Vergöttert . Морган Райс
entfernt prasselte ein kleines Feuer in einer gemauerten Feuerstelle. Sie hatte gerade ein weiteres Holzscheit aufgelegt und lauschte dem beruhigenden Knistern der Flammen. Der Monat März war noch nicht vorüber, und heute Nacht war es besonders kalt. Das Fenster in der gegenüberliegenden Wand gab den Blick auf den Nachthimmel frei – sie konnte erkennen, dass es immer noch schneite.
Die Scheune war nicht beheizt, aber sie saß dicht genug am Feuer, um nicht zu frieren. Sie fühlte sich wohl, und ihre Augenlider wurden allmählich schwer. Es roch nach Rauch. Als sie sich ein wenig weiter zurücklehnte, spürte sie, wie die Anspannung in ihren Schultern und ihren Beinen nachließ.
Natürlich war das Feuer nicht der wahre Grund für ihren inneren Frieden, auch nicht das Heu oder der Schutz, den die Scheune bot. Es lag an ihm. Caleb. Sie saß ganz still und betrachtete ihn.
Er saß ihr gegenüber, ungefähr fünf Meter entfernt, und schlief. Sie nutzte die Gelegenheit, seine vollkommenen Gesichtszüge und seine blasse, durchscheinende Haut zu studieren. Noch nie hatte sie so feine Gesichtszüge gesehen. Es war so unwirklich – als würde sie eine Skulptur anstarren. Es war unvorstellbar, dass er schon seit dreitausend Jahren lebte. Sie selbst sah mit ihren achtzehn Jahren älter aus als er.
Aber es lag nicht nur an seinem Aussehen. Er strahlte etwas Besonderes aus, eine Art unterschwellige Energie. Und einen außergewöhnlichen inneren Frieden. Wenn sie mit ihm zusammen war, hatte sie das Gefühl, alles würde wieder gut werden.
Sie war einfach nur froh, dass er noch da war, dass er immer noch bei ihr war. Und sie hoffte, dass sie zusammenbleiben würden. Aber noch während sie das dachte, schalt sie sich dafür, weil sie wusste, dass sie sich nur Ärger einhandeln würde. Aus Erfahrung wusste sie, dass Typen wie er nicht blieben. So tickten die nicht.
Caleb schlief so ruhig und atmete so flach, dass man kaum erkennen konnte, ob er überhaupt schlief. Zuvor war er auf Nahrungssuche gegangen. Als er zurückkehrte, war er gelassener. Er hatte einen kleinen Stapel Holzscheite mitgebracht, und es war ihm auch gelungen, die Scheunentür abzudichten, sodass Schnee und Zugluft draußen blieben. Nachdem er das Feuer angezündet hatte, war er eingeschlafen, daher kümmerte sie sich jetzt darum.
Sie griff nach ihrem Becher und trank einen Schluck Rotwein. Der Alkohol trug zu ihrer Entspannung bei. Sie hatte die Flasche in einer verborgenen Kiste unter einem Heuhaufen gefunden; aus einer Laune heraus hatten sie und ihr kleiner Bruder Sam sie vor Monaten dort versteckt. Caitlin trank sonst nie Alkohol, aber sie dachte sich, ein paar Schlucke könnten nicht schaden – nach all dem, was sie durchgemacht hatte.
In ihrem Schoß lag ihr aufgeschlagenes Tagebuch, in einer Hand hielt sie einen Stift, in der anderen den Becher. Das Buch lag schon seit zwanzig Minuten dort. Sie hatte keine Ahnung, wo sie anfangen sollte. Normalerweise passierte ihr das nicht, aber diesmal war es anders. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit waren sehr dramatisch gewesen und schwer zu verarbeiten. Zum ersten Mal seit Tagen war sie ruhig und entspannt. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie sich annähernd in Sicherheit.
Sie beschloss, dass es am besten wäre, ganz vorne zu beginnen. Was geschehen war. Warum sie hier war. Wer sie überhaupt war. Sie musste die Ereignisse verarbeiten, doch sie war sich nicht sicher, ob sie die Antworten auf alle Fragen kannte.
Bis letzte Woche war mein Leben normal. Im Laufe der Zeit hatte ich mich an Oakville gewöhnt, es gefiel mir sogar. Dann marschierte Mom eines Tages herein und verkündete, dass wir umziehen würden. Wieder einmal. Unser Leben wurde auf den Kopf gestellt, das kannten wir ja schon zur Genüge von ihr.
Aber diesmal war es schlimmer. Wir zogen nicht wieder in eine kleine Stadt, sondern nach New York. In eine Großstadt. Das bedeutete den Besuch einer staatlichen Schule und ein Leben umgeben von Beton, noch dazu in einer gefährlichen Wohngegend.
Sam war ebenfalls stocksauer. Wir redeten darüber, nicht mitzugehen und uns davonzumachen. Aber die Wahrheit war, dass es keine Alternative gab.
Also zogen wir wieder mal um. Wir schworen uns beide insgeheim, dass wir abhauen würden, wenn es uns nicht gefiele. Wir würden schon irgendwo unterkommen. Irgendwo. Vielleicht könnten wir sogar versuchen, Dad aufzuspüren. Aber wir wussten beide, dass das nicht realistisch war.
Und dann passierte es. Es ging so schnell. Mein Körper veränderte sich, er verwandelte sich. Ich weiß immer noch nicht richtig, was geschehen ist und was aus mir geworden ist. Ich weiß nur, dass ich nicht mehr dieselbe bin.
Ich erinnere mich an jenen schicksalhaften Abend, an dem alles begann. Die Carnegie Hall. Mein Date mit Jonah. Und dann … die Konzertpause. Meine … Nahrungsaufnahme? Der Mord, den ich begangen haben soll? Ich kann mich immer noch nicht erinnern. Ich weiß nur das, was man mir erzählt hat. Ich weiß, dass ich in jener Nacht etwas Schreckliches getan habe, aber es ist alles in einem Nebel verschwunden. Was auch immer ich getan habe, es liegt mir schwer im Magen. Ich wollte niemandem etwas antun.
Am nächsten Tag nahm ich die Veränderungen an mir wahr. Ich hatte definitiv mehr Kraft, und ich wurde empfindlicher gegenüber Licht. Auch mein Geruchssinn veränderte sich. Tiere benahmen sich seltsam in meiner Gegenwart, und auch ich reagierte merkwürdig auf sie.
Und dann war da die Sache mit meiner Mom. Sie sagte mir, sie wäre nicht meine richtige Mutter, und kurz darauf wurde sie von diesen Vampiren umgebracht, die hinter mir her waren. Ich habe nie gewollt, dass ihr so etwas zustößt. Ich fühle mich immer noch irgendwie schuldig. Aber ich kann mich jetzt nicht gehen lassen. Ich muss mich auf das konzentrieren, was vor mir liegt, was ich steuern kann.
Es folgte meine Gefangennahme durch diese furchtbaren Vampire. Später meine Flucht. Mit Caleb. Ohne ihn hätten sie mich bestimmt getötet. Oder mir Schlimmeres angetan.
Calebs Clan. Sein Volk. Sie waren so anders. Aber trotzdem waren auch sie Vampire. Sie hatten ein ausgeprägtes Revierverhalten. Waren eifersüchtig. Misstrauisch. Sie warfen mich hinaus und ließen ihm keine Wahl.
Aber er wählte trotzdem. Trotz allem entschied er sich für mich. Erneut rettete er mich. Er hat alles für mich riskiert. Ich liebe ihn dafür. Mehr, als er je erfahren wird.
Ich muss ihm helfen. Er glaubt, ich sei die Auserwählte, eine Art Vampir-Messias. Er ist überzeugt, dass ich ihn zu einem verlorenen Schwert führen kann, das einen Vampirkrieg verhindern und alle retten wird. Ich persönlich glaube nicht daran. Nicht mal sein eigenes Volk glaubt es. Doch ich weiß, dass das alles ist, was er hat; es bedeutet die Welt für ihn. Und für mich ist es das Mindeste, was ich tun kann. Dabei geht es mir gar nicht um das Schwert. Ich will einfach nicht, dass er geht.
Also tue ich, was ich kann. Meinen Dad wollte ich ohnehin schon immer suchen. Ich will wissen, wer er wirklich ist. Wer ich wirklich bin. Ob ich wirklich ein halber Vampir bin, beziehungsweise ein halber Mensch, oder was auch immer. Ich brauche Antworten. Außerdem will ich wissen, was aus mir werden wird …
»Caitlin?«
Als sie aufwachte, war sie völlig benommen. Caleb stand vor ihr und schüttelte sie sanft an der Schulter. Er lächelte.
»Ich glaube, du bist eingeschlafen«, sagte er.
Sie sah sich um und entdeckte das offene Tagebuch in ihrem Schoß. Schnell klappte sie es zu und spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Hoffentlich hatte er nicht darin gelesen. Vor allem nicht den Teil über ihre Gefühle für ihn.
Sie setzte sich auf und rieb sich die Augen. Es war noch dunkel, und das Feuer war bis auf die Glut heruntergebrannt. Er musste auch gerade erst aufgewacht sein. Sie fragte sich, wie lange sie wohl geschlafen hatte.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe zum ersten Mal seit Tagen geschlafen.«
Er lächelte wieder, ging zum Feuer und legte einige Holzscheite auf. Sie begannen zu knacken und zu zischen, als das Feuer wieder aufflackerte. Sie spürte, wie die Wärme ihre Füße erreichte.
Er starrte ins Feuer, und sein Lächeln verblasste langsam, als er sich in seinen Gedanken verlor. Die Flammen warfen einen warmen Schein auf sein Gesicht und ließen ihn noch attraktiver wirken, falls das überhaupt möglich war. Seine großen, hellbraunen Augen waren weit geöffnet. Während