Reise in Südamerika. Zweiter Band.. Freiherr von Ernst Bibra

Reise in Südamerika. Zweiter Band. - Freiherr von Ernst Bibra


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unbegreifliche und fast erschütternde Zauber, der für manche Gemüther in einer erhabenen und reizenden Fernsicht liegt, ist es aber nicht allein, was in jenen Bergen so mächtig das Herz erhebt, es ist das wohlthätige Gefühl absoluter Einsamkeit und Abgeschlossenheit, das Bewußtsein unbedingter persönlicher Freiheit und das Fernsein aller störenden Einflüsse, aller menschlichen Kleinlichkeit und Lüge. Ich habe mich dort sicherer und fröhlicher gefühlt, als irgendwo, freilich ohne daran zu denken, daß man auch auf der Spitze der Anden getäuscht und betrogen werden kann, wenn gleichwohl nur par distance.

      Auf diese landschaftlichen Skizzen mag mit wenigen Worten der geognostischen Verhältnisse gedacht werden, und eines kleinen Theils der Gesteine, welche jene malerischen Massen bilden. Es ist unmöglich, ein klares Bild zu geben von dem geognostischen Charakter des von mir besuchten Theils der Cordillera, weil es unmöglich ist, ein solches aufzufassen in der kurzen Zeit meines Dortseins.

      Im Allgemeinen muß ich wiederholen, was ich schon früher ausgesprochen, daß das Ganze den Eindruck macht einer unendlichen Menge der verschiedenartigsten Formen von Porphyren, Doleriten, Dioriten, Melaphyr und Trachyt-Gebilden nebst allen Verwandten ihres Stammes, welche wild über- und durcheinander aus der Tiefe empor geschoben worden sind, sich theilweise durchdrungen haben, theilweise wieder zusammen gestürzt, oder durch furchtbare Erschütterungen gespalten worden sind, während aus diesen Spalten neue Massen hervor drangen, welche stellenweise wieder ein ähnliches Schicksal erlitten. Granitisches Gestein, bisweilen verändert, manchmal aber vollkommen normal, steht hie und da an, offenbar gehoben von den vulkanischen Formen, öfter aber auch eingeschlossen in dieselben, losgerissen von unten und mit emporgetragen. Allgemeine weiter verbreitete Hebungen und Senkungen, bedingt durch den Vulkanismus der Tiefe, und kolossale Einstürzungen in Folge dieser, vermehren noch den Typus großartiger Verworrenheit in der Cordillera.

      Häufig habe ich basaltische Breccie getroffen und will eine solche wirklich prachtvolle Felsparthie schildern, welche ich häufig besuchte, da sie nicht sehr weit vom Lager entfernt lag, und in ihrer Nähe, unweit des ewigen Schnees, Colibri zu schießen waren.

      Eine ziemlich steil ansteigende Wand aus grau-rothem Dolerite, welche sich aber mehrfach in terassenartige Plateaus abflacht, und vollkommen gut erstiegen werden kann, bildet auf ihrer Höhe ein zweites Plateau, eine zweite Felsparthie, die vollständig mauerartig ansteigt, so daß sie kaum an einigen Stellen zu erklimmen ist, und selbst dort nur auf eine kurze Strecke.

      Jene Felsenmassen gleichen, von einiger Entfernung aus gesehen, vollständig den Ruinen eines alten Schlosses, und die Tendenz des Gesteins, sich in größeren Parthien säulenförmig abzusondern, wodurch thurmartige Formen hervortreten, erhöht noch jene Aehnlichkeit. Der untere Theil dieser Felsmassen, welche einen bedeutenden Umfang haben, und wenigstens eine halbe Stunde Längen-Erstreckung, besteht aus Basalt, welcher indessen Olivinfrei ist. Auf diesem Basalte liegt, scheinbar aufgelagert, eine basaltische Breccie, in einer wechselnden Mächtigkeit von 80, 100, an manchen Stellen wohl 200 Fuß. Diese Breccie hat ein verwittertes, tuffartiges Ansehen. Sie besteht aus scharfkantigen Basalt-Fragmenten von sehr verschiedener Größe, und aus einem verwitterten Feldspathe, wohl Albit. Neben diesen Bestandtheilen, welche die Hauptmasse des Gesteins bilden, liegen noch hie und da andere Einmengungen von Felsarten zerstreut, welche indessen kaum zu bestimmen sind.

      Das Cement scheint selbst wieder aus einem Gemenge von höchst kleinen und innig verbundenen Feldspath- und Basalttheilen zu bestehen. Nicht weit von dessen Bildung steht eine stark hervorgeschobene groteske Basalt-Masse, la casa de Dios meines poetischen Carlos. Jene Breccien-Masse habe ich Reinholdstein geheißen, und der Name wurde von meinen Chilenen sogleich angenommen und gebraucht, wenn es sich z. B. um die Bezeichnung einer Zusammenkunft handelte, aber schwer verstümmelt in der Aussprache. –

      Hoch oben auf dem Gebirge, wo schon zwanzig bis dreißig Fuß hoher fester Firnschnee lag, habe ich eine Moräne getroffen, welche ein wahres mineralogisches und geognostisches Kabinet der Umgegend bildete; diese Moräne war indessen noch ziemlich weit vorgeschoben in die jetzt nicht mehr mit immerwährendem Schnee bedeckte Region und gab Zeugschaft von der Richtigkeit der Theorien, die unsere Geognosten aufgestellt haben. Ich fragte den einen der Knechte, wie diese Menge von Steinen wohl dorthin gekommen sei, und er gab mir zur Antwort: »das thut der Schnee!« Mit Vergnügen habe ich im fernen Lande und aus dem Munde eines einfachen Mannes die Bestätigung der Ansichten unserer Gelehrten gehört. Veränderungen der Form im größeren Maßstabe kommen gegenwärtig auf der Cordillera nicht mehr vor. Daß aber in der Nähe der thätigen Vulkane alles das stattfindet, was sich unter ähnlichen Verhältnissen anderwärts ereignet, Einstürzen alter Krater, Emporhebung neuer, mächtiger Lavaströme u. s. w. versteht sich von selbst, und ebenso braucht kaum erwähnt zu werden, daß die Schluchten und Thäler durch abwärts strömende Wassermassen fortwährend, wenn auch langsam erweitert werden. Auch die Erdbeben tragen zu kleinen Veränderungen das Ihrige bei. Häufig finden sich in den Schluchten große abgeschliffene fast glänzend polirte Blöcke der verschiedenen Gesteine des Gebirgs. Aber nicht selten liegen mitten unter ihnen scharfkantig und höchstens an einigen Stellen mit Anzeichen der Verwitterung versehen, Felsentrümmer, welche unmöglich wie die ersteren vom Wasser dorthin geführt worden sein können. Ich hatte das Vergnügen durch den Augenschein hierüber belehrt zu werden. Eines Morgens, während der Jäger und ich noch auf unseren Fellen lagen, wurden wir plötzlich ziemlich fühlbar geschüttelt, und zugleich hörten wir den, bei jedem Chilenen unerläßlichen Ruf unserer Knechte »il tiembla.« Es war ein nicht unbedeutender Erdstoß, der, wie alle derartigen Erschütterungen, im Flachlande stärker gefühlt wurde als auf dem hohen Gebirge, und unten auch, wie wir später erfuhren, an einigen Orten Schaden gestiftet hatte. Aber während des Stoßes, der etwa 5 bis 6 Sekunden anhielt, rollten Steine von nicht unbeträchtlicher Größe in's Thal, welche wohl durch frühere ähnliche Vorgänge gelockert und allmählig abgelöst, jetzt vollkommen losgerissen waren. Daher nun die scharfkantigen Felsfragmente in den Sohlen der Thäler und bisweilen auch auf den Plateaus, wohin sie von einer höher stehenden Terrasse aus gestürzt sind. Die zu Zeiten ansteigenden Wasser, welche die meisten dieser Schluchten durchströmen, führen einen Theil dieser Felsstücke wieder mit sich hinweg, um sie vielleicht weiter unten mehr oder weniger abgerundet abzusetzen, wohl auch später als Flußgerölle gänzlich der Cordillera zu entführen, wenn eben ihre Wassermasse stärker und anhaltender angeschwollen.

      Schluchten und enge Thäler, welche nicht von Wasser durchflossen sind, werden oft auf eine nicht zu ermittelnde Tiefe mit solchen Fragmenten angefüllt getroffen, doch hat durch theilweise Verwitterung abgelöstes Gestein auch hier das Seinige beigetragen. –

      Der Jagdfreund wird sich denken können, mit welchem Vergnügen ich meine Jagdzüge auf der Cordillera vollführt, da dort doppeltes Interesse im Spiel war, ganz abgesehen von dem alten Jagdteufel früherer Zeit, der, ich leugne es nicht, doch auch dort wieder ein wenig erwachte. Aber jedes erlegte Thier wurde mir, dem Naturforscher dort zum Exemplar, während es abgebalgt im Lager von Jose Maria als Wildpret in Empfang genommen wurde, war seine Eßbarkeit nur halbwegs zu vermuthen.

      Häufig war der kleine zierliche Colibri, Trochilus leucopleurus, der Gegenstand meiner Mordlust. Rücken und Flügel des Thierchens sind graugrün, mit Metallglanz und die Kehle des Männchens ist prachtvoll goldgrün gefärbt, während das Weibchen etwas bescheidenere Farben trägt. In jenen bereits erwähnten Oasen schwärmt dieser Colibri um die Blüthen und kann so geschossen werden, wenn man sich ihm vorsichtig nähert, doch ist er ziemlich scheu und fliegt so schnell, daß man sein Schwirren von einer Blume zur andern kaum mit den Augen verfolgen kann. Zudem ist das erlegte Vögelchen schwer zu finden, da es bisweilen in den sumpfigen Grund des Bodens fällt, nicht selten aber auch in den Zweigen hängen bleibt an Stellen, wo man es am wenigsten vermuthet. Blos auf den höchsten Gegenden der Anden, ich weiß indessen nicht in welcher Verbreitung gegen Nord und Süd, wird dieser Colibri unweit der Schneegrenze getroffen. Der Trochilus Sephanoides hingegen kömmt blos im Flachlande vor und nie in den Bergen.

      Auch der große in Chile sich findende Trochilus gigas, der fast die Größe einer Hausschwalbe hat, wird ebenfalls in der Cordillera getroffen, doch mehr noch in den Schluchten, als ganz oben in der Nähe des Schnees. Alle diese Colibri leben von ganz kleinen Insekten, welche sie mit der Zunge aus den Blüthenknospen ziehen, und ihr Magen ist stets mit denselben angefüllt. Zufällig


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