Reise in Südamerika. Zweiter Band.. Freiherr von Ernst Bibra

Reise in Südamerika. Zweiter Band. - Freiherr von Ernst Bibra


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daß an kein Passiren desselben mehr zu denken. Wir hatten nicht daran gedacht, daß fast alle die von der hohen Cordillera kommenden Flüsse des Nachts bedeutend anschwellen, da das des Tages über durch die Sonnenhitze geschmolzene Schneewasser ihre Masse bedeutend verstärkt.

      Es stand uns jetzt die wenig tröstliche Aussicht bevor, hungrigen Leibes auf den Geröllen des Mapocho Nachtlager zu halten, und vielleicht von dessen stets steigenden Fluthen noch einen Besuch zu erhalten.

      Da erinnerte sich der Jäger, gerade zur rechten Zeit, daß etwas weiter oben sich die Schlucht öffnen müsse und dort die Hütten einiger Landleute seien, bei welchen er früher einmal in dieser Gegend mit einem deutschen Naturforscher jagend, eingekehrt war. Wir eilten weiter und bald öffnete sich wirklich die Schlucht in etwas, und die Abhänge derselben wurden flacher, so daß die Pferde sie erklimmen konnten. Als wir uns auf der Ebene befanden und einen Weg vor uns hatten, der für deutsche Pferde lebensgefährlich gewesen wäre, für die chilenischen aber analog einer Chaussee war, wurden Cigarren und Pfeifen angezündet und im Galopp dem vorausleuchtenden Schimmel nachgeritten, in fast gänzlicher Dunkelheit und ohne irgend eine weitere Kenntniß des Weges als die, daß in einer gewissen Richtung hin menschliche Wohnungen befindlich sein sollten.

      Endlich begann der Jäger sich etwas besser in der Gegend zurecht zu finden, indem ihm einzelne Felsenparthieen erinnerlich waren, und bald sahen wir Bäume und zwischen denselben Feuerschein leuchten. Das Unvermeidliche einer chilenischen Ansiedelung, eine Meute von etwa zwanzig Hunden, umringte uns bald kläffend und bellend und wir hatten in Kurzem das Haus und seine Bewohner erreicht.

      Es kamen uns die Männer entgegen und boten uns auf unsere Frage, ob wir bei ihnen übernachten könnten, freundlich ihr Haus und ganzes Besitzthum an, mit jener in Wirklichkeit uneigennützigen Bereitwilligkeit, welche die überwiegende Mehrzahl jenes wackeren Volkes charakterisirt.

      Vor dem Hause war aus rohen Baumstämmen eine Art Vorhalle angebracht, welche mit Baumzweigen2 gedeckt war und dort brannte das Feuer. Eine ältere Frau kauerte am Feuer, und vier bis fünf jüngere Frauen, alle in große Umschlagtücher gehüllt, waren, so wie mehrere Männer rings umher gelagert; Kinder, Hunde und Hühner, letztere durch unsere Ankunft aufgestört, durchkrochen die Winkel der Vorhalle, und das Ganze bildete ein zwar zigeunerartiges, aber nicht unschönes Bild.

      Unsere Pferde und die Lastthiere wurden abgesattelt und sich selbst überlassen. Fast nie verläuft sich in solchen Fällen ein Pferd und die Thiere, welche nur ein paar Tage zusammen gelaufen sind, halten bald gute Kameradschaft. Wir baten um eine Hühnersuppe und Eier, was bald fertig war, als wir aber nach Wein frugen, war keiner vorhanden, indessen hieß es, daß in einem nahen Orte welcher zu haben sei. Ich gab einige Realen, und bald sprengte einer der jungen Leute mit einem Schlauche auf dem Pferde in die Nacht hinaus.

      Während nun auf solche Weise alle Anstalten zum Mahle getroffen wurden, hatte ich Gelegenheit, den fast an Ostentation gränzenden Eifer meiner Knechte zu bewundern, mit welchem sie mich zu bedienen bemüht waren. Sie hatten unseren Gastwirthen erzählt, und hiebei half auch der Jäger getreulich, wie ich ein aus fremden Landen gekommener, ungeheuer reicher und gelehrter Herr, un mui grande caballero, sei, welcher die Cordillera zu besuchen gedenke, nachdem er schon alle anderen Länder der Erde bereist habe. Sie selbst reisten theils zum Vergnügen mit mir, theils weil sie von mir einen fabelhaften Lohn bekämen. Sie machten sich nun tausend Beschäftigungen um meine Person, zogen mir die Stiefel aus, boten mir aus der geöffneten Reisetasche ganz ungeeignete Kleider zu größerer Bequemlichkeit, wie sie sagten, stopften meine Pfeife, und hatten alle Augenblicke irgend eine Frage zu thun.

      So dachten die beiden Schelme sich selbst in ein glänzendes Licht zu setzen, indem sie einen so vornehmen und mächtigen Herrn als Diener begleiteten3.

      Nach Beendigung des Schmauses kam der junge Mann mit dem Weine (rothen Conceptionwein), und war bis über den Gürtel durchnäßt. Der nahe gelegene Ort war sicher eine Stunde, wenn nicht weiter entfernt, und er hatte irgend ein Wasser mit dem Pferde durchschwimmen müssen. Bald kreiste nun der Schlauch unter Männern und Frauen, und letztere verschmähten nicht die Zigarren, welche ich ihnen bot, so daß wir bald wie alte Bekannte ein munteres kleines Gelage hielten, und fast bedauerten, als wir es aufheben und uns zur Ruhe begeben mußten, weil wir des andern Tages mit dem frühsten uns wieder auf den Weg begeben wollten.

      Wir, die Gäste, schliefen im Freien, unweit des stets glimmenden Feuers, auf unsern Satteldecken, obgleich wir auf's Beste eingeladen waren, im Innern des Hauses Platz zu nehmen. Allein theils wollten wir unsere Gastfreunde nicht vertreiben, oder wenigstens belästigen, anderseits fürchtete ich die Unzahl jener hüpfenden Insekten, welche ohne alle Uebertreibung wirklich eine Schattenseite Chiles genannt werden darf, wenn es auf Comfort oder nur einigermaßen auf Ruhe ankömmt. –

      Noch vor Tages-Anbruch waren wir wieder auf, tranken Kaffee von unserem Vorrathe, da im Hause blos Paraguay-Thee vorhanden, und luden unsere Wirthe zum Mittrinken ein, was angenommen wurde. Aber nur mit Mühe konnte ich die Frau bewegen, einen Peso anzunehmen, indem sie sagte, wir hätten mit ihnen getheilt, und sie mit uns. So schieden wir als die besten Freunde und einer der Männer begleitete uns eine Strecke, um uns eine minder tiefe Stelle des immer noch stark angeschwollenen Flusses zu zeigen.

      Ich sah jetzt, daß man bei der Nacht leichter eine solche Passage ausführt als bei Tage, denn mir wurde bei dem reißenden und rasch vorüberstürmenden Wasser fast schwindlich, obgleich ich sonst wenig zu dergleichen geneigt bin. Es verloren bisweilen die Pferde festen Fuß und wurden schwimmend rasch abwärts getrieben, bis sie wieder Grund fanden, und so kamen wir öfters aus der Reihe, welche wir eingeschlagen hatten. Ein Hund, welcher uns begleitete, wurde fortgerissen, und wir hatten ihn schon verloren gegeben, als er etwa nach einer halben Stunde, nachdem wir längst auf dem Trockenen, keuchend und triefend uns wieder einholte.

      Das Thal, in welches wir nach Uebersetzung des Flusses gekommen waren, war am Anfange ziemlich breit und es standen dort ebenfalls einige vereinzelte Wohnungen, bald aber wurde es enger, und wir folgten einem seiner Abhänge, indem wir anfingen, ziemlich steil aufwärts zu reiten.

      Bald sahen wir in der immer enger werdenden Schlucht nur noch hie und da den Fluß seinen Lauf verfolgen, und die Gegend nahm in kurzer Zeit einen andern Charakter an.

      Die unendliche Masse von scheinbar wild und ohne alle Ordnung durcheinander geworfenem Gesteine, in manchfachen pittoresken Formen hier ansteigend, dort eine tiefe Schlucht, wieder an einer andern Stelle einen mauerartigen Kamm bildend, entzückt den Landschaftsmaler und begeistert ihn, während der Geognost verwirrt wird, und anfänglich die Hoffnung aufgibt, irgend eine anständige Theorie zu finden, wie alle diese unendlichen Abstufungen und Varietäten von Porphyr, Diorit, Dolerit und andere verwandte Felsarten so bunt durcheinander gewürfelt dorthin gekommen sind.

      Mit etwas Phantasie und einigem guten Willen läßt sich Vieles leisten, so ist denn endlich eine nothdürftige Erklärung fertig. Da tritt uns plötzlich ein Granit entgegen, wir finden Gneis, Sienit an einer Stelle so friedlich und unbefangen dastehen und leider so wenig in die eben fertige Erklärung passend, daß wir uns endlich gestehen müssen, ein flüchtiger Blick auf jene colossale Natur sei wohl halbweg hinreichend uns ihre Größe erkennen zu lassen, keineswegs aber, sie nur einigermaßen genügend zu erklären.

      Manchfacher Baumschlag decorirt die Landschaft, indem die Abhänge der Schluchten meist bewaldet sind. So ritten wir einmal eine ziemliche Strecke unter einem natürlichen Bogengange von Pfirsichbäumen dahin. Im Uebrigen aber waren verschiedene Laurusarten und einige Species von Berberis das Einzige, was ich erkannte, indem mir, dem leider ziemlich Unkundigen in botanischen Studien, deren Betrieb während des Vorübergaloppirens noch schwerer fiel, als die Auffassung geognostischer Verhältnisse.

      An andern Stellen schien der große, dort nicht selten eine Höhe von 20-30 Fuß erreichende Cactus und einige andere kleinere ebenfalls scharf mit Stacheln bewehrte Pflanzen, die ganze Vegetation zu bilden. Dort aber fallen die Abhänge steil ab und man reitet nicht selten auf einem Pfade, der links von einer senkrecht ansteigenden Felswand begrenzt wird, während rechts ein tausend Fuß tiefer Abgrund uns entgegen gähnt. Häufig ist ein solcher Pfad, den meine verwünschten Knechte einen ganz vortrefflichen Weg nannten,


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<p>2</p>

Vielleicht ist manchem in Chile Reisenden aufgefallen, daß alle Zweige, welche auf solche Art zum Decken von Hütten oder Aehnlichem verwendet werden, halb verbrannt sind, ohne daß er den Grund davon erfahren hat. Ich habe erst in Valdivia vernommen, daß häufig in den Zweigen sich eine Art Blutegel aufhalten soll, welcher Thiere und Menschen belästigt, und welchen man dadurch entfernt, daß man die Zweige kurze Zeit über Feuer hält. Trotz aller Mühe habe ich nie das Thier, welches wohl kaum ein Blutegel ist, erhalten können.

<p>3</p>

Um Carlos und dem wackern Jose Maria nicht Unrecht zu thun, mag bemerkt werden, daß, auch entfernt von jener Hütte, und auf der ganzen Reise, sich beide stets fleißig, willig und zuvorkommend in allen Diensten benahmen, und vor allem ehrlich und uneigennützig waren. Der chilenische Diener ist für eine solche Excursion vortrefflich, wie überhaupt in Allem, wo ein wenig Abenteuerlichkeit mit unterläuft.