Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг

Gesammelte Werke von Rudyard Kipling - Редьярд Киплинг


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Tarvin mußte seinen alten Platz neben ihr einnehmen und erhielt Befehl, sie sehr gut zu unterhalten, worauf er bereitwillig einging, indem er ihr eine sehr erfolgreiche Expedition schilderte, die er einmal in das Felsengebiet gemacht hatte. Was er dabei suchte, Silber, hatte er zwar nicht gefunden, aber wenigstens einige ganz ungewöhnlich große Amethyste.

      »Was Sie sagen! Nein, Sie Glückspilz, davon müssen Sie mir noch viel erzählen! Amethyste? Wirkliche, lebendige? Ich hatte keine Ahnung, daß in Colorado Amethyste gefunden würden!«

      In ihren Augen funkelte ein merkwürdiger Glanz, es war geradezu leidenschaftliche Begehrlichkeit. Tarvin fing den Blick auf – war das Ihr schwacher Punkt? Nun, wenn dem so war – von Edelsteinen wußte er genug, zu erzählen, sie waren ja eine von den »natürlichen Hilfsquellen« seiner geliebten Stadt! Wenn das sie fesselte, davon konnte er vom Morgen-bis zum Abendläuten reden! Ob man damit die drei C. würde nach Topaz locken können? Es flog ihm durch den Kopf, daß man sich in Form eines Hochzeitsgeschenks niedlich machen könnte; vor seinen Augen flimmerte ein von der Handelskammer überreichtes Diadem von Diamanten, aber er verwarf den tollen Einfall so rasch, als er ihm aufgestiegen war. Nein, nein, öffentliche Ehrengaben thaten’s nicht, hier war nur geheime Diplomatie am Platz, und man mußte sehr vorsichtig, sehr zartfühlend sein, ganz ruhig und freundschaftlich vorgehen, mit leisem Finger da und dort anpochen, um dann plötzlich mit raschem Griff zuzufassen, kurz, ein Fall für Nikolas Tarvin, den einzigen Mann auf Erden, der das leisten konnte! Er sah sich im Geist seinen Mitbürgern die C. C. C. zuführen, unerwartet, glanzvoll, wie ein königlicher Geber, und sah sie durch desselben Nikolas Tarvins alleinige Kraft ausgeführt, er sah sich als den Gründer kommender Größe seiner geliebten Stadt. Er sah Rustler verödet und verlassen, sah den Eigentümer eines gewissen Grundstücks von dreiundzwanzig Morgen als Millionär vor sich!

      Seine Phantasie verweilte ein wenig bei dem betreffenden Grundstück: leicht war das Geld nicht verdient worden, womit er’s gekauft hatte, und am letzten Ende ist Geschäft immer Geschäft. Einen Teil davon konnte man als Bauplatz für ein Maschinenhaus an die C. C. C. verkaufen, wenn diese wirklich kam, das übrige als Bauplätze für Wohnhäuser. Das war keine unangenehme Vorstellung, über es war nicht die Hauptsache, sein höchster Traum war Topaz. Wenn es wahr ist, daß die Vorsehung ihre Hilfe immer dann schickt, wenn sie am nötigsten ist, und dahin, wo sie am meisten gewürdigt wird, hier konnte der Satz einmal bestätigt werden!

      Jetzt fiel ihm erst auf, was für ungewöhnliche Ringe Frau Mutrie trug. Es waren ihrer nicht besonders viele, aber die Steine erlesen schön. Er wagte es, den ungeheuren Solitär an ihrer linken Hand zu bewundern, worauf sie den Ring abstreifte, daß er ihn genauer sehen könne. Dieser Diamant habe eine Geschichte, sagte sie. Ihr Vater hatte ihn einem Schauspieler abgekauft, einem Tragöden, der in Denver, Topeka, Kansas und St. Io vor leeren Häusern gespielt und in Omaha vollends schlechte Geschäfte gemacht hatte. Der Wert des Steines hatte hingereicht, um die Heimreise nach New York für die ganze Truppe zu bestreiten, und das war offenbar die einzige wirkliche Gutthat, die der Stein seinen Besitzern je erwiesen hatte. Der Tragöde hatte ihn nämlich einem Spieler abgewonnen, der einen andern im Streit darum niedergestochen hatte; der Mann, der für diesen Stein sein Leben hatte lassen müssen, hatte ihn sehr billig von einem durchgebrannten Commis eines Juwelenhändlers gekauft.

      »Der Vollständigkeit halber sollte er schon aus den Minen, etwa aus Kimberley, herausgeschmuggelt worden und durch einen I. D. B. unter die Leute gekommen sein; finden Sie nicht, Herr Tarvin?«

      Sie stellte ihre Fragen mit hochgezogenen Brauen und einem Zustimmung heischenden Lächeln: eine Forderung, die von Tarvins Seite immer rasch erfüllt wurde. Wenn sie Behauptungen aufgestellt hätte, die Galilei und Newton Lügen gestraft hätten, Tarvin würde ihr jetzt vollständig Recht gegeben haben. Er saß beobachtend und abwartend neben ihr, alle Willenskraft angespannt, wie der Jäger auf Anstand.

      »Ich sehe oft lang in den Stein hinein,« plauderte Frau Mutrie weiter, »und suche, ob sich die Verbrechen, die er mit angesehen hat, nicht drin spiegeln! Ich finde sie prachtvoll gruselig, besonders den Mord – ist das nicht auch Ihr Geschmack, Herr Tarvin? Aber das Liebste ist mir doch der Stein an und für sich – er ist wirklich wunderschön, nicht wahr? Mein Papa sagt, es sei der schönste, der ihm je vor Augen gekommen sei, und in einem Gasthof bekommt man gute Diamanten zu sehen!«

      Dabei liebäugelte sie zärtlich mit dem klaren Wasser des Steins.

      »Es gibt doch nichts Herrlicheres als schöne Steine!« tief sie aus Herzensgrund mit leuchtenden Augen – zum erstenmal war der Klang ihrer Stimme ganz unbefangen und natürlich. »Einen tadellosen Stein könnte ich fortwährend ansehen, aus der Fassung dagegen mache ich mir nicht viel, es handelt sich mir nur um den Stein. Papa wußte wohl, wie ich edle Steine liebe, und lag immer auf der Lauer, von seinen Gästen welche zu erhandeln. Handlungsreisende haben nämlich eine große Vorliebe für Schmuck, aber in der Regel wissen sie einen guten Stein nicht von einem schlechten zu unterscheiden; dadurch kam Papa manchmal zu einem sehr guten Geschäft,« setzte sie, die Lippen nachdenklich kräuselnd, hinzu. »Er nahm immer nur wirklich Gutes und vertauschte es gegebenenfalls gegen noch Besseres. Zwei oder drei Steine gab er gern gegen einen ganz klaren, wenn sie nur die geringsten Flecken hatten – er wußte ja, daß ich mir nur aus den tadellosen etwas mache. Die liebe ich aber auch! Die sind einem mehr als viele Bekannte! Man hat sie immer bei sich und sie sind immer gleich schön!«

      »Ich wüßte von einem Halsband, das Ihnen gefallen würde, wenn Sie Freude an derlei Sachen haben,« bemerkte Tarvin ruhig.

      »Wahrhaftig?« rief sie freudestrahlend. »O, wo ist es?«

      »Weit, weit von hier.«

      »Ach, bei Tiffany! Sie wollen mich reizen,« rief sie wieder, in den gekünstelten Ton verfallend.

      »Nein, viel weiter fort.«

      »Wo denn?«

      »In Indien.«

      Einen Augenblick starrte sie ihn prüfend an.

      »Bitte, beschreiben Sie mir’s!« sagte sie dann mit wahrer Inbrunst. Wieder waren Haltung und Ton ganz verändert, es gab wirklich etwas, was ihr heiliger Ernst war! »Ist es wirklich so schön?«

      »Das Schönste auf der Welt.«

      »Und woraus besteht es? Spannen Sie mich doch nicht auf die Folter!«

      »Es besteht aus Diamanten, Perlen, Rubinen, Opalen, Türkisen, Amethysten, Saphiren, ein Seil voll! Die Rubinen sind so groß wie Ihre Faust und die Diamanten ungefähr wie Hühnereier. Es wäre ein Lösungsgeld für einen König!«

      Die junge Frau schnappte förmlich nach Luft.

      »Oh!« seufzte sie nach einer langen Pause und dann wieder: »Oh!« ein verwundertes, sehnsüchtiges schmachtendes Oh! »Und wo ist es?« fragte sie dann jählings.

      »Am Hals eines Götzenbilds in der Provinz Radschputana. Möchten Sie es haben?« fragte Tarvin.

      Sie lachte hell auf. »O ja,« rief sie.

      »Dann werd’ ich’s Ihnen verschaffen,« erklärte er einfach.

      »O Sie…« schmollte sie.

      »Ich werde es Ihnen verschaffen,« wiederholte Tarvin.

      Sie warf das hübsche blonde Köpfchen zurück und lachte zu den gemalten Putten an der Decke des Wagens hinauf. Sie warf immer den Kopf zurück, wenn sie lachte; ihr weißes Hälschen nahm sich so hübsch aus dabei.

      Viertes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Präsident stieg im Bahnhotel von Topaz ab und blieb den nächsten Tag da. Sheriff und Tarvin nahmen ihn ganz in Beschlag, zeigten ihm die Stadt und wiesen ihm ihre sogenannten natürlichen Hilfsquellen nach. Die Herren waren zur Stadt hinausgeritten, und jetzt veranlaßte Tarvin den Präsidenten zu einem Halt, um ihm angesichts der weiten Ebene und der schneebedeckten Berggipfel auseinanderzusetzen,


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