Reise in Südamerika. Zweiter Band.. Freiherr von Ernst Bibra

Reise in Südamerika. Zweiter Band. - Freiherr von Ernst Bibra


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hiernach das Steuerrad drehte, gieng alles vortrefflich. Aber es entfalteten sich immer mehr und mehr Segel, der Kapitain begann sein plattdeutsches Kommando, und ich wußte nicht mehr, sollte ich rechts, links, stark oder schwach, oder gar nicht drehen.

      Ich drehte aber dennoch, und zwar nach Gutdünken, einmal Backbord, dann Steuerbord, und da mich allmählig die Wuth der Langweile erfaßte, endlich so stark, daß der Dockenhuden sonderbare Bewegungen begann. Nun rief der Kapitain: »Was Teufels machen Sie?« Ich antwortete: »Ich steure!« Hierauf folgten Erklärungen und der Kapitain stellte sich lachend selbst an's Steuer, bis alle Segel klar und ein Matrose den gewöhnlichen Dienst übernahm. Aber als ich dort vom Steuer gieng, fühlte ich zum erstenmale eine Anwandlung von Seekrankheit.

      Der Dockenhuden führte wenig Ballast, und schwankte deshalb, vielleicht auch in Folge meines Steuerns, ziemlich stark, ich aber war dieser Bewegung theils ungewohnt, theils zu rasch in dieselbe versetzt worden.

      Indessen ließ ich mir nichts merken, legte mich in meine Koje und nahm einen tüchtigen Schluck Rum. Nach einer halben Stunde war alles vorüber, und ich hatte dort zum ersten und letzten Male einen entfernten Begriff bekommen, wie es denen zu Muthe sein mag, die Monate hindurch wirklich seekrank sind6.

      Der Dockenhuden war eine schöne Barke von 400 Tonnen und gehörte einem der bedeutendsten Rheder in Hamburg. Ich habe später mit demselben Schiffe die Rückreise nach Europa gemacht, und mich mit dem Kapitain sowohl als mit der Mannschaft stets auf's Beste vertragen. Für jetzt aber waren wir nach Valdivia bestimmt, um dort Holz einzunehmen. Man bedarf gewöhnlich, um von Valdivia nach Valparaiso zu kommen, 3 Tage, denn man benutzt den unausgesetzt wehenden Südwind, und kann vor dem Winde und mit Leesegeln fahren. Bei der Hinreise aber muß man einen Winkel machen, d. h. man muß fast 600 englische Meilen weit westlich, dann aber wieder östlich halten, um bei dem Winde, d. h. mit Seitenwind, fahren zu können. Man bedarf auf diese Weise 10 bis 14 Tage, oft noch länger. Wir indessen kamen in 10 Tagen zum Ziele.

      Es ergab sich auf der kleinen Reise wenig Merkwürdiges, doch will ich eines Meteors erwähnen. Es zog nämlich eines Abends bei fast wollkenleerem Himmel von Ost nach West eine Sternschnuppe mit so intensivem Lichte, daß, obgleich noch kein einziger Stern am Himmel zu bemerken und es fast heller Tag war, dennoch das Meteor den Glanz der Venus zeigte.

      Eine andere Erscheinung, welche ich am Lande nie, wohl aber später öfter auf See wahrgenommen habe, war eine Art Luftspiegelung, welche ich auf jener Fahrt einige Tage nach jener Sternschnuppe das erstemal bemerkte.

      Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang zeigte sich in der, der Sonne gerade entgegensetzten Himmelsgegend, mithin am östlichen Himmel, in den Wolken das Spiegelbild der Sonnenstrahlen, jedoch in verkehrter Richtung, so daß, während im Westen die sichtbaren Strahlen der Sonne abwärts divergirten, sie im Osten den Eindruck der aufgehenden Sonne machten, und aufwärts divergirten.

      Die Spiegelung war klar und deutlich ausgesprochen und man hätte zur Morgenzeit wirklich an einen Sonnenaufgang glauben können.

      Am 15. Januar hatten wir den ganzen Tag die Insel Mas a fuera (wörtlich: meide außen) in Sicht. Ich habe die Felseninsel von mehreren Seiten gezeichnet, und habe mich, nach Hause gekommen, über die Aehnlichkeit meiner Skizze mit der Zeichnung gefreut, die Anson vor hundert Jahren entworfen hatte. An ein Landen war natürlich nicht zu denken.

      Möven, Seeschwalben und eine kleine schwarze Art Albatroß waren unsere fast steten Begleiter, auch sahen wir zahlreiche Quallen, worunter mehrere von wohl zehn Fuß Länge bandartig und gegliedert. Diese letzteren Arten sollen von den Wallfischen gespeist werden. Wirklich sahen wir auch am 16. October mehrere Wallfische in nicht großer Entfernung bei uns vorüberziehen und des andern Morgens einen Wallfischjäger, aber die Hoffnung, einer Jagd beiwohnen zu können, wurde zu nichte, denn jetzt ließ sich kein Wallfisch sehen.

      Wir indessen jagten auf schöne Delphine mit weißem Bauche und schwarzem Rücken, Springfische von den Seeleuten genannt, aber ohne Erfolg, indem wir zwar die Thiere verwundeten, aber nicht an Bord brachten.

      Auch Hornfische7 begleiteten ziemlich zahlreich längere Zeit unser Schiff. Ihre Größe betrug etwa einen Fuß und ihre bunte Färbung, das ganze prismatische Bild repräsentirend, machte sie zu einer lieblichen Erscheinung.

      Vor fünf Monaten hatte ich dasselbe Meer befahren und seine Fauna als eine spärliche bezeichnen müssen, während wir jetzt keine viertel Stunde segelten, ohne Thieren der verschiedensten Art zu begegnen, aber wir hatten jetzt Sommer, und es betätigte sich, daß mit wenig Ausnahmen, etwa der Eisbären und einiger ihnen gleich gestimmten menschlichen Seelen, jedes vernünftige und unvernünftige Thier die Wärme mehr als die Kälte liebt.

      Am 22. des Morgens erblickten wir die Küste von Valdivia. Aus steilen bergigen Abhängen bestehend und wohl in ähnlicher Form auftretend wie die nördlicher gelegenen Küstenstriche, wird der Anblick derselben modificirt durch den Waldwuchs, der sie allenthalben bedeckt. Ich habe deutsche bewaldete Flußufer zu sehen geglaubt, als wir dicht am Lande hinfuhren, und ich das stille Meer hinter mir, sammt seiner ziemlich geräuschvollen Brandung vor mir, absichtlich ignorirte.

      Wir liefen Nachmittags in den Hafen ein, und bald betrat ich das Land, mit dem eigenthümlichen Wohlbehagen, welches der Naturforscher fühlt, wenn er den Fuß auf einen ihm noch unbekannten Boden setzt.

      Es war die Bai von Corral, der Hafen von Valdivia, vor Jahren einer der wichtigsten Plätze der Westküste. Welche Bedeutung man auf den Hafen gelegt, zeigen die Menge der Forts, welche zur Befestigung desselben angelegt. Aber sie liegen in Trümmern diese Forts. Die Zeit und die Stürme der Revolution haben sie gebrochen und mehr vielleicht noch die Nachlässigkeit, mit welcher die Spanier das von ihren Vätern Erworbene beschützten und unterhielten. Bäume stehen innerhalb der Ringmauern, Lianen wuchernd um die verfallenen Laffetten der Geschütze und der Urwald8, in nächster Nähe von Batterien, hat nicht seine Herrschaft aufgegeben über das jungfräuliche Land.

      Der Eingang des Hafens liegt gegen Norden wie fast alle chilenischen Häfen, und bietet daher wenig Schutz vor den dorther kommenden Stürmen, während bei anderen Windrichtungen das Wasser der allenthalben geschlossenen Bai oft kaum bewegt wird.

      Die den Eingang beschützenden Batterien, Fort Carlos und Niebla-Batterie, liegen in Trümmern, eben so die Gonzalo-Batterie und mehrere kleinere. Nur das Fort Corral steht noch nothdürftig zusammengehalten da, Häuser und Hütten in seiner Nähe bilden den Flecken Corral. Die Bai ist ringsum bewaldet. Ihre Breite beträgt eine halbe englische Meile an der Stelle, wo sie sich gegen den See hin öffnet, aber von dort geht ihre Längenerstreckung über zwei englische Meilen in's Land, und das zwar in direkter Richtung gegen Süd. Aber jener Theil derselben, die sogenannte St. Johns Bai, kann zum großen Theile nicht mit größeren Fahrzeugen befahren werden und verflacht sich am Ende dergestalt, daß zur Zeit der Ebbe die Bai wohl auf eine Viertelstunde weit trockenen Fußes überschritten werden kann.

      In der Bai selbst mündet der Rio de Valdivia, welcher aber, weiter gegen oben, andere Namen führt, Rio de Arige, Callse-Callè Fluß und Rio de las ciruelas, der Pflaumenfluß.

      Der Fluß ergießt sich in zwei Armen in die Bai und bildet so eine Insel von etwa zwei englischen Meilen Breite und Länge, die Isla del Rey, und selbst hier wird dieser eine Arm wieder anders genannt, Rio de poco commer, oder wörtlich Fluß wo wenig zu essen. Kleine Flüsse ergießen sich noch mehrere in die Bucht, so der St. Johns Fluß und einige andere, welche wie ich glaube keine Namen haben.

      Ziemlich mitten in der Bai liegt die Manzera-Insel. Die in die Bai mündenden Flüsse, die Inseln, die Bergabhänge, bewaldet, aber nicht so steil abfallend wie jene gegen die See, machen einen freundlichen Eindruck, der indessen den Charakter des Wilden und Romantischen nicht verloren hat.

      Die Grundform des Gebirgs ist die granitische, hier durch Glimmerschiefer repräsentirt in allen Nüancen. An einigen Orten von so feinem Gefüge, daß letzteres kaum mit unbewaffneten Augen zu erkennen, tritt nicht weit hievon wieder ein Gestein auf, in welchem mehrere Zoll große Tafeln von Glimmer und Quarzfragmente von entsprechender Größe zu finden sind. Mittelstufen fehlen nicht. In der Nähe des Forts Corral, und dort das


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Man hat in neuerer Zeit das Chloroform gegen die Seekrankheit empfohlen. Längere Zeit schon vor meiner Abreise aus Deutschland, sowohl mit den Einwirkungen des Schwefeläthers, als auch des Chloroforms auf den Organismus beschäftigt, habe ich bereits auf der Ueberfahrt nach Chile im Jahr 1849 mehrfache Versuche in dieser Beziehung angestellt, aber leider alle erfolglos. Ich habe Chloroform innerlich, mit Wasser von fünf bis zu zehn Tropfen gegeben, ich habe es einathmen lassen und sowohl örtliche Einreibungen in der Magengegend machen, als auch Flanellstücke, mit Chloroform befeuchtet, tragen lassen, aber alles umsonst. Natürlich fühlt der in Narkose Liegende nichts von der Seekrankheit, aber sobald die durch Aether oder Chloroform erzeugte Betäubung verschwunden ist, kehrt auch der beschwerliche Gast wieder.

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Wohl Balistes vetula.

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Bald wird ihn die Axt besiegen; nach Briefen, die ich seither erhalte, erstehen allenthalben in der Bai deutsche Ansiedelungen.