Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel
„Also der Stockholmer viermal vorbestrafte Einbrecher Sven Hargarsen,“ sagte Dronting jetzt und nickte mir zu. Dann wandte er sich an den Gefesselten.
„Na, Hargarsen, wie wär’s nun, wenn Sie mit der Wahrheit herausrückten? Bedenken Sie: es geht um Mord! Der Ingenieur Holger Sondbör ist von Euch auf der Trollhätta-Insel kaltgemacht worden!“
„Ich war mein Lebtag nicht in Trollhätta,“ brummte Hargarsen. „Ich will alles zu Protokoll geben –“
„Das ist verständig, Hargarsen,“ lobte der Inspektor. „Nur – lügen Sie nicht zu viel! Sie wissen ja: Harst kontrolliert Ihre Angaben!“
„Habe keinen Grund zum Lügen,“ erklärte der Verbrecher finster. „Habe mich nur einwickeln lassen! Das verdammte Weib ist daran schuld, die Sigrid Arbang. Kannte ihren Vater von früher her –“
Hier unterbrach Harald den Stockholmer.
„Olaf Arbang ist vorbestraft?“
„Vielleicht, Herr Harst. Wenn ja, dann unter anderem Namen natürlich. Sonst hätte Herr Juwelier Bantjör den Buckel-Olaf wohl kaum vor fünf Jahren als Hausdiener eingestellt. – Also – ich kam zufällig vor vier Monaten nach Göteborg. Da traf ich Arbang auf dem Bahnhof. Das war am 2. April etwa. Es kann auch der 3. April gewesen sein. Wir hatten uns jahrelang nicht gesehen. Er nahm mich mit in seine Wohnung. So lernte ich Sigrid kennen. – Ach – sie war ja ein Bild von Weib! Aber dabei so zurückhaltend, so – so stolz! Ich verliebte mich sofort in sie. – Ich blieb eine Woche bei Arbang. Dann sagte er mir, er könne mich nicht länger beherbergen. Ich mußte also in einen Gasthof übersiedeln. Bald darauf waren Vater und Tochter verschwunden. Erst aus der Zeitung ersah ich, daß sie mit Gunnar Bantjör nach Amerika verduftet waren. Ich habe mir dann hier in Göteborg Arbeit gesucht und wurde Statist im National-Theater. Ich hörte nichts mehr von den Arbangs. Aber am 4. August kam Arbang ganz überraschend spät abends in meine Dachstube und bestellte mir Grüße von Sigrid. Er erzählte folgendes: Er und Sigrid seien heimlich wieder nach Schweden zurückgekehrt. Gunnar Bantjör sei in Neuyork geblieben. Sie hätte sich mit ihm überworfen. Er – Arbang – wohne jetzt als Olaf Aarström in Trollhätta, während Sigrid sich in Christiania unter dem Namen Sigrid Aarström als Verkäuferin redlich ihr Brot verdiene. Er hätte mich schon vor drei Wochen abends auf der Straße gesehen, jedoch nicht ansprechen wollen, sei mir aber bis zu meiner Wohnung heimlich gefolgt. – Dann rückte er mit seinem Anliegen heraus. Er hätte doch damals dem Juwelier Bantjör mit Hilfe des Tresorschlüssels, den Gunnar ihm gegeben, für 200 000 Kronen lose Edelsteine gestohlen, und dieser Geschichte wegen sei nun der bekannte Harst hinter ihm her. Ich solle versuchen, Harst und Schraut stumm zu machen. – Er gab mir 3000 Kronen und ein Fläschchen Gift und schickte mich nach Skien. Er meinte, die beiden würden von Odda über Skien nach Göteborg reisen. Das ginge noch am schnellsten. – Ich will noch erwähnen, daß ich mich anfänglich sträubte, zwei Menschen zu beseitigen, die mir selbst gleichgültig waren. Da zerstreute er meine Bedenken durch einen Hinweis auf Sigrid, die mich nicht vergessen hätte. Na – auch ich hatte sie nicht vergessen – leider! So kam denn die Sache zustande. In Skien schmuggelten mich die beiden Leute der Motorjacht an Bord, und –“
„Das wissen wir,“ meinte Harst. „Sie entflohen und verbargen sich unter dem Floß. Was geschah nachher?“
„Ich kam unbemerkt an Land und fuhr von Skien nach Christiania mit der Bahn, weiter nach Göteborg. Von hier rief ich Aarström telephonisch an. Er hatte mir schon vorher die Nummer 136 genannt. Ich solle dem, der sich als Charles Dalcroix in Trollhätta melde, volles Vertrauen schenken. Es meldete sich dann auch wirklich Dalcroix, den ich im übrigen nicht kenne. In versteckter Form teilte ich ihm mit, daß der Anschlag mißglückt sei. Er gab mir nun die Anweisung, hier in Göteborg die Hotels zu überwachen, ebenso die Privatpensionen, und sagte noch, Harst und Schraut wählten gern die Maske als älteres Ehepaar. – Heute bummelte ich gerade hier vor dem Skandinavia mittags auf und ab, als ein Auto vorfuhr. Darin saß ein älteres Ehepaar. Eine Kleinigkeit verriet mir, daß es kein Ehepaar war –“
„Welche Kleinigkeit?“ fragte Harald gespannt.
„Herr Schraut half als Dame den einen Koffer herausheben. So viel Kraft hat keine Dame mit grauen Haaren! Und als erst mal der Argwohn erwacht war –“
„Schon gut!!“ winkte Harald ab. „Ihr Geständnis scheint der Wahrheit zu entsprechen. Sie haben jetzt einen doppelten Giftmordversuch auf dem Kerbholz, Sven Hargarsen! Das kostet Zuchthaus!!“
„Es war ja gar kein Gift, was ich da an Bord in die Porzellankanne goß,“ erklärte der Statist eifrig. „Wirklich, es war nur ein Betäubungsmittel, Herr Harst!!“
„Gut – es soll ein Betäubungsmittel gewesen sein, wenn Sie jetzt ganz ehrlich sind, Hargarsen! – Also: weshalb besuchten Aarström und Dalcroix nachts die Trollhätta-Insel?“
Der Verbrecher blickte Harald erstaunt an.
„Keine Ahnung, Herr Harst! Wahrhaftig: keine Ahnung! Ich weiß nicht mal, daß es in den Wasserfällen eine Insel gibt! Ich lüge nicht!“
„Scheint so. – Wann erfuhren Sie von dem Tode des Ingenieurs Sondbör etwas?“
„Gestern – durch die Zeitung.“
„Kam Ihnen da nicht der Verdacht, daß Sondbör ermordet sein könnte?“
„Nein – tatsächlich nicht! Wie sollte in mir auch wohl der Gedanke aufgestiegen sein?! In der Zeitung stand ja lediglich, es sei ein Unfall.“
„Kennen Sie jenen Dalcroix tatsächlich nicht?“
„Nein, Herr Harst. Olaf Arbang sagte mir, als er mich in der Dachstube aufsuchte, Dalcroix sei gleichfalls ein schwerer Junge, ein Däne, und hätte dort in Trollhätta ’ne große Sache vor. Mehr weiß ich nicht!“
„Gut. Mag sein. Sie werden jetzt sofort von hier Trollhätta 136 anrufen. Der Inspektor wird dafür sorgen, daß das Amt das Ferngespräch sogleich erledigen läßt. – Dronting, bitte – geben Sie dem Amt Bescheid.“
Dronting tat es.
„Sie, Hargarsen, werden nun Dalcroix folgendes mitteilen,“ ordnete Harst weiter an. „Sollte Dalcroix nicht daheim sein, so sagen Sie seiner Wirtin, der Witwe Svendsen, daß Dalcroix heute abend um elf Uhr „einen Freund vom Theater“ bei Aarström erwarten soll, der wichtige Nachrichten brächte. Meldet sich Dalcroix, so erklären Sie ihm, Sie könnten ihm und Aarström nur persönlich Bericht erstatten und würden im Auto um elf Uhr in Trollhätta eintreffen. Er solle Sie am Bahnhof erwarten.“
Inzwischen hatte Dronting bereits die Verbindung herstellen lassen.
Hargarsen nahm den Hörer, nachdem ihm die Handschellen gelöst worden waren. Es meldete sich Frau Svendsen.
Hargarsen gab ihr für Dalcroix die Bestellung genau so auf, wie Harald es verlangt hatte. –
Harst war zufrieden. Der Verbrecher wurde dann abgeführt.
„Ich möchte mit nach Trollhätta,“ meinte der Inspektor zu Harst, als wir allein waren.
„Sollen Sie auch, Dronting. Sie fahren mit Schraut voraus, steigen vor dem Orte aus und bleiben bis zehn Uhr im Bahnhofshotel. Um halb elf gehen Sie mit Schraut bis zur Schneidemühle, neben der der Weg zur Insel abzweigt. Schraut sucht dann das Häuschen Aarströms auf, wo ich inzwischen als Hargarsen eingedrungen sein werde. Ich will die beiden Kerle so lange schon in Schach halten. Wir beide bringen Aarström und Dalcroix dann nach der Insel, wo Sie uns erwarten.“
„Hm – und dann?“ meinte Dronting zweifelnd.
„Dann wird sich herausstellen, welcher Art die Anziehungskraft war, die die Insel auf diese Leute ausübte.“
„Da bin ich neugierig, bester Harst! – Herausstellen?! Die Kerle werden sich hüten, es uns zu sagen.“
„Doch wohl nicht, lieber Dronting! Warten wir ab!“