Deutsch-Ostafrika: Geographie und Geschichte der Colonie. Brix Forster

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geplante Endziel, nämlich Muinin Sagara oder Sima. Die Wegstrecke von Saadani bis Sima beträgt auf der Karte gemessen gegen 300 km; sie wurde in 22 Tagen zurückgelegt, also mit durchschnittlich 14 km pro Tag, eine tüchtige Marschleistung auf afrikanischen Wegen, insofern man berücksichtigt, daß während dieser Zeit sechs größere Verträge zum Abschluß gelangten und die betreffenden Verhandlungen sehr viel Aufenthalt verursachten.

      Mit den Kräften der Expedition ging es aber auch zu Ende. Alle vier Herren litten an den heftigsten Fieberanfällen, denen Otto sogar an Ort und Stelle bald erlag. Man beschloß schleunigsten Rückzug nach Sansibar. Nur Graf Pfeil wurde zur Gründung der ersten Station (Kiora) zurückgelassen. Dr. Peters und Dr. Jühlke brachen am 7. December 1884 von Muinin Sagara wieder auf und kamen nach unsäglichen Strapazen durch Ukami und Ukwere am 17. December 1884 in Bagamoyo und am 19. December in Sansibar an.

      Innerhalb sechs Wochen war afrikanischer Grund und Boden mit tropischer Ertragsfähigkeit in der ungefähren Ausdehnung des Königreichs Baiern für die „Gesellschaft für deutsche Colonisation” scheinbar erworben worden, und zwar nur durch Verträge mit Negersultanen unter Einsetzung verhältnißmäßig geringer Geldkräfte. Die Verträge selbst waren freilich von sehr geringer staatsrechtlicher Bedeutung, wenn man einerseits die sehr beschränkte Macht der Häuptlinge berücksichtigt, andererseits den Vorgang beim Contractabschluß im einzelnen verfolgt. Privatrechtlich fehlte ihnen jede Basis; denn Ackerland wird in diesen Gebieten nicht durch Kauf, sondern nur durch thatsächliche Bebauung Eigenthum von Weißen und Schwarzen. Unangebautes Land ist herrenlos. Dr. Peters’ eigene Erzählung darüber („Tägliche Rundschau” vom März und April 1885) liefert hierzu das authentische Material. Sie lautet im Auszug: „Nahten wir uns einem Kraal, wo ein Contract zu machen war, so pflegte ich mit denjenigen von meinen Leuten zusammen zu marschiren, welche irgendetwas von dem betreffenden Herrscher, seinem Charakter, seinen Schicksalen, seinem Besitzstand mittheilen konnten. Gerüchte von meiner Macht und meinem Einfluß waren vorher in Umlauf gesetzt. Zogen wir ins Kraal ein, so knüpften wir sofort ein recht cordiales Verhältniß an, indem wir den Sultan zwischen uns auf ein Lager nahmen, von beiden Seiten unsere Arme um ihn schlagend. Wir thaten einen Trunk guten Grogs und brachten Seine Hoheit von vornherein in die vergnüglichste Stimmung. Alsdann wurden die Ehrengeschenke ausgetauscht und nach dem Essen begannen die diplomatischen Verhandlungen und auf Grund derselben wurde der Contract abgeschlossen. War dies geschehen, so wurden die Fahnen gehißt, der Vertrag im deutschen Text verlesen; ich hielt eine kurze Ansprache, wodurch ich die Besitzergreifung als solche vornahm, die mit einem Hoch auf S. M. den Deutschen Kaiser endete. Man wird sich nicht leicht vorstellen, welchen Eindruck der ganze Vorgang auf die Neger zu machen pflegte.”

      Uebrigens muß hervorgehoben werden, daß in ganz Mittelafrika die allgemeine Besitzergreifung einer Landschaft in ähnlicher Form vollzogen wird. Gestattet der Häuptling das Hissen einer Flagge, so unterwirft er sich und das ihm unterthänige Volk der neuen Herrschaft und gestattet die Ansiedelung. Dazu bestimmt ihn entweder die Furcht vor drohender Gewalt, oder die Hoffnung, für sich reichlichen Nutzen zu gewinnen, oder das Vertrauen in die Macht der Weißen, ihm Schutz gegen die Raubzüge benachbarter Stämme zu gewähren. Fällt aber eine dieser Vorbedingungen im Laufe der Zeit hinweg, so kümmert er sich nicht mehr im geringsten um den Vertrag: er kennt keine moralische, einfach gesetzliche Verpflichtung. Mithin ist die Dauer und der Werth solcher Verträge sehr problematisch.

       Als Dr. Peters die Verträge mit den Negerhäuptlingen entwarf, dachte er weniger an ihre bindende Kraft, die sie für diese besitzen sollten, sondern an ihre Stichhaltigkeit gegenüber den Einsprüchen des Sultans von Sansibar und den etwa später möglichen Einmischungsversuchen anderer europäischer Mächte.

      Ihre Abfassung bekundet diese Absicht. Ich gebe einen der Verträge als Beispiel im Wortlaut wieder.

      „Muinin Sagara in Usagara, 4. December 1884.

      „Muinin Sagara, alleiniger absoluter Herr von ganz Usagara, und Doctor C. Peters, als Vertreter der Gesellschaft für deutsche Colonisation schließen hierdurch einen ewigen Freundschaftsvertrag ab.

      „Sultan Muinin Sagara erhält eine Reihe von Geschenken; weitere Geschenke für die Zukunft werden ihm versprochen, und er tritt hierdurch unter den Schutz der Gesellschaft.

      „Dafür tritt der Sultan an Herrn Dr. C. Peters, als Vertreter der Gesellschaft für deutsche Colonisation, kraft seiner absoluten und unumschränkten Machtvollkommenheit das alleinige und ausschließliche Recht, Colonisten nach ganz Usagara zu bringen, ab; ferner das alleinige und ausschließliche Recht völliger und uneingeschränkter privatrechtlicher Ausnutzung von ganz Usagara; endlich alle diejenigen Rechte, welche nach dem Begriff des deutschen Staatsrechts den Inbegriff staatlicher Oberhoheit ausmachen, unter anderm das Recht der Ausbeutung von Bergwerken, Flüssen, Forsten; das Recht, Zölle aufzulegen, Steuern zu erheben, eigene Justiz und Verwaltung einzurichten, und das Recht, eine bewaffnete Macht zu schaffen.

      „Der privatrechtliche Besitzstand des Sultans wird von der Gesellschaft anerkannt und garantirt, und die Vertreter der Gesellschaft werden angewiesen werden, diesen Besitzstand mit allen Kräften mehren zu helfen.

       „Die Gesellschaft wird mit allen Kräften dahin wirken, daß Sklaven aus dem Gebiet des Sultans Muinin Sagara nicht mehr fortgeschleppt werden dürfen.”

      Durch diese Verträge war das formelle Recht der Besitzergreifung gewonnen; auch die vom Ausschuß gestellten Aufgaben (siehe S. 7) schienen gelöst: weite Länderstrecken waren uneingeschränktes Eigenthum der Gesellschaft geworden und die deutsche Oberhoheit wurde unbedingt anerkannt. Ob die erworbenen ostafrikanischen Gebiete für den deutschen Arbeiter geeignet, wurde allein in Frage gestellt; vielleicht fand sich noch ein erträgliches Klima in höheren, nahe liegenden Gebirgsgegenden. Soweit wäre alles recht schön und gut gewesen. Allein eine thatsächliche Wirkung, die man von den Verträgen erwartete, konnte nicht durch das gesprochene und geschriebene Wort, durch Flaggenhissen und reiche Geschenke geschaffen werden; dazu bedurfte man entweder des unausgesetzt guten Willens und einer gewissen Vertrauensseligkeit der Eingeborenen oder deutscherseits der Entfaltung von Machtmitteln.

      Was war bewilligt worden und was hatte man garantirt?

      Die Häuptlinge unterwarfen ganz Usagara, Useguha u. s. w. der deutschen Oberhoheit auf Grund ihrer Souveränetät.

      Es wurde gar nicht genauer untersucht, ob ihre Herrschaft weiter reiche als über die nächsten Dörfer, ob ihre Behauptungen nicht Prahlereien seien. Sie geben den ganzen Privatbesitz ihrer Unterthanen in die Hände der deutschen Gesellschaft zur beliebigen Ausnutzung, so steht es in allen Verträgen. Als es später darauf ankam, Stationen und Plantagen zu errichten, ließ sich kein einziger Neger herbei, sein bebautes Stück Land gutmüthig ohne Entgelt, etwa nur mit dem Hinweis auf die Verträge, abzutreten. Die Erwerbung „des ganzen Landes zu unumschränkter Ausnutzung” bestand nur in dem Erwerb der Erlaubniß, auf herrenlosem Grund und Boden sich anzusiedeln.

       Mit dem für Oberhoheit und Grunderwerb bezahlten Kaufpreis sah es übrigens auch nicht viel besser aus. Die Baumwolltücher und Husarenjacken spielten nur die Rolle von Trinkgeldern; die Hauptsumme, welche die Negersultane gefügig machte, muß in der Zusicherung des Schutzes gesucht werden, Schutz gegen Sklavenraub und gegen die Einfälle landgieriger Nachbarn.

      Konnte dieser von den paar anwesenden Weißen oder nach ihrem Abgang von der gehißten Flagge gewährt werden? Wäre Deutschland damals eine von Negern gekannte Macht gewesen, wie England, so hätte die Furcht vor drohender Bestrafung als Schutz gelten können. Das war aber nicht der Fall.

      Dem Versprechen der Häuptlinge auf Unterwerfung stand das Versprechen der Gesellschaft auf Schutz ebenbürtig zur Seite. Die Verträge waren nur eine Anweisung auf die Zukunft. Blieb diese friedlich, der Neger gutmüthig und von Feinden unbelästigt, so erfüllten sie vollkommen ihren Zweck. Trat ein Umschwung in der Haltung der Eingeborenen und in den politischen Verhältnissen ein, dann verloren sie allen Werth, und neue Mittel mußten ergriffen werden, um den Willen der Colonisation durchzusetzen.

      Doch einen Werth besaßen die Verträge, einen bedeutenden, der ihnen, wie die folgenden Ereignisse lehrten,


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