Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг

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Du Verdienst erworben, und der Stier wird kommen Dich zu belohnen.«

      »Nein – nein – es war nur ein Märchen, das mir, zum Scherz vielleicht, erzählt wurde. Aber ich will den Stier bei Umballa herum suchen, und Du kannst Umschau halten nach Deinem Fluß und vom Gerassel des Zuges Dich erholen.«

      »Kann sein – daß der Stier es weiß – und daß er gesendet ist, uns beide zu führen,« sprach der Lama, hoffnungsvoll wie ein Kind. Dann –« zu der Gesellschaft sich wendend – und auf Kim deutend – »Dieser hier ward mir erst gestern gesendet. Er ist nicht, so glaube ich, von dieser Welt.«

      »Bettler habe ich haufenweise getroffen und heilige Männer noch obendrein,« sagte die Frau, »aber noch niemals so einen Pogi oder so einen Chela.«

      Ihr Gatte berührte seine Stirn leicht mit einem Finger und lächelte. Aber als der Lama das nächste Mal zu essen wünschte, gaben sie ihm ihr Bestes hin.

      Und endlich – ermüdet, staubig und schläfrig – erreichten sie Umballa.

      »Wir bleiben hier wegen eines Prozesses,« sprach des Farmers Frau zu Kim. »Wir wohnen bei meines Mannes Vetters jüngerem Bruder. Es ist Platz für Deinen Pogi und für Dich im Hofraum. Wird – wird er mir seinen Segen geben?«

      »O, heiliger Mann! Eine Frau mit einem goldenen Herzen gibt uns Unterkunft für die Nacht. Es ist ein freundliches Land, dieses Land des Südens. Sieh, wie uns seit Tagesgrauen schon geholfen wurde.«

      Der Lama beugte mit einer Segnung sein Haupt.

      »Sollen wir meines Vetters jüngeren Bruders Haus mit Vagabunden füllen?« murmelte der Mann, seinen schweren Bambusstock schulternd.

      »Deines Vetters jüngerer Bruder ist meines Vaters Vetter noch Geld schuldig von seiner Tochter Hochzeitsfest,« antwortete schnippisch die Frau. »Laß ihn ihr Futter auf dies Konto schreiben. Der Pogi wird auch zweifellos betteln.«

      »Oho, ich bettle für ihn,« sagte Kim, bestrebt, den Lama baldmöglichst für die Nacht unter Obdach zu bringen, um selbst Mahbub Alis Engländer zu finden und sich von des weißen Hengstes Stammbaum zu befreien.

      »Nun,« sagte er, als der Lama in dem inneren Hofe eines anständigen Hindu-Hauses hinter den Kasernen verankert war, »nun gehe ich eine Weile fort, um – um Lebensmittel im Bazar einzukaufen. Streife nicht umher, bis ich zurück bin.«

      »Wirst Du zurückkehren? Wirst Du gewiß zurückkehren?« Der alte Mann hielt ihn am Handgelenk fest. »Und wirst Du in dieser selben Gestalt zurückkehren? Ist es zu spät, heute noch nach dem Strom auszuschauen?«

      »Zu spät und zu dunkel. Beruhige Dich. Denke, wie weit Du schon auf dem Wege bist, wohl hundert Kos schon von Lahore.«

      Kim stahl sich hinaus und fort – eine Gestalt, so unauffällig, als wohl je eine ihr eigenes und das Geschick einiger tausend anderer um den Nacken geschlungen trug. Mahbub Alis Beschreibung ließ ihm wenig Zweifel über das Haus, in dem sein Engländer wohnte, und ein Groom, der ein Dogcart vom Club heimbrachte, machte ihn vollständig sicher. Es blieb nur übrig, seinen Mann zu identifizieren. Kim schlüpfte durch die Gartenhecke und legte sich auf einen Haufen weiches Gras dicht an der Veranda. Das Haus strahlte von Licht, Diener bewegten sich um die mit Blumen, Kristall und Silber geschmückten Tafeln. Ein Engländer im Dinneranzug kam heraus und summte eine Melodie. Es war zu dunkel, um sein Gesicht zu sehen, so versuchte Kim ein Bettler-Experiment:

      »Wohltäter der Armen!«

      Der Mann trat schnell zurück, auf die Stimme zu.

      »Mahbub Ali sagt –«

      »Ha, was sagt Mahbub Ali?« Er machte keinen Versuch, den Sprecher zu sehen; das zeigte Kim, daß er Bescheid wußte.

      »Der Stammbaum des weißen Hengstes ist vollständig festgestellt.«

      »Welcher Beweis dafür?« Der Engländer hieb mit seiner Gerte gegen die Rosenhecke an der Seite der Auffahrt.

      »Mahbub Ali gab mir diesen Beweis.« Kim warf das Päckchen zusammengefaltetes Papier in die Luft; es fiel neben dem Manne zur Erde, der den Fuß darauf stellte, als ein Gärtner um die Ecke bog.

      Als der Diener vorüber war, hob er es auf, ließ eine Rupie fallen (Kim hörte den Klang) und schritt ins Haus, ohne sich umzudrehen. Rasch hob Kim das Geld auf; war aber, obschon als Inder aufgezogen, Irländer genug von Geburt, um Silber als das weniger Bedeutende bei einer Intrigue anzusehen. Was er wollte, war der sichtbare Effekt der Tat; und so, statt sich hinweg zu schleichen, legte er sich platt ins Gras und schlängelte sich an das Haus heran.

      Er sah – indische Bungalows sind durch und durch offen – den Engländer in ein kleines Ankleidezimmer in eine Ecke der Veranda treten, das zugleich Bureau schien, denn Papiere und Depeschentaschen lagen verstreut umher – sich setzen und Mahbub Alis Botschaft studieren. Sein Gesicht, im vollen Licht der Petroleumlampe, veränderte, verdüsterte sich, und Kim, geübt wie jeder Bettler sein muß, Gesichter zu beobachten, nahm gute Notiz davon.

      »Willy! Lieber Willy!« rief eine Frauenstimme.

      »Du solltest in den Salon kommen. Sie können jeden Augenblick eintreffen.«

      Der Mann las eifrig weiter.

      »Willy!« rief die Stimme fünf Minuten später. »Er kommt. Ich höre die Reiter in der Avenue.«

      Der Mann eilte barhäuptig hinaus, als ein großer Landauer, gefolgt von vier eingeborenen Reitern vor der Veranda hielt und ein stattlicher schwarzhaariger Mann gerade wie ein Pfeil sich hinaus schwang; ihm voraus ein junger, freundlich lächelnder Offizier.

      Platt auf dem Bauche lag Kim, fast die hohen Räder berührend. Sein Mann und der dunkelhaarige Fremde wechselten einige Worte.

      »Aber natürlich, mein Herr. Alles muß zurückstehen, wenn es sich um ein Pferd handelt,« sprach höflich der junge Offizier.

      »Wir brauchen kaum mehr als zwanzig Minuten,« sagte Kims Mann. »Sie können die Honneurs machen – sorgen, daß man sich amüsiert und so weiter.«

      »Heißt einen der Soldaten warten,« sagte der schlanke Mann, und die beiden traten in das Toilettenzimmer. Der Landauer rollte weg. Kim sah ihre Köpfe über Mahbub Alis Schreiben gebeugt und hörte ihre Stimmen – die eine leise und ehrerbietig, die andere scharf und bestimmt.

      »Es ist keine Frage von Wochen. Es ist eine Frage von Tagen – von Stunden beinahe. Ich erwartete es seit einiger Zeit, aber dies – er tippte auf Mahbub Alis Papiere – macht der Sache ein Ende. Grogan speist heute hier?«

      »Ja, Herr, und auch Macklin.«

      »Sehr gut. Ich selbst will mit ihnen sprechen. Die Angelegenheit wird dem Rate unterbreitet werden, natürlich; doch ist dies ein Fall, wo man annehmen darf, daß wir berechtigt sind, sofort zu handeln. Benachrichtigen Sie die Pindi-und Peshawur-Brigaden. Es wird die Sommer-Urlaubsliste sehr aus der Ordnung bringen, aber das können wir nicht ändern. Das kommt davon, daß wir sie nicht gleich das erste Mal völlig niedergeschmettert haben. – Acht Tausend sollten genügen.«

      »Und Artillerie, Herr?«

      »Ich muß mit Macklin beraten.«

      »Es bedeutet also Krieg?«

      »Nein. Bestrafung. Wenn ein Mann durch das Tun seines Vorgängers gebunden ist –«

      »Aber C 25 kann gelogen haben.«

      »Er bestätigt die Mitteilung des anderen. Tatsächlich zeigten sie ihr Spiel schon vor sechs Monaten. Devenish aber war nicht abzubringen davon – es sei noch ein Ausweg zum Frieden zu finden. Natürlich benutzten sie dies, sich zu verständigen. Senden Sie diese Telegramme sofort ab – nach dem neuen Code – nicht dem alten – dem von mir und Wharton. Ich meine, wir brauchen die Damen nicht länger warten zu lassen. Wir können das Übrige bei der Zigarre abmachen. Ich wußte, daß es so kommen würde. Es ist Strafe – nicht Krieg.«

      Als der Reiter fortgetrabt war, kroch Kim um die Ecke nach der Rückseite des Hauses, wo er, nach seinen


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