Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг

Gesammelte Werke von Rudyard Kipling - Редьярд Киплинг


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den Füßen des Rausches, bis er platt auf die Polster fiel, wo dann die Blume des Entzückens mit Hilfe eines bartlosen Pundit von Kashmir ihn vom Kopf bis zu den Füßen gründlich durchsuchte.

      Um dieselbe Stunde ungefähr hörte Kim in Mahbubs verlassener Abteilung leise Tritte schallen. Der Roßhändler hatte, sonderbar genug, seine Tür nicht verschlossen, und seine Leute waren vollauf beschäftigt, das ganze Schaf, das Mahbub großmütig zur Feier der Rückkehr gespendet, zu verzehren. Ein geschmeidiger junger Gentleman aus Delhi untersuchte mit Hilfe eines Schlüsselbundes, welche die Blume von des sinnlos Betrunkenen Gürtel losgehakt hatte, jeden Koffer und Ballen, Bündel und Satteltaschen in Mahbubs Besitz noch systematischer, als die Blume und der Pundit den Besitzer selbst.

      »Und mir scheint,« sagte die Blume eine Stunde später verächtlich, den runden Ellbogen auf den schnarchenden Körper gestützt, »er ist nichts weiter als ein Schwein von Afghanischem Roßhändler, das nur an Weiber und Pferde denkt. Übrigens – er mag es fortgeschickt haben – wenn es überhaupt da war.«

      »Nein – ein Ding, das fünf Könige betrifft, würde er nächst seinem schwarzen Herzen aufbewahren,« sprach der Pundit. »Hast Du nichts gefunden?« fragte er den Delhi-Mann, der lachend den Turban zurechtrückte, als er eintrat. »Ich durchsuchte die Sohlen seiner Pantoffeln, wie die Blume seine Kleider. Dies ist nicht der Mann. Es muß ein anderer sein. Ich lasse nichts unbesehen.«

      »Sie sagten nicht, er ist der rechte Mann,« sprach nachdenklich der Pundit. »Sie sagten, sehet zu, ob es der Mann ist, da unsere Nachrichten nicht klar sind.«

      »Der Norden ist so voll von Pferdehändlern wie ein alter Rock von Läusen. Da ist Sikhandar-Khan, Nur Ali Beg und Farrukh Shah – alle Führer von Karawanen – die dort Geschäfte machen,« sagte die Blume.

      »Die sind noch nicht zurück gekommen,« meinte der Pundit. »Die mußt Du später in Deine Schlinge locken.«

      »Pah!« meinte die Blume mit tiefer Verachtung, Mahbubs Kopf von ihrem Schoß rollend. »Ich verdiene mein Geld. Farrukh Shah ist ein Bär, Ali Beg ist ein Prahlhans, und der alte Eikandar Khan – pfui! Geh! Ich will nun schlafen. Dieses Schwein wird vor Tagesgrauen sich nicht rühren.«

      Als Mahbub erwachte, hielt die Blume ihm strenge die Sünde der Trunkenheit vor. Asiaten zucken nicht mit der Wimper, wenn sie den Feind überlistet haben; Mahbub Ali aber war nahe daran, als er sich die Kehle reinigte, den Gürtel festschnallte und unter den frühen Morgensternen dahintaumelte, sich zu ärgern.

      »Welch ein plumper Streich!« sprach er zu sich selbst. »Als ob nicht jedes Mädchen in Peshawur es so anstellen würde. Aber sie hat es hübsch gemacht. Nun, Gott weiß, wie viele andere noch auf dem Weg sind mit Befehl mich zu untersuchen – vielleicht mit dem Messer. Es steht fest, der Knabe muß nach Umballa, aber mit dem Zuge, denn das Schreiben ist dringend. Ich bleibe hier, folge der Blume nach und trinke Wein, wie es einem afghanischen Roßkamm zukommt.«

      Er hielt bei dem zweiten Abteil nächst dem seinen still. Seine Leute lagen in tiefem Schlaf. Von Kim oder vom Lama keine Spur.

      »Auf!« Er rüttelte einen Schläfer. »Wohin sind sie gegangen, die hier letzten Abend lagen – der Lama und der Knabe? Ist etwas nicht in Ordnung?«

      »Nein,« murrte der Mann, »der alte verrückte Kerl erhob sich beim zweiten Hahnkrähen und sagte, er müßte nach Benares, und der Junge leitete ihn fort.«

      »Allahs Fluch über alle Ungläubigen!« rief Mahbub und kletterte, in den Bart brummend, in seine eigene Abteilung.

      Es war aber Kim, der den Lama geweckt – Kim, der, mit dem Auge an einem Astloch in der Bretterwand, des Delhi-Mannes Untersuchung der Koffer wahrgenommen halte. Das war kein gewöhnlicher Dieb, der Briefe, Rechnungen und Sättel durchsuchte, auch kein gewöhnlicher Einbrecher, der ein kleines Messer seitwärts zwischen die Sohlen von Mahbubs Pantoffeln schob und die Nähte der Satteltaschen so geschickt durchstach. Zuerst wollte Kim den Alarmruf geben – das langgedehnte »Cho-or cho-or!« (Diebe! Diebe), der nachts das Serai sofort auf die Beine bringt; aber er bedachte sich und zog, die Hand auf dem Amulett, seine eigenen Schlüsse.

      »Es muß sich um den Stammbaum handeln, um diese faustdicke Pferdelüge,« dachte er, »das Ding, das ich nach Umballa trage. Besser wir gehen gleich. Die mit dem Messer Taschen untersuchen, könnten mit dem Messer auch bald Bäuche untersuchen. Höre! Höre!« flüsterte er dem leicht schlafenden, alten Manne ins Ohr. »Erhebe Dich. Es ist Zeit – Zeit nach Benares aufzubrechen.«

      Gehorsam erhob sich der Lama, und wie Schatten schwanden sie aus dem Serai.

      Kapitel 2.

       Inhaltsverzeichnis

      Sie betraten die festungsartige Eisenbahn-Station in tief dunkler Nacht. Die elektrischen Lichter flammten noch über dem Güterschuppen, wo die bedeutende Getreideverladung nach dem Norden abgefertigt wird.

      »Das ist das Werk von Teufeln,« sagte der Lama, schaudernd vor der hohl widerhallenden Dunkelheit, vor dem Glitzern der Schienen zwischen den Perrons von Backsteinen und vor dem Gewirre von Balken oben. Er stand in einer riesigen Steinhalle, die, wie es schien, mit übereinander gehäuften Toten gepflastert war, Passagieren dritter Klasse, die ihre Fahrkarten am Abend genommen hatten und in den Warteräumen schliefen. Alle Stunden bei Nacht und Tag sind den Orientalen gleich, und demgemäß ist der Reiseverkehr geordnet.

      »Hierher kommen die Feuerwagen. Hinter dem Loch steht einer,« Kim wies nach der Billetausgabe – »der Dir ein Papier geben wird, das Dich nach Umballa bringt.«

      »Aber wir wollen nach Benares,« sagte ängstlich der Lama.

      »Ganz gleich. Benares also. Rasch! Er kommt.«

      »Nimm Du die Börse.«

      Der Lama, nicht so vertraut mit Eisenbahnzügen, wie er behauptet, fuhr zurück, als der 3 Uhr 25 Frühzug nach dem Süden in die Station brauste. Die Schläfer wurden lebendig, die Station war voll Tumult und Lärm; dazwischen Geschrei der Wasser-und Kuchenverkäufer, Rufe der eingeborenen Polizisten, Zetern der Weiber, die ihre Körbe, Kinder und Männer zusammen suchten.

      »Es ist der Zug – nur der Zug. Er tut uns nichts. Warte hier.« Erstaunt über des Lamas wunderliche Naivität (er hatte ihm einen kleinen Sack ganz voll Rupien gegeben), holte und bezahlte Kim ein Billett nach Umballa. Ein verschlafener Beamter knurrte und warf ein Billett für die nächste Station, sechs Meilen entfernt, hinaus.

      »Nein,« sagte Kim, es mit einem Grinsen betrachtend. »Das magst Du Bauern bieten, ich aber lebe in der Stadt Lahore. Du hast es geschickt gemacht, Babu. Nun gib das Billett nach Umballa!«

      Der Babu brummte, gab aber das richtige Billett.

      »Nun noch eins nach Amritzar,« rief Kim, der nicht einsah, weshalb er Mahbub Alis Geld an so etwas Überflüssiges wie eine bezahlte Reise nach Umballa verschwenden sollte. »Der Preis ist so viel, die kleine Münze, die man zurück bekommt, so viel. Ich weiß Bescheid mit den Eisenbahnen… Niemals hat ein Yogi einen Chela so nötig gehabt wie Du,« redete er lustig weiter zu dem bestürzten Lama. »Bei Mian Mir würden sie Dich hinausgeworfen haben, hätte ich nicht für Dich gesorgt. Dies ist der Weg. Komm!« Kim gab das Geld zurück und behielt nur eine Anna von jeder Rupie des Preises der Fahrkarte nach Umballa, als seine Kommission – die uralte Kommission von Asien.

      Der Lama zögerte vor der offenen Türe eines überfüllten Wagens dritter Klasse. »Wäre es nicht besser, wir gingen?« fragte er schüchtern.

      Ein stämmiger Sikh, Handwerker, streckte seinen bärtigen Kopf hinaus. »Fürchtet er sich? Fürchte Dich nicht. Ich weiß noch die Zeit, wo ich mich vor dem Zug fürchtete. Steig ein! Dies ist ein Werk der Regierung.«

      »Ich fürchte mich nicht,« sprach der Lama. »Habt Ihr noch Platz für Zwei?«

      »Nicht einmal Platz für eine Maus,« keifte die Frau eines wohlhabenden Farmers, eines Hildu-Jat aus dem


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