu erkennen geben, daß wir sie mörderisch empfangen, sie, die gekommen, uns als Fremdlinge zu begrüßen, und uns eine Strecke weit freundlich zu begleiten.

      Die Matrosen hatten eine andere Lesart. Sie sagten, wenn ein Schweinfisch geschossen ist und geht, d. h. wenn der Harpunirte schwer verwundet sich losreißt, so freuen sich die anderen, schwimmen ihm nach, beißen ihn vollends todt und fressen ihn auf. – Man sieht, daß die Seeleute die Sache von menschlichem Standpunkte aus auffaßten. Aber ich hatte mir meine Poesie nicht nehmen lassen. Einige Tage später, am 12. Mai, 16° Länge und 30° 51' Breite, ließ sich die Nähe des Landes spüren, ohne daß wir solches in Sicht bekamen. Wir segelten nämlich mit gutem Ostwind zwischen der afrikanischen Küste und den kanarischen Inseln durch. Schwalben schwirrten auf See und Bienen kamen an Bord, auch wurde mir ein kleiner Käfer gebracht. Bald zeigte sich auch ein Falke, der auf die Schwalben Jagd machte.

      Aber alle schienen Flüchtlinge und Verschlagene zu sein, des Ostwinds halber wohl afrikanische. Die Schwalben kamen an Bord, und eine fiel bald todt auf das Verdeck. Es war unsere kleine blaue Hausschwalbe (Hirundo urbica), wenigstens sah sie ihr täuschend ähnlich.

      Ich frage bei dieser Gelegenheit: wo ist der Instinkt dieser Thiere geblieben, welche im Frühjahr und Herbst so weite Reisen machen, und hier, einige Stunden vom Lande entfernt, ihre Küste nicht mehr finden konnten? Ich kann mir hierüber keine Rechenschaft geben, und auch darüber nicht, daß ihnen so bald die Kräfte ausgegangen waren. Unsere Entfernung von der Küste konnte kaum mehr als vier oder fünf Stunden betragen. Auch der Falke kam an Bord, gieng wieder und wurde endlich von den Passagieren des Zwischendeckes gefangen, als er zum zweitenmale, vollständig entkräftet auf Deck sich niederließ. Man suchte ihn in einer Art improvisirtem Bauer lebend zu erhalten und ich habe nicht erfahren, was aus ihm geworden ist, denn er war in einigen Tagen verschwunden.

      In jenen Breitegraden fing die Nähe der Tropen bereits an, sich kund zu geben. Das Wasser, dessen Temperatur ich, so wie jene der Luft, täglich nahm, hatte + 18° R., die Luft frühe 9 Uhr ebenfalls + 18° R. Ach, mit welcher Behaglichkeit habe ich diese + 18° R. verglichen mit der Temperatur des Kanales. In Betreff der Wärme befand ich mich dort auf das Vortrefflichste.

      Am 16. Mai sahen wir den ersten fliegenden Fisch. Von frühster Ingend an hat fast Jedermann von diesem Wunder des Meeres erzählen gehört, oder gelesen, und so läßt sich wohl denken, daß das erste Erscheinen dieser scheinbaren Abnormität allgemeines Interesse erregte. Ich gehörte zu den Glücklichen, welche, zufällig auf Deck anwesend, den ersten sahen. Des Nachts kamen mehrere auf das Verdeck, welche mir am andern Morgen eingehändigt wurden. Diese Thiere scheinen fast ausschließlich die Gegend unter den Wendekreisen zu bewohnen, denn von da an (wir befanden uns am 16. Mai unter 21° 19' Länge und 21° 10' Breite), sahen wir fast täglich Züge dieser Thiere sich über die See erheben. Ich glaube, daß es mit ihnen sich wie mit den Delphinen verhalten mag und daß manche Arten derselben wenig oder gar nicht bekannt sind. Ich habe geglaubt, fünf Arten unterschieden zu haben, blos von solchen, welche auf Deck fallend in unsere Hände kamen. Aber beweisen kann ich nichts, da ich leider nur ein Exemplar mit nach Hause gebracht habe. Dieses Thier ist 11 Zoll lang und die Brustflossen, mit welchen es die flugähnliche Bewegung ausführt, messen etwas über 6 Zoll; ich glaube, daß es die bekannteste Art (Exocoetus evolans) ist, und will es nicht weiter beschreiben, da es wohl in den meisten zoologischen Museen zu sehen ist. Was ich über das sogenannte Fliegen dieser


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