Baupläne der Schöpfung. Johannes Huber

Baupläne der Schöpfung - Johannes Huber


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und Wissen, ­lange Zeit eine Einheit

      Viele Naturforscher nährten ihren investigativen Ehrgeiz aus der Überzeugung, durch ihre Suche die Baupläne der Schöpfung besser verstehen zu können. Wissen und Existenzdeutungen waren keine Gegensätze, sie ergänzten einander.

      In seinem Todesjahr 1543 publizierte Nikolaus Kopernikus, Astronom, Arzt und Domherr zu Frauenburg, sein Hauptwerk Über die Umschwünge der Himmlischen Kreise, lateinisch: De revolutionibus orbium cellestium. Dieses Buch, das die Umdrehungen der Hemisphären behandelt, hatte er dem damaligen Papst Paul III. gewidmet. Als Wissenschaftler erkannte Kopernikus, dass nicht die Erde im Mittelpunkt steht, also das geozentrische System, sondern die Sonne; um sie drehen sich die Planeten unseres heliozentrischen Systems. Als Theologe war Kopernikus der Meinung, mit seiner Theorie die Schöpfungsgeschichte besser interpretieren zu können.

      Lange Zeit blieb seine Auffassung nur unter Astronomen ein Diskussionspunkt, die Kirche war noch nicht sensibilisiert. Erst als am Ende des 16. Jahrhunderts die heliozentrische Hypothese als naturwissenschaftliches Argument gegen die Schöpfungsgeschichte instrumentalisiert wurde, begann die Kirche – unklug ablehnend – zu reagieren.

      Ähnlich war es beim Fall Galilei. Er machte dort weiter, wo Kopernikus mit seinem gewagten Vorpreschen begonnen hatte. Galileo Galileis Erkenntnisse wurden zunächst von der Amtskirche honoriert.

      Zufällig hatte er 1610 von der Erfindung des Linsenfernrohres gehört, es nachgebaut und dann etwas gemacht, was vor ihm offensichtlich noch niemand getan hatte: Er richtete sein kleines Teleskop Richtung Himmel und machte Beobachtungen, die er zu deuten verstand. In seiner Schrift Sidereus Nuncius (Sternenbote) beschreibt er, wie sich die Milchstraße im Fernrohr in Myriaden einzelne Sterne auflöste und der Mond Gebirge und Täler besitzt, sprich dass der Himmel nicht ganz anders sein konnte als die Erde. Diese Ähnlichkeit, letztendlich zwischen Mond und Erde, machte für ihn ähnliche Gesetze im Himmel und auch auf Erden wahrscheinlich. Galilei knüpfte an die Theorien von Kopernikus an und erhärtete sie mit seinen Beobachtungen durch das Fernrohr. Wieder und wieder spähte er in den Nachthimmel und entdeckte die Jupitermonde, die ihm zeigten, dass das auf den Beobachtungen des antiken Astronomen Claudius Ptolemäus basierende geozentrische System nicht in allem stimmen konnte. Denn die Monde drehen sich nicht um die Erde, sondern um den Jupiter. Wenig später sah er mit seinem Teleskop, dass die Venus sich ähnlich verändert wie der Mond. Auch sie zeigt verschiedene Phasen, von der schmalen Sichel bis zur vollen Scheibe. Was nur damit zu erklären war, dass sie um die Sonne läuft.

      Das heliozentrische System war mit dem Fernrohr bestätigt.

      Quod erat demonstrandum.

      Eine bahnbrechende Entdeckung. Ein Meilenstein in der menschlichen Forschergeschichte.

      Galilei war in der Sekunde berühmt. 1611 wurde er von Papst Paul V. empfangen und vom Jesuitenkollegium, das sich sehr eindringlich mit der Astronomie befasste, ausgezeichnet. In allen Ehren. Kein Mensch dachte daran, dass es hier einen Widerspruch zur Bibel geben könnte. Der Papst nickte wohlwollend, die Jesuiten applaudierten.

      Bis der Neid aufzog. In Form von lieben Kollegen. Es waren Physiker aus Mittelitalien, schmallippige Herren, die es nicht gerne sahen, dass Galileo Galilei mit seinen Fernrohren ein kleines Vermögen verdiente. Die Leute rissen sich um die Teleskope, kauften sie reihenweise und starrten in den Nachthimmel, als stünden dort die letzten Geheimnisse der Menschheit geschrieben. Galileo hatte sozusagen das iPhone seiner Generation entdeckt.

      Den Physikern und Fachkonkurrenten stand der Schaum vor dem Mund. Sie waren es dann auch, die hergingen und sagten: Nein, die Jupitermonde gibt es doch gar nicht, und nein, die Phasenverschiebung der Venus gibt es auch nicht. Lug und Trug! Sie hielten am ptolemäischen System fest, als wäre es ihr letzter Wille.

      Die verbohrten Professoren weigerten sich sogar, durch ein Fernrohr zu schauen. Geschweige denn den ganzen Humbug von wegen heliozentrischem Weltbild nachzubeten, nur weil dieser bärtige Geck Galilei antänzelte mit seinem ganzen Geld und die Leute irre machte. Galileo mochte diese Herren verständlicherweise nicht, er nannte alle, die Kopernikus und ihm widersprachen, »geistige Pygmäen, die es kaum verdienten, menschliche Wesen genannt zu, werden.«

      Die geistigen Pygmäen antworteten mit einer Verschwörung. Sie drohten der römischen Inquisition, den rechten Glauben zu verlassen, wenn Galilei nicht verurteilt würde. Ketzer!

      Dem Kardinal Großinquisitor Robert Bellarmin, einem Sympathisanten Galileis, blieb gar nicht anderes übrig, als ihn unter Hausarrest zu stellen. Für das Lehrgebäude war diese Auseinandersetzung wichtig, denn dadurch konnte die biblische Kosmologie neu verstanden werden.

      Nach mehr als 20 Jahren der Auseinandersetzung mit der Inquisition hat man Galilei genötigt, seinen sogenannten Irrlehren abzuschwören. Sonst hätten sie ihn verbrannt. 1992 wurde er von der Kirche rehabilitiert. Manchmal braucht es eben 360 Jahre, um einen Fehler einzugestehen. Die Kirche ist kein Railjet.

      Spannend war es auch, als Jahrzehnte später Isaac Newton die universalen Kraftgesetze mathematisch dokumentierte. Der Legende nach saß er anno 1666 in Cambridge unter einem Baum und ließ die Abendsonne auf sein Gemüt scheinen, als plötzlich Wind aufzog. Eine Bö erfasste die Äste und rüttelte an ihnen, bis ein Apfel herunterfiel, direkt vor Isaacs Füße, flop. Das gab ihm zu denken. Und zwar so sehr, dass sich aus der Idee ein Gesetz formte. Actio est reactio. Newton war desgleichen bewegt und der Meinung, Einblick in den großen Schöpfungsplan genommen zu haben. Daran erinnert heute noch die Gedenktafel in der Royal Society.

       See the great Newton, He who first Survey’d

       The Plan, by which the Universe was made.

      So wie Galilei im Kulturkampf des 19. Jahrhunderts wurde auch Newton von den Enzyklopädisten als modernistische Ikone hochstilisiert, als Vordenker einer Welt ohne Schöpfer. Es war kein Unterschied mehr zwischen himmlischer und irdischer Physik. Das Zeitalter der mechanistischen Weltdeutung hatte begonnen.

      Das Planetensystem geriet zu einem gigantischen Uhrwerk, das exakt nach bestimmten mathematischen Gesetzmäßigkeiten ablief. Und die Welt wurde zur Maschine erklärt, zur Weltmaschine, in der Wunder eigentlich nicht notwendig waren und in der immer weniger Menschen eine Notwendigkeit sahen, die Existenz Gottes anzunehmen. In einem Staubsauger liegt auch keine höhere Bedeutung.

      Wissenschaft wurde also nicht nur benützt, um Gott zu beweisen, sondern auch im Gegenteil: seine Nicht-Existenz darzustellen und den Religiösen als »dummes Gretchen« abzuqualifizieren. Dass sich die moderne Physik von der mechanistischen Wirklichkeitsinterpretation verabschiedete, klingt aus dem Ruf Einsteins nach: »Newton verzeih mir«. Die spekulative Physik des 20. Jahrhunderts beweist zwar auch keinen Schöpfer, lässt es aber als nicht mehr so unvernünftig erscheinen, wenn jemand in einer persönlichen Entscheidung für Transzendentes stimmt und denkt: Vielleicht hält er sich doch irgendwo im Hintergrund, der große Pan.

      4

      Spekulative Physik und gläubige Vernunft

      Um es nochmals in aller gebotenen Deutlichkeit zu sagen: Die Naturwissenschaft soll und kann Gott nicht beweisen. Sie möge es aber als vernünftig gelten lassen, wenn sich jemand für Glaubensinhalte jenseits des Greifbaren entscheidet.

      Das bleibt nicht unwidersprochen: So vertritt Arwin Schönberg die Meinung, dass der Glaubensakt ein ausschließlich subjektives Entscheidungsgebäude ist, in dem alles, auch Aliens, angesiedelt werden darf, und der moderne Verfassungsstaat schützt das mit gefälliger Toleranz.

      Dem steht eine andere Meinung gegenüber: Glaubensinhalte sollen vernünftig sein. Diesbezüglich war der Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie schmerzhaft, aber eigentlich erfolgreich. Die Offenbarungsinterpretation benötigt die Naturwissenschaft, um den Kern ihrer Botschaft der jeweiligen Zeit anzupassen, mithin in deren »Fleisch zu kriechen«, dem Begriff der »Inkarnation« entsprechend. So ist es mit der Kosmologie, mit Galilei, Darwin und all den anderen passiert. Die Theologie hat von ihnen, wenn auch mit Fehlern, gelernt und ihre Botschaft für die jeweilige Zeit ins richtige


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