Krimis & Erotische Erzählungen. Walter Serner

Krimis & Erotische Erzählungen - Walter Serner


Скачать книгу

      »Ich konnte nich ab. Jut jetafelt, nischt weiter.«

      Irgendetwas im Ton Winnies aber gefiel van Brenken nicht. Sofort entschlossen, sondierte er: »Du bist zu spät fort. Das war ein Fehler.«

      »Ach wieso. Du weißt doch, daß man nicht immer gleich drücken kann. Langsam, aber sicher. Nebenbei jesagt, bin ich schon um zwölf weg.«

      ›Trübe Sache!‹ Van Brenken hatte bis zwei Uhr nachts gewartet und wußte genug. Er kürzte die Unterredung, indem er heuchelte, einen neuen, ganz besonderen Plan zu haben, der bald ausgeführt, ihr aber nicht so rasch erklärt werden könne, und schickte sie Mister Kossick unter die Arkaden: sie möge sich nur auf ihn verlassen.

      Van Brenken beschoß, eine Depesche an Winnie aufzugeben, um sie auf die sicherste Probe zu stellen. Unterwegs verwarf er dieses Vorgehen, faßte einen neuen Entschluß, verwarf auch diesen und entschied sich endlich, noch bis morgen zu warten.

      Auf dem Quai Paradiso aber begrüßte ihn plötzlich sehr ernst Mister Kossick und bat ihn, noch ernster, mit ihm ein wenig zu promenieren.

      »Excuse me,« begann Mister Kossick nach kurzem Schweigen.

      » Ich Sie nicht habe noch gedankt for Ihre Freundlichkeit to gestern. Aber Sie begreifen und Sie hatten eine so sonderbares Blick. Sie kennen auch Winnie. Deshalb ich Sie habe angesprochen. Ich habe gemacht ihres Bekanntschaft in Trouville das vorige Sommer. Sie sein gewesen sehr nett. Sie haben jetzt verändert.« Er hielt inne, um die Wirkung dieser vorsichtigen Worte abzuwarten.

      Van Brenken machte sofort in Gentlemanlike: »Hätte ich Sie persönlich gekannt, so hätte ich selbstverständlich Winnies Bitte, Ihnen mitzuteilen, daß sie Sie erwarte, nicht erfüllt. So aber konnte ich sie einer Frau, die – einmal sehr nett war, nicht abschlagen.«

      »Yes. Ich verstehe. Sie haben recht … Allan Kossick ist meine Name.«

      Van Brenken nannte den seinen, sich lässig ein wenig verneigend, und blieb gleichfalls stehen.

      Mister Kossick lächelte vornehm. »Ich habe Winnie vor mehrere Minuten weggeschickt. For ever. Ich wissen jetzt, daß sie mich schon hat hintergegangen in Trouville und hier sie mich hat wieder hintergegangen. Ich habe ihr gegeben 250 Francs und sie hat mir gestohlen noch 600. Sie soll sie haben. Aber ich habe sie Angst gemacht. Und sie hat sehr schlecht geredet von Sie und mich gewollt überreden, mit ihr wegzufahren nach Mailand, weil Sie sie belästigen … Ich wissen nicht alles das da, was sie sagte, aber ich glaube …« Mister Kossick lächelte immer noch.

      Van Brenken übertrieb seine Überraschung um das Dreifache und tat, als faßte er sich dementsprechend schwer. »Ich danke Ihnen sehr, Mister Kossick, für Ihre liebenswürdige Orientierung, nach der ich mich zu richten wissen werde, und hoffe, noch das Vergnügen zu haben.«

      »Thank you. Ich werden sein froh, wenn Sie mir einmal im Hotel besuchen.«

      Kaum allein, raste van Brenken in Winnies Pension: Winnie war seit gestern nicht nach Hause gekommen.

      Van Brenken raste in sein Hotel: Winnie saß in seinem Zimmer, rauchte gemächlich und trank Tee.

      »Endlich! Wir müssen fort! Und zwar augenblicklich!« Winnie stand wichtig und sicher auf.

      Van Brenken setzte sich ruhig. »Warum?«

      »Ich habe ihm soeben vier Blaue jeklaut. Hier!« Winnie ließ vier Hundertfrancs-Scheine flattern.

      »Sauluder!« Van Brenken entriß ihr die Scheine, gab ihr eine knallende Ohrfeige und warf sie aus dem Zimmer, Jacke, Hut und Schirm hinterdrein.

       Dann lauschte er. Winnie, die doch so klug gewesen war, nicht zu schreien, blieb einige Zeit lautlos im Gang stehen; schließlich schlich sie davon.

      Van Brenken aber überlegte, welchen Anzug er für den Besuch, den er Mister Kossick nachmittags machen wollte, wählen sollte und wie er ihm das erforderliche Wurfgeld für Campione herauslocken könnte.

      Fräulein Annas folgenschwerstes Abenteuer

       Inhaltsverzeichnis

      Es war an einem Sonntag unter den Zelten in Berlin, als Fräulein Anna plötzlich die Worte neben sich gelispelt hörte: »Ik bin wahrhaftig dafür, det man Jurkensalat nich zum Schuhreinigen vawendet.«

      An manches gewöhnt, da ihre Wiege auf dem Wedding gestanden war, blieb Fräulein Anna ohne jede Überraschung stehen und musterte den Frechling. »Wat wolln Se? Scheren Se sich jefälligst!«

      Die Hände Guhlkes, der mit Verblüffungen noch stets am erfolgreichsten gearbeitet hatte, bewegten sich bereits unruhig an den Hosennähten, als könnten sie nur mühsam warten, nach etwas zu greifen. Dann äußerte er beherrscht: »Mein Name ist Guhlke. Fritz Guhlke. Ik bin Schiffsraseur beim Lloyd, sonst aber jesund und nich von jestern.«

      »Ik ooch nich. Aba anständig. Und nu scheren Se sich zum Deibel!«

      »Jeben Se mich seine Adresse.«

      Fräulein Anna ließ einen verachtungstriefenden Blick auf Guhlkes Schulter tropfen und schritt kräftiger aus.

      Guhlke hielt sich tapfer neben ihr, und da er erkennen mußte, daß seine übliche Schablone diesmal gänzlich versagte, zog er straks ein heftigeres, seltener benütztes Register. »Sagen Se, kenn Se Jundelfink?«

      »Wat soll ik kenn?«

      »Jundelfink.«

      »Kenn ik nich.«

      »Aba ik. Feiner Kerl. Och und valiebt in Sie, det et schon weißjott bedauerlich is,« log Guhlke flott.

      »Jundelfink ham Se jesagt? Det kann woll sin. Aba ik erinnre mir nich mehr jenau …«

      »Na, der lange Lulatsch von der Tempelhofer Fleischbank, der nie ohne Stehkragen ausjeht. Feiner Kerl.«

      »Davon hab ik Manschetten, Mutter.« Dennoch begannen Neugier und Lüsternheit in den Fältchen um Fräulein Annas Augen zu nisten.

      Guhlkes scharf lauernder Blick erhaschte dieses leise Fünkchen inneren Umschwungs und beblies es augenblicks, seinen Plan erweiternd: »Jestern abend, ik sitze jerade friedlich uff meinem humoristischen Körperteil, kommt die alte Schünemann zu mir, die Dame, bei die er uff Schlafstelle ist, und sagt: ›Guhlke, Pinke sollst du mich jeben, sonst jeht er vaschütt.‹ Jundelfink nämlich. Vaschütt? denke ik und Jundelfink?«

      »Ach, wat jeht mir Ihr Jundelfink an.« Fräulein Annas frische Lippen warfen sich unwillig.

      »Viel, weißjott viel. Er hat sich ‘n bißken Luft machen wollen, der Rotzjunge, mit nem Jasjebläse und nu is er anjebrannt. Die Kiste war leer, die Polente nich faul und nu hockt er im Speicher und sehnt sich nach nem bessern Expreß.«

      »Nu sage ik Ihnen aba zum letzten Mal: scheren Se sich oder …« Fräulein Anna hatte nun immerhin so viel verstanden, um sich endlich unbehaglich zu fühlen.

      »Oder …? Danke Komma! Oder Se könn nich jenug achtjeben, det Se Ihre Briefe von Jundelfink zurückkriejen.«

      »Briefe? Ik kenn den Kerl doch jar nich.« Der weiße dicke Hals Fräulein Annas rötete sich fleckenweise. Die durch die Bluse hindurch sichtbaren Schulterknochen zuckten.

      »Na, na, na, na … Denken Se mal jenau nach. Im übrigen bin ik ‘n juter Kerl und ‘n Kavalier. Nur een Wort brauchen Se zu sajen, mein verehrtestes Fräulein und …«

      Fräulein Annas schnell gestiegene Angst sagte dieses Wort und noch weit mehr, als sie mit Guhlke unterm Zelt Nr. 3 Platz genommen hatte.

      Auf diese Weise erfuhr Guhlke von einer Liebschaft Fräulein Annas mit einem Kommis vom Warenhaus Tietz; wie er sie hintergangen, angepumpt und, nachdem sie die sechste Woche schwanger war, im Stich gelassen habe; und daß er Paul Bierbaum heiße, der Schuft. Weiter erfuhr Guhlke, daß der kürzlichst Verflossene ein eleganter Student vom


Скачать книгу