Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг

Gesammelte Werke von Rudyard Kipling - Редьярд Киплинг


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Staffage in einem herrlichen Landschaftsbild sei, für Tarvin war diese Landschaft nichts als ein zufälliger und im Notfall entbehrlicher Rahmen für Topaz; einer seine vielen Vorzüge höchstens, eine ihrer Besonderheiten, wie das Klima, der Breitegrad und die Handelskammer.

      Im Heimwärtsreiten nannte er dem Präsidenten die Namen der Berggipfel; er zeigte ihm, wo der große Bewässerungskanal seinen Zufluß von den Bergen aufnahm, wie er im Schatten der niedersten Hügelreihe blieb, bis er in die Ebene von Topaz heraustrat, er nannte ihm die Zahl der Kranken, die das Spital jährlich verpflegte, und machte den hohen Krankenstand bescheiden als weiteren Beleg für das Blühen und Gedeihen der Stadt geltend. In den Straßen machte er ihn dann auf das Opernhaus, das Postamt, das Schul-und Gerichtsgebäude aufmerksam, ohne dabei mehr Eitelkeit zu entfalten, als eine Mutter, die ihren Erstgeborenen vorführt.

      Wenn er dem Präsidenten nicht die geringste Sehenswürdigkeit erließ, so geschah es nicht nur, um die Verdienste von Topaz geltend zu machen, sondern nicht minder, um seinen eigenen Gedanken zu entfliehen. Durch all die Zuversicht und Beredsamkeit hindurch machte sich in seinem Innern eine ganz andre Stimme vernehmlich, und das klare Bewußtsein, daß sein Werben hier vorläufig vergeblich war, erneuerte die Bitterkeit einer andern vergeblichen Werbung. Er hatte Käte seit seiner Rückkehr von der Wahlversammlung gesprochen und wußte nun, daß höchstens ein Wunder sie abhalten konnte, in drei Tagen nach New York abzureisen. In Groll und Verzweiflung, sowie Entrüstung über den Mann, der das zuließ, hatte er endlich mit Sheriff gesprochen und den Vater bei allem, was ihm heilig war, angefleht, das Unheil zu verhüten. Es gibt aber lappige Stoffe, die auch durch Steifleinwand keinen Halt bekommen, und so gern sich Sheriff seinem Gegner verpflichtet hatte, eine Kraftübertragung ließ sich nicht ausführen, so viel Tarvin auch abzugeben hatte. Die Unterredung mit Käte und der vergebliche Versuch bei ihrem Vater hatten ihm ein erbärmliches Gefühl von Hilf-und Machtlosigkeit hinterlassen, nur ein großer Erfolg auf anderm Gebiet hätte ihm den frischen Mut zurückgeben können. Er lechzte denn auch danach, und es hatte ihm wohlgethan, den Präsidenten in Angriff nehmen zu können, obwohl er im voraus gewußt hatte, daß er in diesem Fall nichts ausrichten werde.

      So lang er für Topaz kämpfte, konnte er Käte vergessen, aber als er sich jetzt von Mutrie verabschiedete, fiel ihm das Leid um sie von neuem schwer aufs Herz. Sie hatte ihm versprochen, heute nachmittag an einem Ausflug nach den Heißen Quellen teilzunehmen, sonst hätte er wohl Topaz Topaz sein lassen und sich nicht mehr um den Präsidenten gekümmert. So schwebte ihm dieser Ausflug wie ein letzter tröstlicher Hoffnungsschimmer vor, er wollte all seine Kraft einsetzen, Käte umzustimmen, er konnte nicht glauben, daß seinem Willen Unbezwingliches gegenübertrete, konnte nicht glauben, daß sie gehen würde!

      Der Ausflug war geplant worden, um dem Präsidenten und seiner Frau zu zeigen, daß ein Zukunfts-Topaz, wenn alle Stränge rissen einen vorzüglichen Winterkurort abgeben würde, und Frau Mutrie hatte die Aufforderung mit Vergnügen angenommen und den Gatten dafür bestimmt. Im Gedanken, daß er um jeden Preis ungestört mit Käte sprechen müsse, hatte Tarvin außer Sheriff noch drei andre Herren eingeladen, den Postmeister Maxim, Heckler, den Verleger der Topazer Zeitung, beide mit ihm im Vorstand der Handelskammer, und einen liebenswürdigen jungen Engländer Namens Carmathan. So hoffte er, ohne Schaden für Topaz ein halbes Stündchen für Käte zu gewinnen, ja er sagte sich, es sei vielleicht recht gut, wenn dem Präsidenten andre Gesichtspunkte eröffnet würden, und Heckler war ganz der Mann dazu.

      Der junge Carmathan, der vor zwei Jahren nach Topaz gekommen, war, wie man in England sagt, ein jüngerer Sohn, der sich irgendwo ansiedeln wollte und sich die Viehzucht als Beruf erkoren hatte. Was er dazu mitgebracht hatte, waren ein Paar Wasserstiefel, eine Reitpeitsche und zweitausend Dollars in bar gewesen. Das Geld hatte er schleunigst verloren, dafür hatte er gelernt, daß man zum Viehtreiben keine Reitpeitschen braucht, und diese Lehre wie andre nützliche Kenntnisse verwendete er zur Zeit im Beruf eines Cowboys auf einer benachbarten Ranche. Er verdiente dabei dreißig Dollars im Monat und nahm sein Geschick mit der weisen Gelassenheit hin, die den eingeborenen wie den eingewanderten Bürger des Westens kennzeichnet. Käte schätzte an ihm den Stolz, der ihn abhielt, sich auf bequemere Weise Geld zu verschaffen, nämlich sich’s von zu Hause schicken zu lassen, und hatte sein frisches, zuversichtliches Wesen gern. Die erste halbe Stunde Weges ritt er denn auch an ihrer Seite, während Tarvin Herrn und Frau Mutrie auf die zackigen Felsen aufmerksam machte, denen sie rasch näher kamen. Er zeigte ihnen die Minengänge, die in großer Höhe ins Gestein eindrangen, und erklärte die geologische Bildung des Gebirgszugs mit der rein praktischen Sachkenntnis des Mannes, der Minen gekauft und verkauft hat. Die Straße zog sich längs der Topaz jetzt schon berührenden Eisenbahnlinie hin und überschritt diese mehrmals, wie Tarvin bemerkte, genau in dem Winkel, den die C. C. C. zu nehmen haben werde. Einmal rasselte ein Güterzug an ihnen vorüber, der sich schnaubend und pustend die Höhe hinanwand. Eine enge Klause bildete den ersten Einlaß in das Bergland: danach öffneten sich die Klippen wieder weiter, um sich zwanzig Meilen tiefer in einen gewaltigen Canon Über dem Abgrund fast zusammenzuschließen. Die in geschwungener Linie zu Häupten der Gesellschaft aufragenden Felsgipfel bildeten bald knorrige Kuppen, bald waren sie tief eingeschnitten, um dann wieder schlank und spitzig himmelan zu streben. Meist war es kahles Gestein, dessen dunkelrote, braune, ockerfarbig und violette Töne bald hart nebeneinander standen, bald durch lichtere Farben verschmolzen waren.

      Tarvin blieb jetzt zurück und brachte sein Pferd an Kätes Seite, worauf Carmathan, mit dem er auf freundschaftlichem Fuße stand, ihm sofort das Feld räumte und sich dem vorderen Trupp zugesellte. Kätes sprechende Augen flehten zwar deutlich, ihr wie sich selbst die Qual des endlos erneuten Streits zu ersparen, aber Tarvins Gesicht verriet finstere Entschlossenheit. Auch eines Engels Stimme würde ihn nicht von seinem Vorhaben abgebracht haben.

      »Ich weiß es wohl, Käte, daß ich dir lästig bin, aber ich muß über die Sache sprechen, ich muß dich retten.«

      »O bitte, Nick, mach keinen weiteren Versuch mehr,« bat sie sanft. »Bitte, bitte, thu’s nicht! Du willst mich retten, und doch ist’s mein Heil, daß ich gehe! Ich will, ich muß! Wenn ich drüber nachdenke, ist mir’s oft, als ob ich eigens dafür in die Welt gesetzt worden wäre. Jeder Mensch hat doch eine Bestimmung darin zu erfüllen, meinst du nicht, Nick, und wenn’s eine noch so bescheidene, unscheinbare, niedrige wäre? Ich muß diese erfüllen – mach mir’s nicht schwer, sondern leicht, Nick!«

      »Der Teufel soll mich holen, wenn ich das thue! Schwer will ich dir’s machen, Zentnergewichte will ich dir anhängen! Deswegen bin ich auf der Welt! Alle andern geben dir ja nach, Vater und Mutter lassen dich machen, was du willst, dein kleiner Nickel von Willen setzt alles durch! Sie haben ja aber keine richtige Vorstellung davon, worauf du dein liebes Köpfchen gesetzt hast, und wenn du dir’s einrennst, kann ich’s nicht wieder ganz machen. Deshalb muß ich handeln, solang es Zeit ist, muß es auf mich nehmen, daß du mich abscheulich findest!«

      Käte lachte.

      »Ja, Nick, du bist abscheulich, aber es mißfällt mir nicht an dir! Ich glaube, es thut mir wohl, daß dir so viel daran liegt, und wenn ich einem Menschen zuliebe da bleiben könnte, so wär’s deinetwegen. Das glaubst du mir doch?«

      »Ich glaube dir alles und danke dir obendrein für das gute Wort, aber was hab’ ich davon? Daß du meinetwegen am ehesten bliebest, nützt mir nicht viel, wenn du trotzdem gehst!«

      »Ich weiß es wohl, Nick, ich weiß es. Aber Indien braucht mich noch nötiger als du, das heißt nicht mich, aber was ich leisten kann, was Frauen wie ich leisten können. Der Ruf nach Hilfe ist nun einmal an mein Ohr gedrungen und in mein Herz, und solang ich ihn höre, kann ich nicht froh werden, außer wenn ich ihm folge. Ich könnte ja deine Frau sein, Nick, es würde mir nicht schwer fallen, aber mit dem Hilfeschrei im Ohr wär’s eine stete Qual.«

      »Das ist hart gegen mich,« sagte Nick, wehmütig zu den überhängenden Felsen hinaufschielend.

      »Nein, nein, mit dir hat es gar nichts zu schaffen!«

      »Das ist’s ja gerade,« stieß er zwischen zusammengepreßten Lippen heraus.

      Sie mußte unwillkürlich lächeln, als sie ihn ansah.

      »Wenn dir’s wohlthut,


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