Reise in Südamerika. Zweiter Band.. Freiherr von Ernst Bibra

Reise in Südamerika. Zweiter Band. - Freiherr von Ernst Bibra


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will nach diesem kleinsten der Vögel sogleich des größten in Chile lebenden, des Condor, erwähnen, der nur auf den höchsten Regionen der Anden gefunden wird. Er soll zwar auch auf der Küsten-Cordillera vorkommen, allein ich bezweifle dies bedeutend. Ich habe nie dieses Thier dort gefunden, und so oft ich Nachricht erhielt, daß da oder dort sich ein Condor aufhielte, fand ich, wenn ich zum Schusse kam, oder das Thier schon kannte, stets, daß es andere Geier waren.

      Es braucht das Thier, welches man gegenwärtig in jeder halbweg bedeutenden Naturaliensammlung sehen kann, nicht näher beschrieben zu werden, und man kann sich dort überzeugen, daß die Sagen, welche man über seine Stärke und Größe verbreitet hat, großenteils in's Reich der Fabel gehören. Kaum wird ein ausgewachsener Condor mehr als 15 Fuß Flugweite haben. Indessen thun sie den Viehherden dadurch Schaden, daß sie den Kühen, welche oben Kälber geboren, dieselben rauben; auch verfolgen sie vereinzelte jüngere Rinder. Es haben mir Landleute, welche die Cordillera und ihre Thierwelt genau kannten, versichert, daß die Condore solche Thiere einschließen und dann vereint den Angriff machen, indem sie theils nach den Augen ihres Opfers hauen, vorzüglich es aber im Rücken anfallen, es zu verwunden suchen, und ihm dann die Eingeweide aus dem Leibe ziehen. Ein krankes, oder vielleicht durch einen Sturz verwundetes Thier wird aber unbedingt ihre Beute, sei es auch noch so stark.

      Legt man die Eingeweide eines getödteten Thieres an irgend einer Stelle nieder, so kann man gewöhnlich versichert sein, mehrere dieser Riesengeier zum Schusse zu bekommen; ein derartiger Versuch mit dem Ausbruche eines getödteten Guanaco mißlang uns indessen. Meist in bedeutender Höhe, selbst über den höchsten Gipfeln des Gebirges schwebend, zieht der Condor bisweilen doch seine Kreise auch tiefer. Man kann sich denken, mit welchem Vergnügen ich den ersten mir auf diese Weise näher kommen sah. Sie scheinen in solchen Fällen den unter ihnen am Boden umherkriechenden Herrn der Schöpfung vollständig zu ignoriren, kommen und entfernen sich wieder, ohne auf uns die mindeste Rücksicht zu nehmen. Ich schoß in einer Entfernung von etwa 30 Schritten auf den ersten, welcher sich mir so genähert hatte, und das zwar mit einer guten Ladung des stärksten Hagels. Es ist auch für einen wenig geübten Schützen kaum möglich bei der großen Flugweite des Vogels denselben zu fehlen. Ich hörte trotz der kurzen Entfernung die Schrote am Gefieder des Vogels anschlagen, derselbe stieß einige zornige Schreie aus, schwenkte den Hals und senkte sich rasch einige Schritte abwärts, als wolle er auf mich stoßen. Ich hatte im zweiten Laufe Vogeldunst, um vorkommenden Falles kleinere Vögel zu schießen. Eine Kugel in den Lauf rollen zu lassen, wäre es zu spät gewesen, so blieb mir nichts anderes übrig als das Thier in nächster Nähe zu erwarten, wo dann auf schuhweite Entfernung auch der andere Lauf wirksam gewesen sein würde. Aber der Condor hielt es doch für besser, das Weite zu suchen und entfernte sich gravitätisch. Dieses Stoßen auf den Schützen zu, und die bezeichneten Aeußerungen des Aergers habe ich meist an diesen Thieren bemerkt, wenn ich später ohne sie ihres dichten Gefieders halber zu verwunden, mit Hagel nach ihnen schoß.

      Des ersten, den ich mit einer Kugel verwundete, wurde ich nicht habhaft. Ich lag hoch oben auf dem Gebirge hinter einem Felsblocke versteckt, um vielleicht einen Guanaco erlauern zu können, welche dort wechselten, als ich ohne vorher etwas gesehen zu haben, das ganz eigenthümliche Schwirren hörte, welches der mächtige Flügelschlag jener Thiere hervorbringt und welches schwer zu beschreiben ist. Aufblickend sah ich den Condor langsam vorüberschweben, kaum 30 Schritte hoch, den Hals gesenkt und offenbar mich genau beobachtend. Ich hatte eine gute Kugel im Rohr, und anschlagen und feuern war das Werk eines Augenblicks. Der Vogel überschlug sich in der Luft und stürzte in schiefer Richtung zu Boden, woselbst er auf den Füßen stehend in eigenthümlicher Bewegung Hals und Kopf schwang. Ich rannte, soll ich es gestehen, in toller Lust auf ihn zu, mich seiner zu bemächtigen, indem ich ein gutes, wenn gleich etwas schwerklingiges Jagdmesser führend, den Condor nicht fürchtete. Aber als ich näher kam, wendete er sich und ergriff rasch laufend die Flucht, jetzt blieb ich stehen und schoß zum zweitenmal mit starkem Hagel nach ihm, aber obgleich man auf solche Weise stark befiederte Vögel leichter tödtet, weil die Federn geringeren Widerstand leisten, und ich zugleich sicher war, nicht gefehlt zu haben, so hatte doch mein Schuß keine weitere Folge als die Flucht des Thieres zu beschleunigen, welches mit ausgespannten Flügeln laufend, am Rande des Plateau zu fliegen begann und mir das Nachsehen ließ. Er schwebte über niederer stehende Felsen hinweg, und stürzte dann endlich in eine entfernte Schlucht, jedenfalls verendet, aber für mich nicht mehr zu erreichen, da ich sicher vier Stunden bedurft hätte, um bis in die Schlucht zu gelangen, ohne die Gewißheit zu haben, das Thier zu finden.

      Das Exemplar, welches ich mit nach Deutschland brachte, schoß ich in einer bedeutenden Entfernung ebenfalls mit einer Kugel. Es stürzte momentan und blieb auf einem Felsenvorsprung liegen, wo ich seiner mit leichter Mühe habhaft werden konnte.

      Später hatte ich Gelegenheit mich von der außerordentlichen Schärfe des Auges dieser Thiere zu überzeugen. Ich trug eine rothe Schärpe, wie es dort im Lande gebräuchlich, diese befestigte ich einstens an meiner Jagdtasche, legte dieselbe auf einen Felsen und versteckte mich in die Nähe, indem ich mit einer Schnur die Vorrichtung bisweilen in Bewegung setzte, so daß das Ganze das Aussehen eines blutenden zuckenden Thiers hatte. Obgleich anfänglich kein Condor zu sehen war, schwebten doch bald einige, nur wie schwarze Punkte sichtbar, ober mir, und kamen dann, Kreise betreibend, näher. Aber nur kurze Zeit bedurften sie um zu unterscheiden, daß kein wirklicher Köder oder kein Thier sich unter ihnen befand und keiner näherte sich weiter als auf etwa 5 bis 600 Schritte, um sich hierauf wieder zu entfernen.

      Unter den Jagden auf Vogelwild war für die Küche die ergiebigste jene auf eine wilde Taube, Chamae pelia melanura Reichenb., welche unserer Turteltaube sehr ähnlich ist, und am Spieße gebraten oder mit Zwiebeln und Pfeffer gedünstet eine gute Speise abgab. Ich habe diese Species nie im Flachlande von Chile getroffen, aber auf den Anden, und das zwar so weit aufwärts, als sich nur noch spärlicher Graswuchs findet, ist sie so häufig, daß wenn der Jäger und ich in Gesellschaft jagten, wir nie auf eine allein schossen, sondern es stets so einzurichten suchten, mehrere zugleich zu treffen.

      Eine andere höchst mühsame aber deßhalb anregende und interessante Jagd war die auf eine sehr seltene, ebenfalls nur die Gebirgswasser der hohen Cordillera bewohnende Entenart, Merganetta armata. Das Thier hat an dem Flügelgelenke einen scharfen und fast dreiviertel Zoll langen Sporn. Es schwimmt rasch und selbst gegen die reißende Strömung jener Gebirgswasser und schwingt sich von Zeit zu Zeit auf aus dem Wasser hervorstehende Felsblöcke, wozu ihr die Spornen an den Flügeln behülflich sind. Längere Zeit verfolgt, taucht es unter und verschwindet. Man muß häufig die Wasser durchwaten oder überspringen, um der Ente folgen zu können, da oft die Ufer so steil werden, daß man auf der Seite, auf welcher man sich eben befindet, nicht mehr fortkommen kann, aber hat man auch die Ente auf Schußweite, was oft der Fall ist, wenn sie auf irgend einem Felsblocke ausruht, so ist es ganz nutzlos, sie hier zu schießen, indem sie in das Wasser stürzend, unbedingt für den Jäger verloren ist, und stets von der heftigen Strömung mit abwärts gerissen wird. Man muß ihr deßhalb so lange folgen, bis sie sich freiwillig erhebt und über eine größere Felsenplatte oder das Ufer hinwegfliegt und beim Stürzen auf festen Grund fällt. Ich habe blos ein Exemplar dieser Ente mit nach Europa gebracht. –

      Andere Entenarten und verschiedene kleinere Vögel wurden eben so in mehr oder minder großer Anzahl erlegt. Ich erwähne z. B. der Muscisaxicola maculirostris, ein kleiner in der Färbung lerchenähnlicher Vogel. Er ist, ehe man seine Art und Weise kennt, schwer zu beschleichen, indem er sehr rasch fliegt und sich auf die Spitze eines kleinen Strauches niederläßt, aber nach einigen Sekunden verschwindet. Geht man an den Strauch, so ist der Vogel nirgends zu finden, denn wahrscheinlich um Insekten zu haschen, schlüpft er rasch von Zweig zu Zweig auf die Erde, läuft auf derselben durch das Gras verborgen fort, und erhebt sich dann, um auf einen andern Strauch fliegend, dasselbe Spiel zu wiederholen.

      Häufig und in Zügen von etlichen Hundert zusammenlebend, aber auch nur auf den höheren Theilen des Gebirges, findet sich die Chrysomitris xanthomelaena Reichenb., eine neue von mir zuerst nach Europa gebrachte Art, glänzend schwarz und hochgelb gefärbt und in der Größe eines Zeisigs.

      Auch der schon früher erwähnte und allenthalben in Chile anzutreffende Tapaculo und el Turco leben auf der Cordillera. Ersterer


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