Reise in Südamerika. Erster Band.. Freiherr von Ernst Bibra
Wassers schwebend zu erhalten. Es ist übrigens nicht so leicht, dies mit einiger Sicherheit festzustellen, denn einmal täuschen die Entfernungen auf See bedeutend, und auf der anderen Seite sieht man sicher zehn Haufen dieser Fische schweben und in das Meer einfallen, bis man einen sich erheben sieht, wahrscheinlich, weil die Nähe des Schiffes sie stört. Es ist aber klar, daß, um die Länge des Fluges bemessen zu können, man Aufstehen und Einfallen beobachtet haben muß. Sie beschreiben in ihrem Fluge eine schwach gekrümmte, bogenförmige Linie, machen aber meist beim Einfallen in die See einen kurzen, schwachen Haken. Man behauptet, daß sie blos so lange sich in der Luft zu halten vermöchten, als die langen Brustflossen feucht seien, und dies ist wahrscheinlich, eben so, daß sie sich oft erheben, um den Verfolgungen größerer Fische und der Delphine zu entgehen; indessen glaube ich, daß sie nicht selten auch einfach zu ihrem Vergnügen eine Flugpartie anstellen; ich habe wenigstens nie ein größeres Thier, einen Hai oder ähnlichen Fisch an der Stelle oder in der Nähe des Ortes, von welchem sich fliegende Fische erheben, bemerken können. Die Höhe, in welcher sie sich über das Wasser erheben, mag 4 bis 5 Fuß betragen, bei Tag sah ich sie wenigstens niemals diese Höhe überschreiten. Dies scheint aber doch des Nachts der Fall zu sein, indem sie dann ziemlich häufig auf Deck fallen, vielleicht von dem Lichte beim Kompaß verleitet, so glauben wenigstens die Seeleute. – Der fliegende Fisch gehört, wie bekannt, zu der Gattung der Häringe, aber seine Züge sind nicht so zahlreich wie die des gemeinen Härings (Clupea harengus) und ich glaube nicht, daß die Zahl eines Haufens 100 bis 200 Individuen überschreitet. Sein Fleisch bietet eine wohlschmeckende und angenehme Speise, und stets willkommen an Bord ist der unglückliche Verirrte, der des Morgens todt oder in den letzten Zügen liegend auf Deck gefunden wird. – So lange wir die Wendekreise durchschifften, vergingen selten mehr als drei oder vier Tage, ohne daß wir mehreren Zügen dieser Thiere begegneten, ich werde aber, nun ich über sie berichtet, nicht weiter von ihnen sprechen; doch muß ich noch einer Eigenthümlichkeit erwähnen.
Obgleich alle fliegende Fische, und wie ich schon anführte, jedenfalls verschiedene Species, welche gefangen wurden, fett und wohlgenährt waren, fand ich doch im Magen von keinem derselben irgend eine verschluckte Speise. Der Schiffskoch versicherte mich, dies sei bei jedem fliegenden Fisch der Fall. Ich habe 18 bis 20 Individuen geöffnet und bei allen das gleiche Resultat gefunden. Nach unseren Begriffen von fett sein und fett werden kann Letzteres leider nicht stattfinden, wenn sich niemals etwas im Magen befindet, und so ist jene Thatsache immerhin ein Räthsel. Ja, wenn der Kopf leer gewesen wäre!
Wir befanden uns jetzt bereits seit einigen Tagen unter den Tropen, und ich bewahre von jener Zeit die dankbarsten und freudigsten Erinnerungen. Ich kann nicht sagen, daß ich durch irgend etwas bedeutend überrascht worden wäre, nicht das nächtliche tiefe dunkle Blau des Himmels, nicht das der See im glänzenden Lichte der Sonne, nicht die prachtvolle Thierwelt des Meeres, die Quallen und ihre Stammverwandte, welche Edelsteinen gleich in prunkenden Farben an uns vorüber zogen, kam mir unerwartet, obgleich Alles neu, wenigstens ungesehen war. Denn von Allem dem hat wohl jeder Kunde, auch der die See nie gesehen, und ich hatte mir diese Erscheinungen, wenn auch nicht figürlich getreu, doch in gleicher Pracht, in gleichem Glanze vorgestellt. Aber genossen habe ich diese Pracht, und ein freundliches Andenken jener schönen Zeit mir aufbewahrt, für die schlimmen Tage die etwa kommen würden.
Sie sind gekommen jene Tage, sie sind gegangen, sie werden wieder kommen und wieder gehen, aber das Bild jenes tropischen Glanzes wird keine Perfidie trüben, keine Gemeinheit verlöschen können.
Zu den prachtvollsten Erscheinungen, die dem Seefahrer entgegen treten, und welche sich hauptsächlich eben unter den Wendekreisen am glänzendsten gestalten, gehört ohne Zweifel:
dem ich jetzt einige Seiten widmen will. Ich habe dieses Phänomen verfolgt und beobachtet wo ich nur konnte, und obgleich ich nicht zweifle, daß die Erscheinung an sich sowohl, als auch die allgemeine Ursache desselben ziemlich bekannt ist, kann ich doch nicht umhin einige über dieselbe gesammelte Erfahrungen mitzutheilen.
Es liegt in dem Blitzen und Funkeln des Meeres ein so eigenthümlicher Zauber, ein solcher mystischer, geheimnißvoller Reiz, daß auch der, welcher sich nicht um Ursache und Entstehung kümmert, stundenlang und täglich jenem leuchtenden Spiele der Wellen zusehen kann.
Schon auf der Nordsee sahen wir zum erstenmale die See leuchten. Ich wurde dort aus der Kajüte auf's Deck gerufen, um die Erscheinung zu beobachten. Es war nicht jenes prachtvolle glänzende Farbenspiel wie es unter den Tropen getroffen wird, sondern es zeigte sich im Kielwasser des Schiffes ein weißlicher Schimmer, dicht am Steuer und kaum zwölf bis fünfzehn Fuß weit in die See reichend. Ich habe jenesmal, noch nicht hinlänglich vertraut mit Bau und Einrichtung des Schiffes, jenen Schein für ein von einer Luke ausstrahlendes und sich im Wasser spiegelndes Licht gehalten, und habe mich erst nach einiger Zeit überzeugt, daß das Licht kein reflektirtes war. Wie alle neue Eindrücke, ist auch jener unverwischt geblieben, und ich sehe noch heute das dunkle Steuer der Reform, umgeben von den fast milchweiß leuchtenden Wellen vor mir.
So lange das Meer von Menschen befahren wird, ist das Leuchten desselben beobachtet worden; Homer und Plutarch haben es geschildert, zwar nach dem wissenschaftlichen Standpunkte ihrer Zeit, aber auch mit der blühenden Sprache derselben und ihrem scharfen Beobachtungsgeiste. In neuerer Zeit sind verschiedene Theorieen über jene Erscheinung aufgestellt, mehrfache, ja viele Abhandlungen darüber geschrieben worden. Ich will den gegenwärtigen Notizen nicht auch einen gelehrten Anstrich dadurch geben, daß ich jene Literatur citire, obgleich mir Manches darüber zur Hand wäre. Man hat zuerst in der Fäulniß gestorbener Seethiere, dann in der Elektricität den Grund zu finden geglaubt, und erst später, obgleich schon vor längerer Zeit, kam man darauf, die Ursache in gewissen Thieren zu finden, welche das Vermögen besitzen einen leuchtenden Schein von sich zu geben.
Ich kann nicht behaupten, daß nicht noch andere Gründe vorhanden sind, aber nie, so oft ich auch beobachtet habe, ist mir ein anderer Grund aufgestoßen, als eben lebende Individuen, welche berührt, oder gereizt, die Ursache des Leuchtens waren.
Zerstreut in meinem Tagebuche finden sich eine Unzahl von Notizen über diesen Gegenstand und ich werde hier nur einige derselben folgen lassen.
Das Leuchten der See findet statt, leuchtender, intensiver, je mehr man sich dem Aequator nähert, mithin je wärmer das Wasser ist. Ich habe dasselbe indessen auf der nördlichen Halbkugel weiter entfernt vom Aequator getroffen, als auf der südlichen. So z. B. wie ich schon erwähnte, auch an der Nordsee, während ich auf der Rückreise vom Kap Horn kommend, erst unter 41° südlicher Breite wieder das erste Leuchten, und das nur durch einzelne schwach schimmernde Punkte ausgesprochen fand.
Unbedingt wird indessen die Erscheinung häufiger, und zugleich prachtvoller auf dem atlantischen Ocean als auf dem stillen Meere getroffen.
Tausende von Thieren, welche den verschiedensten Gattungen angehören, haben das Vermögen zu leuchten. Obenan mögen die Akalephen und Salpen stehen, bei denen, wegen der Größe vieler Arten, das Phänomen am augenfälligsten hervortritt. Die Entomostraca (Insektenkrebse) scheinen fast alle zu leuchten.
Man hat angegeben, und Versuche scheinen die Wahrheit der Angabe bewiesen zu haben, daß der Schleim, welchen die Quallen absondern, und ferner in Fäulniß übergegangene Thiere dieser Gattungen ebenfalls leuchtend seien. Ich widerstreite dies keineswegs, aber während der acht Monate, welche ich auf der See zubrachte, habe ich stets nur lebende Thiere leuchten sehen, d. h. die Thiere leuchteten, so lange sie noch im Stande waren, sich zu bewegen, und contraktive oder oscillirende Bewegungen zu machen. Ich habe nie ein Thier irgend einer Art leuchten gesehen, ohne daß ein fremder Reiz, d. h. vorzugsweise Erschütterung auf dasselbe eingewirkt hätte. Ruhiges Seewasser leuchtet nicht.
Ich habe nie das Leuchten der See als von Infusorien bedingt, getroffen. – Indem ich wiederhole, daß ich hier blos meine Erfahrungen über den fraglichen Gegenstand mittheilen, nicht aber widerstreiten will, was etwa Andere gesehen haben mögen, will ich die beiden eben ausgesprochenen Sätze mit einigen Worten besprechen.
Ich habe nie die See weiter hin als im Umkreise des segelnden Schiffes oder eines andern sich rasch bewegenden Körpers leuchten gesehen, außer in zwei Fällen, welche ich gleich unten anführen werde. Die Thiere, welche das Leuchten bedingen, oder besser gesagt,