Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch - Walther Kabel


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gibt’s“ fragte ich flüsternd.

      Haralds Blicke ruhten auf der weißen Porzellankaffeekanne.

      „Es hätte leicht ein Unglück geben können, mein Alter. Zwei Leichen – wir beide!“

      Da kehrte Sörensen schon mit der Reisetasche zurück und reichte sie Harst.

      Ich war so verblüfft über Haralds Bemerkung, daß ich ihn wie entgeistert anstarrte. Er öffnete die Tasche und nahm den flachen Lederkarton heraus, die Reiseapotheke, klappte den Deckel auf, holte ein Fläschchen mit Glasstöpsel hervor, der in ein Röhrchen auslief, und tupfte einen Tropfen der Säure, die das Fläschchen enthielt, auf einen Fleck auf der Kaffeekanne, der wie ein stumpfer Strich schimmerte.

      Kaum hatte die Säure diesen stumpfen Strich, offenbar einen angetrockneten Spritzer, berührt, als die farblose Säure leuchtend blau sich verfärbte.

      Harald steckte den Stöpsel wieder in das Fläschchen und schaute den Matrosen Sörensen scharf an – so scharf und durchdringend, daß das blondbärtige, tiefgebräunte Gesicht unseres Kochs langsam einen hilflosen, verlegenen Ausdruck bekam.

      Harst hatte schon in die Schlüsseltasche seiner Beinkleider gegriffen und – schob die Sicherung der kleinen Clementpistole zurück.

      Ich sah, wie Sörensen quittengelb an den Wangen wurde. Seine Augen stierten wie gebannt auf den schwarzen Mehrlader.

      „Wer hat Sie bestochen?“ fragte Harst kurz.

      Sörensen leckte sich die Lippen. Sein Unterkiefer zitterte. – Dann stieß er heiser hervor:

      „Haben Sie’s wirklich bemerkt, Sir?! Ich wußte gleich, daß die Geschichte schief gehen würde. Aber Gunlöv (das war der Maschinist) meinte, wir sollten uns den Nebenverdienst nicht entgehen lassen. – Sir – haben Sie Mitleid mit uns beiden! Verraten Sie nichts unserem Herrn! Wir wollen doch unsere Stellen nicht gern verlieren. Wir sind verheiratet, und Gunlöv hat fünf Kin–“

      Das Wort „Kinder“ wurde nicht vollendet.

      Harald war aus dem Korbsessel hochgesprungen und – zielte auf einen Mann, der soeben aus der Mittelluke aufgetaucht war und sich über Bord schwingen wollte.

      Nein – nicht wollte.

      Der Kerl war überaus fix. Der Sprung gelang, noch bevor Harst abgedrückt hatte.

      Das Wasser platschte auf. Ich lief an die Reling, schaute nach dem Menschen aus, der wie ein Matrose gekleidet war und einen rötlichen Schifferbart am Kinn hatte.

      Die Jacht fuhr gerade an einer Holztraft vorüber. Das endlos lange, gut fünfzehn Meter breite Floß aus ungeschälten Baumstämmen wurde von einem Schlepper gezogen und war von der Jacht auf Backbord nur etwa zwanzig Meter entfernt.

      Gunlöv, der auch das Steuer mittschiffs bediente, hatte es durchaus nicht eilig, zu wenden und den Flüchtling zu verfolgen.

      Sörensen fluchte und brüllte:

      „Gunlöv, – verdammt – ran an den Kerl! Der Lump hat uns betrogen!“

      Doch – der Flüchtling war bereits, offenbar ein vorzüglicher Schwimmer, untergetaucht und kam nicht wieder zum Vorschein.

      Wir warteten drei – vier Minuten.

      Die Jacht fuhr langsam an der Holztraft auf und ab. Wir hätten den Kerl bemerken müssen. Aber – wohl zehn Minuten ließen wir zwecklos die Augen hierhin und dorthin wandern.

      Zwei der Flößer waren über die Stämme aus ihrer Strohhütte herbeigeeilt und fragten, was geschehen sei.

      Sörensen wollte antworten. Harst rief schnell:

      „Einer von uns ist über Bord gefallen. Er war betrunken –“

      Dann gab er Gunlöv einen Wink, mit voller Kraft weiter zu fahren.

      Die Flößer schimpften hinter uns drein. Sie glaubten, wir wären abgebrüht genug, uns nicht mehr um den Verunglückten zu kümmern.

      Wir beide und Sörensen standen setzt neben dem Mittelaufbau, wo Gunlöv das Steuerrad bediente.

      „Der Fremde ist nicht ertrunken,“ sagte Harald. „Er ist unter die Stämme geschwommen, wo er zwischen den Hölzern Raum genug findet, den halben Kopf über Wasser zu bringen und zu atmen. – Gunlöv, erzählen Sie! Wie kam’s, daß Sie den Mann mitnahmen? Ich denke, er wird Ihnen vorgelogen haben, er wolle ebenfalls nach Göteborg. Er bot Ihnen beiden Geld, wenn Sie ihn heimlich die Fahrt mitmachen ließen.“

      „So ist’s, Sir,“ nickte Gunlöv ängstlich. „Der Kerl erzählte uns, daß er –“

      Harst winkte ab. „Das interessiert mich nicht. – Sörensen Ihnen ist inzwischen wohl ein Licht aufgegangen, was der Mensch hier beabsichtigte.“

      Der Matrose atmete wie erleichtert auf. „Gott sei Dank, daß Sie’s noch rechtzeitig erkannten, Sir! Vergiften wollte er Sie! Ich sah ja, wie das Zeug aus dem Fläschchen die Farbe veränderte, als Sie’s auf den Spritzer wischten –“

      „Konnte der Fremde leicht an die bereits gefüllte Kaffeekanne heran?“ fragte Harst.

      „Ja. Ich hatte ihn ja vorn versteckt, wo Gunlöv und ich schlafen. Er muß den Augenblick benutzt haben, als ich aus der Vorratskammer die Zwiebackbüchse holte.“

      „Und – für uns zum Glück war er etwas hastig, als er das Gift in die Kaffeekanne goß. Ein Tröpfchen davon floß an der Kanne außen entlang. Der Tropfen trocknete infolge der Wärme des Porzellans sehr schnell und ließ die milchige Bahn zurück, die leicht als Rückstand einer besonderen Flüssigkeit zu erkennen war, da es in diesem matten Strich hie und da wie von winzigen Kristallteilchen schimmerte. – Sörensen, tun Sie alles an Speisen und Getränken weg, was sich in der Küche befand. Der Kerl kann womöglich noch anderes vergiftet haben. – Euch beiden soll weiter nichts geschehen. Ihr konntet nicht ahnen, daß es Leute gibt, die uns nach dem Leben trachten. Die Sache ist damit erledigt. Brühen Sie frischen Kaffee auf, Sörensen.“

      Die beiden bedankten sich wortreich.

      Dann saßen wir wieder in unseren Korbsesseln und warteten auf den Kaffee.

      Harst rauchte sinnend. Nach einer Weile meinte er:

      „Du siehst, man hat uns in Skien aufgelauert. Man wird auch in Bergen einen Attentäter bereit gehabt haben. Monsieur Dalcroix dürfte über mehrere Komplicen verfügen, und die ganze Angelegenheit ist ein Kapitalfall, ist etwas Großes, Lohnendes – lohnend für Verbrecher! Der Ingenieur Sondbör hat schon recht: auch der bucklige Aarström gehört mit dazu!“

      Er blies den hellen Rauch der Mirakulum stoßweise von sich und fuhr fort: „Zwei Wege führen von Odda nach Göteborg-Trollhätta. Der eine über Bergen, die Heringsstadt, der andere, den wir wählten, über Skien. Auch in Göteborg wird jemand auf uns lauern. Die Bande muß scheußliche Angst vor uns haben. Wir werden trotzdem unerkannt nach Trollhätta gelangen!“ –

      Zwei Tage später verließen wir um Mitternacht unweit Göteborg bei einem Fischerdorfe die Jacht und schickten sie nach Skien zurück.

      In dem Dorfe mieteten wir einen Fischkutter, der einen Aushilfsmotor hatte. Mit diesem Kutter, der niemandem auffallen konnte, trafen wir morgens im Hafen von Göteborg ein. –

      Geld macht die Leute nicht nur gesprächig, sondern auch stumm, wenn es sein muß. Wir konnten uns darauf verlassen, daß die Fischer nichts ausplaudern würden, obwohl sie genug hätten erzählen können, so zum Beispiel, daß ein älteres Ehepaar ihren Kutter zuletzt benutzt hatte, das gar kein Ehepaar war.

      Mit unseren Koffern fuhren wir vor dem Hotel Skandinavia vor, genau zu derselben Zeit, als ein Zug von Stockholm angelangt war.

      Am anderen Morgen begab sich Mr. Thomas Strapp alias Harald Harst zu einem Autoverleiher und besorgte einen großen Tourenwagen für vier Tage.

      Mittags


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