Reise in Südamerika. Erster Band.. Freiherr von Ernst Bibra

Reise in Südamerika. Erster Band. - Freiherr von Ernst Bibra


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Temperatur war in jenen Breitegraden in der That eine wahrhaft köstliche zu nennen, wenigstens nach meiner Ansicht. Wir hatten meist günstigen Wind, und die Stillen, welche hier und da eintreten, wie solches dort öfters zu geschehen pflegt, dauerten nicht lange, und waren, für mich den Medusenjäger, so wie für die Seekranken gleich erwünscht. Regenschauer und einzelne Gewitter liefen wohl mit unter, aber vorübergehend, indessen war dann die Schwüle in unserer sogenannten Kajüte einigermaßen drückend, da auf das Skylight eine luftdicht schließende, mit Glas versehene, Decke gesetzt wurde. Einige jüngere Passagiere, welchen die tropische Hitze keine so angenehme Zugabe wie mir war, dem nicht leicht (physisch nämlich) irgendwo zu warm geworden ist, wurden unwohl und dies meist solche, welche längst die Seekrankheit überwunden hatten.

      Ich gab den Patienten Brechweinstein und später Citronensäure, und sah auf diese Weise das Uebel leicht verschwinden.

      Indessen brachte ich es auch beim Kapitain dahin, daß mittelst einiger Querhölzer jene Skylight-Decke hohl gestellt wurde, so daß zwar dem Regen gewehrt, nicht aber der Luft aller Zutritt abgeschlossen wurde. Eine weitere Verbesserung unserer Umstände brachte ich dadurch zuwege, daß ich den Genossen der Kajüte vorschlug, unser Kostüm zu vereinfachen. Leichte leinene Beinkleider und Hemden, Pantoffel dazu – und der Anzug für den Tag und für die Promenade auf Deck war beendet. Ich gestehe es mit Erröthen und Schamhaftigkeit. Wir hatten dort gewiß ein höchst ungebildetes Aussehen. Keine Strümpfe! nicht einmal jener Repräsentant der Cultur und Bildung, die Kravatte, wodurch sich, mit Ausnahme der behalsbandeten Kettenhunde, der Mensch vorzugsweise vom Thiere unterscheidet. –

      Noch ein anderes Schutzmittel gegen die allzugroße Hitze in der Kajüte wurde am Skylight angebracht, ein Segel von etwa 12 bis 15 Fuß Höhe, gegen unten in einen Schlauch endend, welcher in die Kajüte führte. Die gegen das Segel strömende frische Luft wurde auf solche Weise stets in die Kajüte geführt und bewirkte auf diese Art eine in der That sehr angenehme Frische und perpetuelle Reinigung der untern Luft.

      Ich muß gestehen, daß ich durch allerlei Kunstgriffe das Ende jenes Schlauches sehr häufig in unsere Koje zu leiten wußte, was den drei Mitbesitzern sehr wohl zu statten kam. Ich selbst schlief fast während der ganzen Zeit, in welcher wir uns unter den Wendekreisen befanden, unter freiem Himmel auf Deck.

      Da mich die Matrosen gerne hatten, so weckten sie mich, ehe sie des Morgens das Schiff zu scheuern begannen, und ich entging so der Taufe, welcher nicht selten Passagiere ausgesetzt sind.

      Anfänglich schleppte ich allabendlich mit Hülfe einiger freundlichen Genossen meine Matrazze nebst einigen wollenen Decken auf die Stelle, wo ich zu übernachten gedachte. Da aber einigemale Regen einfiel, und alle diese Requisiten schnell und ohne Beihülfe wieder hinabgeschafft werden mußten, beschränkte ich mich auf die wollenen Decken allein. Zuletzt ließ ich auch diese unten, und schlief à la Diogenes einfach in meinem Mantel auf den Brettern des Gangs. Ich lag etwas härter, aber ich hatte die große Bequemlichkeit, nicht mehr den Regen fürchten zu müssen. Bei größeren Schauern war ich rasch unter Deck, des Gepäckes ledig, kleinere aber wurden oben bestanden, öfters schlafend, im süßen Bewußtsein, daß die Sonne des morgigen Tages den einfachen Mantel leicht trocknen würde.

      Ich komme bei dieser Gelegenheit auf einen eigenthümlichen Gegenstand, welchen ich mit einigen Worten behandeln will. Ich meine den schädlichen Einfluß, den das Mondlicht, und namentlich jenes des Vollmonds, unter den Wendekreisen äußern soll. Bei allen Seeleuten ist der Glaube verbreitet, daß der Mondschein giftig, wie sie sagen, einwirke. Im Mondscheine wird, selbst außerhalb der Tropen, nie ein Seemann mit unbedecktem Haupte auf Deck erscheinen.

      Aber selten wird irgend ein ähnlicher Glaube allgemein unter einem ganzen Stande verbreitet sein, ohne daß irgend wie eine Wahrheit, ein Thatsächliches zu Grunde liegt. Die Folge des Schlafens oder überhaupt nur das Liegen mit unverhülltem Antlitze im Mondscheine soll Geschwulst im Gesichte, Lähmung, Blindheit, in manchen Fällen Wahnsinn und mit dem Tode endende Raserei herbeiführen. In Europa, irre ich nicht im südlichen Frankreich, sind ähnliche Erfahrungen gemacht worden.

      Soldaten, welche des Nachts auf den Wällen einer Festung Schildwacht standen, wurden »mondblind.« Dies ist so viel ich weiß der wissenschaftliche Ausdruck für das Leiden, Mondblindheit, Nyctalopia und die vorzüglichste Erscheinung mit welcher es, nach der Aussage eines deutschen Arztes in Valparaiso, auftritt, ist eine mehr oder weniger verbreitete Geschwulst in der Augengegend, und die Eigenthümlichkeit, daß des Nachts vollständige Blindheit eintritt, sei nun Mondlicht oder Feuerbeleuchtung. Jener mir befreundete Arzt hatte als Oberarzt eine Abtheilung chilenischer Truppen über die Cordilleren begleitet und es fanden dort natürlich längere Zeit hindurch nächtliche Bivouaks im Mondscheine statt. Die Hälfte jener Soldaten wurden mit Mondblindheit befallen, und es dauerte einige Monate bis die Erkrankten vollständig geheilt waren.

      Ich weiß nicht, ob der keusche unschuldige Mond wirklich die Schuld an dem Uebel trägt, ob es nicht vielleicht die rasche Abkühlung nach einem anstrengenden und erhitzenden Tagmarsche hervorgebracht hat, oder ob nicht andere klimatische, vielleicht nicht beachtete Einflüsse dasselbe hervorgerufen haben. So viel steht indessen fest, daß man dem Liegen im Mondschein alle Schuld aufbürdet, und daß eine leichte Verhüllung des Gesichtes dagegen schützen soll.

      Es verdient noch bemerkt zu werden, daß unter den Seeleuten der Glaube herrscht, daß Fleisch geschlachteter Thiere, besonders aber das von Fischen, dem Scheine des Vollmondes ausgesetzt, leichter in Fäulniß übergehe als anderes, ja daß solches Fleisch beim Genusse selbst schädliche Eigenschaften habe. Es liegt eine eigene Mystik in diesem Glauben, der zusammenzuhängen scheint mit mancherlei Erfahrungen über die Einflüsse des Mondes, welche man von andern Seiten her gewonnen haben will. Indessen bedecken die Seeleute sorgfältig frisches Fleisch, was des Nachts über auf Deck bleiben soll und ich muß gestehen, daß ich eines Nachts sehr überrascht war, ein vollständig angekleidetes Schwein an der Schanzverkleidung stehen zu sehen, welches mit einem leichten Anstriche von Melancholie den Hauptmast zu betrachten schien. Die Sache klärte sich einfach dadurch auf, daß man das bei Tage geschlachtete Thier auf Deck gehängt, aber des Mondscheins halber mit alten Kleidern behangen und mit einem Hute bedeckt hatte. – Dem sei aber nun wie ihm wolle, sei die Sache ganz eine Fabel, oder sei sie halbe oder ganze Wahrheit, – so viel steht fest, daß ich nicht die geringste Anwandlung irgend eines Unwohlseins erfuhr, obgleich ich, während wir die Wendekreise durchschifften mit wenig Ausnahmen fast immer unter freiem Himmel und den Mondesstrahlen ausgesetzt schlief. Nicht selten brachten auch noch einige andere Passagiere die Nacht auf Deck zu, aber auch bei diesen zeigte sich Nichts dem Uebel ähnliches.

      Aber ich habe an jene Nächte eine freudige dankbare Erinnerung bewahrt, die mich nicht verlassen hat in manchem Sturme der See und des Landes.

      Wie oft habe ich dort jener lieben Herzen in der Heimath gedacht, von welchen ich sicher wußte, daß sie für mich schlugen, und deren Zahl ich nicht nennen will, weil Beispiel, Namen und Zahlen gehässig sind. Doch die feierliche Ruhe jener Nächte beschwichtigte den Kummer und die Sehnsucht. Die See, scharf abgegränzt bei Tage und scheinbar nur in mäßigen Dimensionen dem Auge erreichbar, erhält dort das Gepräge von Unermeßlichkeit durch jene fabelhaften Wolkengebilde, die vom Monde beleuchtet, die Gränze zwischen Himmel und Wasser verhüllen. Aber diese irdische Unendlichkeit, sie verschwindet, wenn sich der Blick zu den Gestirnen wendet, und weicht dem Gedanken an eine Ewigkeit, an eine Schöpfung ohne Anfang, ohne Ende, eine unumstößliche Wahrheit, eine unbegreifliche, und deshalb fast eine grauenhafte.

      Oft habe ich in solchen Nächten jener ersten Blicke gedacht, wo ich als Knabe den Sternenhimmel betrachtet und wo ich nicht mehr recht die Erzählung meiner Wärterin glaubte, daß die Sternlein lauter Löchlein seien, durch welche der liebe Gott erlaube einen Theil seiner Herrlichkeit im Himmel zu erblicken, wohl auch herabblicke auf artige Kinder und sich freue über sie.

      Später erfährt man freilich, daß der liebe Gott eine Constitution bekommen hat, daß alles nach Gesetz und Maaß gehen muß, und jene Bücher-Lehren oder wenigstens der Glaube daran nicht mehr zulässig und statthaft sei.

      Ich mag den Freunden nicht bergen, daß ich dort zuweilen ein rechtes großes Kind gewesen und wohl bisweilen gewünscht, zu glauben wie ein kleines.

      Während aber so in der Stille jener


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