Reise in Südamerika. Zweiter Band.. Freiherr von Ernst Bibra

Reise in Südamerika. Zweiter Band. - Freiherr von Ernst Bibra


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Größe eines Maulthiers. Den Aufbruch ließen wir, um Condore anzulocken, liegen, allein merkwürdiger Weise ohne Erfolg. Während wir, durch Felsblöcke geborgen, das Mittagsbrod verzehrten, bemerkten wir plötzlich einen frischen Trupp Guanacos, welche Lust zu zeigen schienen, auf das Plateau hinabzukommen. Sie ziehen hiebei auf den von ihnen selbst getretenen Pfaden, eines hinter dem andern, ganz ähnlich einem Zuge beladener Maulthiere, und ziemlich langsam weiter, und sobald das erste stehen bleibt, rührt sich ebenfalls keines der nachfolgenden von der Stelle.

      Unsere Pferde waren nicht weit entfernt, Carlos brachte dieselben, und wir näherten uns den Guanacos so vorsichtig und gedeckt als möglich, in der Absicht eine Jagd nach Art der Chilenen zu machen, wobei man die Thiere zu Pferde verfolgt, bis es gelingt, sie mit dem Lasso zu fangen. Die Wahrheit zu gestehen, hatte ich mir vorgenommen, wäre ich einmal dem Wilde auf Lasso-Weite nahe gekommen, zu halten und nach ihm zu schießen, denn obgleich ich den Lasso ein wenig werfen konnte, hatte ich doch zu Pulver und Blei mehr Vertrauen. Als uns die Thiere erblickt hatten, und zu meckern anfingen, jagten wir wie verrückt hinter denselben her. Aber auf einem der Schneestreifen, welche sich von oben herab auf das Plateau zogen, brach ich mit meinem Pferde ein und versank bis über die Brust in den Schnee. Unter mir hörte ich Wasser rauschen, mein Pferd sank ersichtlich tiefer, und ich sah eben noch Carlos, welcher mit seinem leichteren Pferde schlittschuhartig über den Schnee geglitten war, am Ende desselben seinen Lasso in Bereitschaft setzen, ohne Zweifel, um mich im schlimmsten Falle mit demselben herauszufangen.

      Ich glaube, daß ich dort keine besonders geistreiche Miene zur Schau gestellt habe, indessen spornte ich mein Pferd so gut es des Schnees halber eben ging, und dasselbe fußte unten wieder auf einem festen Gegenstande, ob Eis, ob ein Felsen, ich weiß es nicht, aber es arbeitete sich in die Höhe, erreichte mit den Vorderfüßen die harte Schneedecke, welche einige Male einbrach, aber doch immer etwas Halt gewährte, und war plötzlich mit einigen gewaltigen Sprüngen oben, und mit zwei oder drei weiteren Sätzen über den Schnee hinweg. Wir hatten bald den vorausreitenden Jäger eingeholt, aber die Guanacos waren verschwunden und hatten sich in Klüfte und auf Abhänge geflüchtet, wohin ihnen selbst ein chilenischer Reiter nicht zu folgen vermochte.

      Ich habe an jenem Tage auf dem Plateau hübsche Käfer gefangen, schöne geognostische und für die Höhe des Gebirgs bezeichnende Stufen geschlagen und von jener zwergartigen Flora verschiedene Exemplare mitgebracht, welche in Deutschland sämmtlich später als Novitäten bezeichnet wurden.

      Während ich so meine eigenen Wege verfolgte, lag der Jäger auf dem Anstande, um ein etwa versprengtes Guanaco zu erlegen, aber fruchtlos.

      Spät in der Nacht kamen wir unten im Lager an, und vor uns in der Thalschlucht einige hundert Steine, welche unter den Füßen der Pferde wichen und abwärts rollten. Daß wir dort nicht sämmtlich die Hälse brachen, ist mir heute noch ein Räthsel.

      Dort habe ich gesehen, wie sehr die Thiere, welche wir bei uns hatten, zusammengewöhnt waren. Hoch oben, so daß wir wenigstens noch eine halbe Stunde zu reiten hatten, bis wir im Lager ankamen, hörte uns eins der zurückgelassenen Pferde, welches sich in der Nähe des Lagers befand; es wieherte, als es seine Kameraden kommen hörte und alle unsere Thiere gaben sogleich freudige Antwort.

      Die meteorologischen Verhältnisse von Chile überhaupt werde ich, was das Flachland betrifft, mit einigen Worten später berühren, hier aber dahin Einschlagendes die Anden Betreffendes sogleich erwähnen.

      Die Temperatur war in der Cordillera eine ziemlich wechselnde. An der Stelle des Lagers, des Nachts, und besonders gegen früh, + 5 bis + 6° R., des Mittags aber im Schatten + 15 bis + 16° R. Zu verschiedenen Malen aber war des Nachts die Temperatur bis auf + 3 R. gesunken. In der Sonne aber, und an den derselben am meisten ausgesetzten Felswänden war + 28 R. und + 30° R. eine gewöhnliche Erscheinung.

      Auffallend aber war der enorm wechselnde Feuchtigkeitszustand der Luft. Ich hatte ein Fischbein-Hygrometer bei mir, welches freilich nur relative Resultate giebt, die indessen vollkommen ausreichen, um das eben Gesagte zu bethätigen. In dem Augenblicke, in welchem die Sonne die Gipfel der westlichen Bergspitzen unserer Schlucht zu bescheinen anfing, während sie noch eine halbe Stunde zu steigen hatte, bis sie in die Tiefe der Schlucht zu unserm Lager gelangte, und wir also noch so lange vollkommen im Schatten waren, begann das Hygrometer schon stark zu steigen, so daß der Unterschied, bis die Sonne auf die Sohle des Thales kam, öfters 35° bis 40° der Scala betrug, und das war täglich der Fall.

      In Betreff des Windes bin ich nicht im Stande eine allgemeine Hauptrichtung desselben in der Cordillera anzugeben. So constant wie im Flachlande von Chile der Wind zu einer bestimmten Stunde und von einer bestimmten Richtung kommend auftritt, so constant tritt er in den einzelnen Schluchten und Thälern der Cordillera und an den einzelnen Felswänden ebenfalls auf, aber dies ist nichts anderes als eine locale Luftströmung, bedingt durch eine ungleiche Erhitzung und Abkühlung jener gewaltigen Massen.

      So begann z. B. regelmäßig des Morgens gegen 10 Uhr in der Schlucht, in welcher wir unser Lager aufgeschlagen hatten, der Wind direkt von Süd zu wehen, indem er dem Streichen der Schlucht von Süd nach Nord folgte und hielt bis gegen Mittag an, wo Windstille eintrat. Des Abends aber um 7 Uhr begann Nordwind in gerade entgegengesetzter Richtung und hielt bis um Mitternacht an. Zufällig stimmt dies mit der Windrichtung in Valparaiso auch zusammen, aber dies ist zufällig, denn in andern Schluchten des Gebirges war die Richtung des Windes oft eine ganz andere.

      Die Wolken, die oberhalb der Cordillera standen, und bei höherem Standpunkte des Beobachters unterhalb derselben hinziehen, gaben mir ebenfalls keine Anhaltspunkte, um auf eine allgemeine bestimmte Richtung des Windes schließen zu können. In geringer Entfernung von einander folgten diese Wolkenmassen oft ganz entgegengesetzten Richtungen, und wurden mithin, wie es scheint, ebenfalls von den Luftströmungen getrieben, welche von den mehr oder weniger erwärmten Felsmassen aufstiegen.

      Ich habe öfters in gleicher Höhe mit dem Standpunkte, welchen ich einnahm, Wolkenmassen von zwei entgegensetzten Seiten auf einer mir gegenüberstehenden Felsenklippe herankommen sehen. Sie zogen mit gleicher Geschwindigkeit, vereinigten sich, nachdem sie eine kurze Strecke am Felskamme aufwärts gezogen waren und verschwanden hierauf, offenbar als Niederschlag am Gesteine selbst. Sowohl bei schneebedeckten als auch vollkommen schneefreien Bergspitzen habe ich dieß beobachtet. Ich habe nur selten in bedeutender Höhe über den Anden Wolken schweben gesehen und es schien die Wolkenbildung, wenigstens zur Zeit meines Aufenthalts auf der Cordillera, wo fast immer heiterer Himmel war, auf das Gebiet der Andes-Kette selbst beschränkt zu sein, indem von einem Punkte aus aufsteigende Wolken längere Zeit über ein und demselben Orte zu schweben schienen und dann wieder verschwanden, oder auch sich zwischen den höchsten Gipfeln des Gebirges hindurch windend, sich endlich dem Blicke entzogen.

      Thau fiel täglich in der Cordillera, wenigstens in der Gegend des Lagers, Regen nur einmal, allein nur in einzelnen Tropfen und ganz vorübergehend.

      Wie sehr die Temperatur der Gebirgswasser sich verändert, mag die Angabe eines Mittels zeigen, welches sich aus einer längeren Reihe von Beobachtungen ergeben hat, die ich mit dem neben unserm Lager fließenden Flusse angestellt habe. Es ergiebt sich für Morgens 6 Uhr + 4.12° R., für Mittags 2 Uhr + 8.15° R. und endlich für Abends 8 Uhr + 5.08° R. Das frisch gethaute Schneewasser, welches gegen Abend und während der Nacht jene Flüsse verstärkt, bewirkt die starke Abkühlung derselben.

      Es sind die Nächte auf der hohen Cordillera wirklich reizend, wundervoll zu nennen, und dieß vorzüglich, wenn ein erhöhter Standpunkt und klares Mondlicht dem Blicke in die Ferne zu schweifen erlaubt. Ich bin verschiedene Male, nachdem ich einmal die Wege genauer kannte, länger auf den höheren Theilen des Gebirges geblieben, so daß ich den vollen Anblick jener prachtvollen Mondnächte genießen konnte.

      Keine Feder vermag in der That den feenhaften Zauber zu schildern, der dort, hat man einen glücklichen Standpunkt gewählt, über die Landschaft ausgebreitet ist.

      Die phantastischen pittoresken Formen des nächsten Gebirges traten doppelt imponirend und gehoben durch das Helldunkel unter und neben uns aus der Tiefe hervor, und fast ist die Phantasie versucht, riesige menschliche Formen, fabelhaftes tolles Gethier sich aus ihnen zu bilden. Mitten unter diesem Chaos von düsteren schwarzen Gestalten heben einzelne schneebedeckte Berge ihr Haupt bläulich-glänzend im Mondschein. Aber


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