Krimis & Erotische Erzählungen. Walter Serner

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deutliche Anzeigen ihrer Gunst.

      Da erklärlicher Weise nun Herr Schmalzberger sich ein Vergnügen daraus machte, Nierenräumers Zeche zu begleichen, stieg dessen Selbstvertrauen derart, daß er durch einen vom Kellner besorgten Brief Professor Traumdotter um ein Darlehen von zwanzig Mark anging.

      Sohin war Nierenräumer in der Lage, es sich nicht nehmen zu lassen, die Herrschaften Schmalzberger im Wagen nach Hause zu bringen. Dieses hatte das unvermeidliche Resultat, daß eine Einladung zum Abendessen für den nächsten Tag erfolgte.

      Bei dieser Gelegenheit faßte Nierenräumer dadurch, daß er eine von der Hand Pippas gemalte Öllandschaft augenblicklich als von Liebermann beeinflußt erkannte und der Überzeugung Ausdruck gab, es wäre gleichwohl ein sehr starker persönlicher Strich vorhanden, vollends festen Fuß.

      Nach drei Tagen war die Familie Schmalzberger endgültig von Nierenräumer entzückt.

      Desgleichen Professor Traumdotter, der den Rat des für die Bewegung so hoffnungsvollen jungen Mannes in bezug auf den Proporz im Besonderen und auf das unter seiner Feder befindliche Werk ›Das sabotistische Kampfmittel und die Internationale‹ im Allgemeinen mehrmals erfolgreich in Anspruch nahm.

      Entzückt waren ferner: drei bei Schmalzbergers verkehrende Familien, denen die junge Leuchte Nierenräumer eilig präsentiert wurde, nicht ohne gewisse zarte Anspielungen auf eine im Bereich des Naheliegenden befindliche Verlobung; und unabwendbarer Weise die um Professor Traumdotter, jener gewählte Kreis angehender oder bereits im besten Arrivieren sich befindender Nationalökonomen und Karriere-Sozialisten.

      Nach acht Tagen hatte jedoch dieses Entzücken ein jähes Ende: Nierenräumer war verschwunden.

      Und zwar nach Berlin. Allwo er mit dem immerhin größeren Betrag von 1210 Mark eintraf, den er an einem Vormittag sämtlichen in Betracht kommenden, weil von ihm entzückten Breslauer Persönlichkeiten unter Vorweisung einer Depesche, derzufolge fünfhundert Mark aus Dresden an ihn unterwegs seien, klug verteilt abgenommen hatte.

       Diese Depesche hatte er telephonisch von jenem Fräulein bestellt, das ihm nun auf dem Schlesischen Bahnhof um den Hals und auf der Straße schon auf die Nerven fiel, da sie unausgesetzt die Anschauung vertrat, hintergangen worden zu sein.

      »Hätte ich dich in diesem Fall kommen lassen?« Nierenräumer beseufzte die Schwierigkeit, ein ruhiges unregelmäßiges Leben führen zu können.

      »Du bist eben schon fertig in Breslau.«

      »Richtig. Dort bin ich fertig.«

      »Außerdem bist du erst seit vierzehn Tagen von Dresden weg und nicht schon seit drei Wochen.«

      »Lydia, ich bitte dich um eins: gehe nicht meinen Spuren nach, sondern folge dem Zuge deines Herzens.«

      »Wenn du glaubst, daß du mich wieder mit solchen Alfanzereien fängst, dann täuschst du dich.«

      »Warum bist du denn nicht in Dresden geblieben?« Nierenräumer wurde schon alles egal.

      »Niri!« Lydias Blick verschleierte sich unerwartet. »Du bist doch meine große Schwäche. Das weißt du nur zu gut. Sag mir bitte jetzt bloß, was du in diesen acht Tagen in Dresden gemacht hast.«

      »Pläne.«

      »Das glaub, wer mag.«

      »Mag!«

      »Niri!«

      »Hier!« Nierenräumer, am Rande seiner Geduld, zeigte ein pralles Portefeuille, in dem sich jedoch für alle Fälle nur fünfhundert Mark befanden.

      »Du warst also wirklich nicht mit der Rosa?«

      Nierenräumer schwieg verächtlich.

      Das imponierte Lydia zum Teil; zum Teil überredete sie sich, es wäre ein Beweis seiner Treue. Und sofort fiel ihr etwas ein, das sie endgültig überzeugte: »O, du hast ja bei Klunger einmal auf dem Billard geschlafen. Das hat mir Gustl erzählt. O, du warst also doch nicht mit der Rosa!«

      Nierenräumer zwang sich mühselig, keine Mimik aufzuweisen, und nahm Lydias Arm fest an sich. »Hör mal! Du erinnerst dich wohl noch an den Truc, den ich mit dir in der Kaiser-Bar in Dresden loslassen wollte. Jetzt ist das Handgeld dazu da. Ich glaube, die Kolibri-Bar in der Motzstraße wäre das geeignetste Lokal.«

      »Glaubst du, Liebling?«

      Angelisches

       Inhaltsverzeichnis

      Tarrish gähnte sperrangelweit.

      Manse jammerte leise. Plötzlich aber bekam sein gelbliches Balkangesicht Ölfarben. »Tarrish, du könntest mir Ange einmal borgen.«

      Tarrish, von je ein Unhold, zwinkerte geringschätzig. »Borgen? Nachgeschmissen kriegst du sie!« Hierauf aber legte ein erfreulicher Einfall einen zarten Schleier um seine alten Augen. »Hm, hier ließe sich eine überaus ergötzliche Kombination besorgen.«

      »Ergötzlich sagst du, Edler?« Manses erhöhtes Lebensgefühl äußerte sich stets hoftheaterhaft.

      »Ergötzlich, mein Freund, durchaus!« Tarrish lächelte pfiffig. »Ange ist nämlich nicht nur maskulin sehr bedürftig, sondern auch … Du ahnst es nicht, aber das gibt es … von astraler Demut.«

      »Type: kniefällige Schnepfe!«

      »Du sagst es, Freund. Hier blüht unermeßlich Heiterwolkiges.«

      Und sie berieten voll Eifer und einigten sich auf das Stichwort ›Corriere della Sera‹. Das Leben hatte für sie einen Abend lang wieder einen Sinn bekommen …

      Ange, halb Mignon halb Israel in den Zügen, beliebte andern Nachts sogleich Sphinxhaftes, als Tarrish ihr Manses schwarzen Haarschopf an den Kaffeehaustisch plazierte.

      Manse, darob durchaus nicht eingeschüchtert, gehabte sich balkaneskest. Resultat: Anges Rätselhaftigkeit verdünnte sich zusehends und verkicherte schließlich straks.

      Tarrish warf dieserhalb die ›Vie parisienne‹, gegen deren Gelesenwerden Ange sonst stets böse Mundwinkel spitzte, mit den Worten auf den Nebentisch: »Ein süßer Junge, dieser Manse, was?«

      Anges samtnes Auge beblitzte ihn vorwurfsspritzend.

      Tarrish, seiner Kennerschaft sicher, sagte leise: »Und doch.«

      Manse wackelte nunmehr überhaupt nur noch und verpulverte seine sämtlichen in Sofia und Paris wohl aufgefüllten Witz-und Geistreservoirs, fast allzu sichtlich Verheißungsvolles erzielend.

      Auf dem Wege nach ihrer Wohnung, wohin sie zum Tee gelockt hatte, watschelte Ange denn auch, wiewohl zwischen Tarrish und Manse, dennoch um vieles mehr an Manses Flügel; bremste schon auf der Treppe, um, von Tarrish unbeobachtet, Manse bestolpern zu können, was dieser multipliziert gelingen ließ; und drängte ihn, in ihrem Boudoir angelangt, schnell auf ein schmales Sofa und sich so daneben, daß Tarrish Outsider blieb.

      Alsbald schleckerte man Tee und Süßes und begrüßte Tarrish’ Vorschlag, für die Dauer einer Nacht Bruderschaft sich zu leisten, voll Jubel, ja repetierte die labiale Ausführung voll Ausdauer so lange, bis es derart auffiel, daß es schon egal war.

      Gleichwohl glaubte Ange stoppen zu müssen, indem sie sehr energisch eigene Dichtereien daherdeklamierte, die erklärlicher Weise sehr unanakreontisch verliefen.

      Dies und der Umstand, daß die Imponage so rundweg ausblieb, störten sie doch einigermaßen und drängten sie zur Weltanschauungswahl, die angesichts der allseits begehrlichen Lippen, inklusive die eigenen, schwerlich astral ausfallen konnte.

      Manse wagte deshalb einen Dreiminutenkuß in Phantasiepackung; und Tarrish, an die Reihe und in eine ähnliche Lage gekommen, entleerte einen Schluck Wein geübt durch die Lippen der vergeblich sich entsetzt Gebärdenden.

      Durch diese sinnigen Amüsements wurde der Zwang zur Wahl einer eindeutigen Haltung


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