Schneemond. Vivian Schey

Schneemond - Vivian Schey


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das Schaukelpferd oder mein erstes Fahrrad.

      Das war lustig! Ich hatte mir das Fahrrad zu Weihnachten gewünscht, ich war vier oder so. Habs aber nicht bekommen, nur eine Stempelkarte. Fünfundzwanzig Felder, jeder Stempel eine Aufgabe. Schnee wegmachen, Holz reinholen, Rasen mähen und ähnlicher Kram. Oft vergaß ich, meine Karte gleich stempeln zu lassen, erst kurz vor den Sommerferien war sie voll. Dann stand es vor der Tür: rot, mit aufgemalten Flammen! Aber ich konnte ja noch nicht fahren, also brachte Dad es mir bei. Am späten Nachmittag dachte er wohl dann, ich wäre soweit und ließ los. Ich dachte, er hätte nicht und vergaß vor Schreck, wie man bremst. Der Baum neben der Straße kam nah, näher und dann zu nah. Das Rad war Schrott, meine Nase auch. Doch ich entschuldigte mich zuerst bei Herrn Baum und dann schimpfte ich Dad aus. Dass meine Nase gebrochen war und blutete, merkte ich gar nicht. Dad raste mit mir ins Krankenhaus, Mom blieb zu Hause. Wäre erstens selber Schuld und zweitens finge gleich ihre Serie an.

      Jetzt musste ich beim Schminken kurz innehalten und tief durchatmen, Tränen konnte ich jetzt nicht gebrauchen. Es ging, ich machte mich fertig und trollte mich dann unlustig in die Küche. Mein Frühstück stand schon auf dem Tisch, die Milch war bereits drin und die Cornflakes dadurch dreimal so groß, wie sie sein sollten. Mom meinte spöttisch, es wäre wohl besser gewesen, ich hätte mich beeilt. Meinen Kommentar schluckte ich mit der Pampe hinunter. Wortlos stellte ich meine Schüssel in die Spülmaschine und ging wieder rauf. Packen. Obwohl, viel war da nicht zu tun. In meinem Koffer waren sowieso nur drei Taschen und die für die saubere Wäsche jetzt leer. Die dritte würde ich erst an der Busstation brauchen. Gelangweilt sah ich bis kurz vor Mittag aus dem Fenster, zu sehen gab es nicht viel. Nur meine ständigen Blicke auf die Uhr ließen die Zeit vergehen.

      Als die Ziffern mir sagten, es wäre Mittag, schnappte ich mir meinen Koffer und ging nach unten. Mom wartete schon komplett angezogen im Wohnzimmer, Gott weiß wie lange sie es kaum noch erwarten konnte, mich wieder loszuwerden. Sie gab mir noch mein Mittagspaket mit Essen, dann setzten wir uns ins Auto und fuhren schweigend zur Busstation. Dort angekommen blieb sie wie üblich sitzen, ich wuchtete meinen Koffer selbst aus dem Hinterteil ihres alten Kombis. Ein simpler Gruß, weg war sie. Was für ein Segen, endlich allein! Ich musste mich erstmal umziehen, die Klamotten, die ich anhatte, gingen ja gar nicht! Ich verdrückte mich an der Tankstelle aufs Klo, tauschte die hässliche Hose und den noch hässlicheren Pullover gegen mein warmes Winterkleid aus der dritten Tasche und kam als die Catherine wieder heraus, die ich wirklich war. Das Fresspaket wanderte in die Mülltonne. Gleich danach ließ ich mir von Chris im Shakas ein leckeres Sandwich machen und schlang noch ein Karamelleis hinterher. Nicht, dass es nötig war, aber lecker auf jeden Fall! Schon wanderte mein Finger zur YouTube-App auf dem Handy und ich vertrieb mir die restliche Wartezeit mit süßen Kätzchen und dummen Leuten. Beinahe hätte ich lachend den Bus verpasst, nur mein Handy rettete mich, weil es fragte, ob ich mich ins OnBoard-WLAN von Greyhound einloggen wolle. Schnell sprang ich auf, gab mein leeres Limonadenglas zurück und rannte, den Koffer auf seinen Rollen polternd hinter mir her zerrend, zum Bus. Er war so kurz vor Weihnachten recht gut besetzt, dennoch fand ich eine leere Reihe und setzte mich. Wieder kam das Handy in Aktion. Diesmal aber, um Dad zu schreiben, dass ich bald da wäre.

      Als wir nach gut drei Stunden und einigen Stopps in Butte in die Harrison Avenue einbogen, konnte ich es kaum erwarten, auszusteigen. Erstens war ich endlich wieder daheim, zweitens war ich gespannt, was sich Dad diesmal hatte einfallen lassen. Denn jedes Mal, wenn ich von Mom wieder nach Hause kam, stellte er irgendeinen Blödsinn an. Mal stand er als Chauffeur da und hielt ein unmögliches Schild in Händen, mal hatte er sich ein Kostüm besorgt und dann standen da Tweety oder Bugs Bunny oder so. Der Bus hielt leise quietschend, einen mintgrünen Truck vom U.S. Forest Service konnte ich sehen. Ich wusste aber nicht genau, ob es Dads Truck war. Denn der, der da stand, sah reichlich neu aus. Dad erblickte ich jedenfalls nicht. Ich stieg aus, bekam meinen Koffer aus dem Bauch des Busses gereicht und hörte hinter mir Leute lachen. Als ich mich umdrehte, war da aber nichts, nur die Türen vom Stationsgebäude gingen gerade zu. Ahnungsvoll rumpelte ich mit meinem Koffer hinein und wurde auch dieses Mal nicht enttäuscht. Mitten im Raum stand Yogi Baer, ein Schild mit krakeliger Schrift in der Hand: »Watin for me Huney«! Ich musste lachen, Dad sah mich. Er warf das Schild in hohem Bogen von sich, hielt den Hut fest und strampelte rutschend mit den kurzen Bärenbeinen los! Fast rannte er mich um, als er schnaufend bei mir ankam, hob mich hoch und drehte uns im Kreis! Ja, Russell konnte das. Er war mit seinen knapp 7 Fuß ein Hühne! Ja ja, Moment! Das sind … ähm … zwei Meter zehn? Ja? Kommt so ungefähr hin.

      Also jedenfalls setzte er mich wieder ab, winkte nochmal den applaudierenden Leuten zu und zog mich aus dem Gebäude. Er hüpfte mit mir an der Hand fröhlich in Richtung des Trucks, den ich vorhin schon bemerkt hatte. Jetzt setzte er den Kopf ab und ich konnte ihn fragen: »Neu?« »Nein, nicht, wie es hier drin riecht«, bekam ich zur Antwort, dann zog er mich an sich und umarmte mich fest: »Willkommen zu Hause, Hase.« Ich tat das Gleiche: »Oh Danke, Dad. Das war so süß! Aber ich meinte den Truck, nicht Yogi Bear.« Er schälte sich aus dem Rest des Kostüms, während ich den Kopf schon mal auf der Rückbank verstaute: »Ja, der ist neu. Und er hat einen riesigen Vorteil.« »Welchen?«, wollte ich wissen, als ich ihm den Rest des Kostüms abnahm und hinter die Vordersitze stopfte, er wuchtete meinen Koffer dazu: »Papa Bär hat die Vorschriften geändert: ich darf ihn mit nach Hause nehmen. Los, rein mit dir! Sonst hol ich mir noch was weg.« Ich stieg lächelnd ein, hatte ich doch eine leise Ahnung, wer jetzt Dads halb vergammelten Dodge geschenkt bekam! Ich grinste Russell an, als er drüben einstieg, er sah zu mir: »Was?« Mein Grinsen wurde breiter, er ließ den Motor an und fragte nochmal: »Was!?«

      »Wer fährt jetzt deinen alten Wagen?« Ich machte ein erwartungsvoll fröhliches Gesicht, hatte ich doch meine Fahrprüfung schon bestanden, bevor ich zu Mom musste. Ein Auto hatte ich aber nicht. Doch scheinbar sollte das auch so bleiben, denn Dad meinte: »Niemand.« Etwas enttäuscht zog ich eine Schnute und brummte künstlich beleidigt: »Aber du hast es versprochen!« Dad schüttelte mit dem Kopf und fuhr los: »Ja ich weiß. Aber du kannst ihn nicht fahren.« »Und warum nicht?«, wollte ich wissen, immer noch beleidigt. »Ähm. Na ja. Weil … ihn ein Straßengrabenmonster gefressen hat?« »Ist ja nicht wahr. Gehts dir gut?«, wollte ich besorgt wissen, Dad nickte: »Ja, nichts passiert. Nur die Aufhängung hat ordentlich was abbekommen, die Reparatur hätte nicht mehr gelohnt.« »Da hätte sich sowieso kaum noch irgendeine Reparatur gelohnt«, lachte ich, Dad jetzt auch. Klar war es einerseits schade, dass der Dodge kaputt war, andererseits war ich doch ein bisschen froh. Denn jetzt hatte Dad Gelegenheit, mir gleich ein neues Auto zu kaufen. »Glaub aber nicht, dass ich dir jetzt einen nagelneuen Wagen kaufe«, kam aber von Dad, schon war mein bisschen Vorfreude dahin. »Ach komm schon, wenigstens keinen Uralten«, bettelte ich, während wir durch die Stadt nach Hause fuhren. »Das kann ich mir nicht leisten«, meinte Dad feist grinsend, ich sah ihn ungläubig an. »Ist das dein ernst?«, fragte ich tonlos: gerade er musste von Geld reden!

      Mister Forest-Ranger schlechthin besaß eine Blockhütte groß wie eine Villa, mit zwei Schlafzimmern, zwei Bädern, einem Gästezimmern mit eigenem Bad, einer Küche, in der man sich verlaufen konnte, die Holzeinschlagsrechte für das halbe Silver Bow County lagen in seinen Händen und er will mir weismachen, er könne es sich nicht leisten, mir Knall auf Fall ein Auto zu kaufen!? Sein Blick sagte alles, ich holte aus und knuffte ihn auf den Arm: »Sag das nochmal und ich zieh dir deine Unterhose über den Kopf!« Er lachte nur leise, grüßte kurz nach draußen und wandte sich wieder mir zu: »Hase, so kurz vor Weihnachten müsste ich nehmen, was da ist. Und den Standard-Mist kannst du ja wohl kaum brauchen im Wald, oder?« »Was hast du bloß ausgesucht, alter Mann?«, fragte ich besorgt. Ich hatte zwar schon einige Wünsche geäußert, aber so richtig festgelegt hatte ich mich noch nicht. Dad zeigte aufs Handschuhfach: »Da.« Ich rupfte es auf, ein Katalog fiel mir entgegen: Ford F-150! »Oh mein Gott, Dad!« Ich schlug ihn auf, ein Zettel lag auf der ersten Seite: ein Angebot von Yates Bodyshop über … »Das nicht!«, sagte Dad und nahm mir den Zettel weg! Doch es war schon zu spät: »Du willst den Wagen umlackieren lassen!? Welche Farbe?« Er knüllte den Zettel zusammen und stopfte ihn in die Innentasche seiner Uniformjacke: »Das geht dich doch gar nichts an! Willst du denn gar nicht wissen, was für einen heißen Schlitten du bekommst?« »Nicht, wenn er vielleicht pink ist. Wird er pink? Komm, sag schon! Wird


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