Das Feuerzepter. Морган Райс
ein Rütteln tief in seiner Magengegend. Wie konnte sie es wagen, so zu tun, als wäre er ein Teil ihres Plans gewesen. Als hätte sie ihn nicht ausgetrickst, ihr zu helfen.
„Ich dachte, es sei vielleicht gut, wenn du den anderen selbst erklärst, was in der Schule für Seher vorgefallen ist“, fuhr die Schulleiterin fort. „Da du ja ein so entscheidender Teil der Mission warst.“
Edmund knirschte mit den Zähnen. Er schauderte, als er an das Beben in der Schule dachte. Wie die Wände begonnen hatten, in sich zusammen zu fallen. Wie die Äste des Kapok-Baums zerbrochen und die Verbindungsgänge zu Boden gekracht waren. Wie seine Lehrer und Klassenkameraden – und seine Freunde – durch die Notausgänge hatten flüchten müssen.
„Die Schule wurde evakuiert“, murmelte er und ließ schamvoll den Kopf hängen.
„Und warum wurde sie evakuiert?“, forschte Madame Obsidian nach.
Sie genoss die Situation offensichtlich. Edmund begann, Gefühle des Hasses ihr gegenüber zu entwickeln, wie er sie nicht einmal für Oliver, seinen Rivalen, empfunden hatte.
„Weil sie in sich zusammengefallen ist“, fuhr er fort. Die Verbitterung, die er fühlte, war auch in seiner Stimme zu vernehmen.
Die Obsidian-Schüler im Zimmer begannen zu applaudieren. Sie schienen begeistert zu sein und flüsterten aufgeregt miteinander. Edmund fühlte sich immer schlechter und beschämter.
Madame Obsidian dagegen sah vollkommen zufrieden aus. „Amethysts Schule für Seher steht vor dem Ruin“, kündigte sie an und gestikulierte wie wild mit den Händen. „Jetzt ist also der perfekte Zeitpunkt gekommen um ein Angriffskommando loszuschicken.“
Edmund keuchte auf. „Nein. Bitte, tun Sie das nicht! Was gibt es dort denn noch zu holen? Haben Sie nicht bereits alles bekommen, was Sie wollten?“
Madame Obsidian schnaufte verächtlich. „Edmund, Edmund, Edmund. Mein lieber, dummer Junge. Die Schule für Seher enthält einige der wichtigsten Artefakte der Menschheit. Professor Amethyst hat so viele Schriftrollen und Texte, so viele Archive, hinter Schloss und Riegel aufbewahrt, wie kein anderer. Er sitzt auf so viel Wissen. Er hält sich selbst für eine Art Pförtner und glaubt, dass nur ihm selbst und einer kleinen Anzahl von Sehern in der Geschichte des Universums, die Geheimnisse der Seher anvertraut werden können. Aber ich glaube an das Teilen von Informationen. Ich möchte das Wissen befreien, das er seit Jahrhunderten für sich behalten hat.“
Edmund sah, wie die Seher-Schüler am Tisch zustimmend nickten. Das war also die Lüge, die Madame Obsidian ihnen eingetrichtert hatte, dachte er. Während sie seine Liebe für Esther ausgenutzt hatte, um ihn unter ihr Kommando zu bringen, hatte sie auch für ihre eigenen Schüler eine Geschichte erfunden. Sie alle hielten Professor Amethyst für einen furchtbaren Mann, der alle Seher-Geheimnisse für sich behält. Aber Edmund kannte die Wahrheit. Er wusste, dass Professor Amethyst der beste Seher des Universums war und eine große Last auf seinen Schultern trug. Sein Herz war rein und sein einziger Wunsch bestand darin, seine Schüler gut zu unterrichten, sodass sie gemeinsam das Universum beschützen konnten.
Edmund wurde langsam klar, dass er den besten Mentor betrogen hatte, den es gab und dass es ein Privileg gewesen war, ihn zu kennen. Die Schule, die er liebte, war verloren. Und es war seine Schuld. Er fühlte sich niedergeschmettert. Hoffnungslos. Einsam.
Madame Obsidians Augen flackerten böswillig. Sie klatschte laut in die Hände. Plötzlich erschien ein wirbelndes Portal am anderen Ende des Raumes.
Ein Windstoß rauschte durch das Buero und Edmund keuchte, als der Wind auf ihn einschlug.
Madame Obsidian stand langsam von ihrem Thron auf und lächelte. Das Licht des Portals glitzerte in ihren Augen.
„Madeleine. Natasha. Malcolm“, sagte sie. Das mürrische Mädchen mit den schwarzen Haaren und der seltsame Junge mit dem Totenkopfgesicht standen gehorsam auf, genau wie Madeleine. Madame Obsidian sah zu dem rundlichen Jungen. „Und Christopher.“
Auch er stand auf. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht, dachte Edmund. Er wirkte unmenschlich, ruhelos, traumatisiert. Und er sah fies aus, als wolle er sich rächen.
„Ihr seid mein Team“, kündigte Madame Obsidian an. „Meine besten und glänzendsten Schüler.“
Während sein Magen vor Scham brodelte, sah Edmund zu, wie die vier Obsidian-Schüler sich auf das Portal zubewegten um die Zerstörung der Schule für Seher ein für alle Mal zu besiegeln. Ein Prozess, den er angefacht hatte, als er sich mit der teuflischen Madame Obsidian verbündete.
„Es ist Zeit“, brüllte sie und stieß ihre Faust in den Himmel. „Zeit, die Geheimnisse der Seher zu offenbaren!“
Die vier Kinder verschwanden durch das Portal und Edmund spürte, wie seine Schultern zusammensackten. Die Schule für Seher war verloren.
KAPITEL SIEBEN
Oliver, Ralph und Hazel folgten eilig dem Mann, als dieser durch die Straßen von Florenz rannte. Oliver konnte es kaum glauben, dass sie sich in der Zeit Galileos befanden. Er hatte auf seinen Zeitreisen so viele seiner Helden kennengelernt, es war unbeschreiblich. Wenn man ihm damals, als er seine Erfinderbücher von der ersten bis zur letzten Seite verschlungen hatte, erzählt hätte, dass er eines Tages diese Menschen persönlich kennenlernen würde, hätte er das niemals geglaubt!
In ihrem Blickfeld erschien nun eine Reihe beiger, stufenförmiger Gebäude. Sie waren allesamt zwischen vier und sechs Stockwerke hoch, auf jedem Stockwerk befanden sich mehrere kleine, quadratische Fenster. Die Häuserreihe erinnerte Oliver an Wohnhäuser, doch der Junge, dem sie folgten, eilte durch die geschnitzte Holztür eines vierstöckigen Hauses. Und als sie näherkamen, sahen sie die Steintafel neben der großen, schweren Tür, in die die Worte Accademia delle Arti del Disegno graviert waren.
„So viel kleiner als ich erwartet hatte“, meinte Ralph.
Hazel fuhr mit den Fingern über die eingravierten Buchstaben, als versuche sie, einen Teil der Geschichte zu absorbieren. „Du weißt, dass dein Freund Michelangelo auch hier studiert hat, oder?“, fragte sie.
„Freund?“, witzelte Ralph. „Ich glaube nicht, dass wir jemanden, der wir einmal getroffen haben, Freund nennen können.“
„Er hat uns dabei geholfen, Esthers Leben zu retten“, antwortete Hazel mit einem verärgerten Stirnrunzeln. „Er ist also definitiv kein Feind!“
„Leute“, unterbrach Oliver sie. „Wir haben keine Zeit, zu zanken. Lasst uns reingehen.“
Er drückte die schwere Eichentür auf und sie öffnete sich knarrend. Oliver hatte das Gefühl, einen geheimen Ort zu stören. Es war ein Gefühl, das ihn oft überkam, wenn er in der Vergangenheit herumschnüffelte. Es war schwer, wirklich zu akzeptieren, dass das Universum es einem Seher mit einer Mission nicht übelnahm, in andere Zeiten einzudringen. Stets erwartete er deshalb, einem strengen Lehrer zu begegnen, der sie wegschickte.
In der Accademia delle Arti del Disegno war es, dank den Marmorböden und den kleinen Fenstern, die kaum Sonne hereinließen, eher kühl. Die dunkle Stimmung wurde von der lackierten Holzverkleidung unterstrichen, die halbhoch die Wände schmückte, und von einer Reihe ähnlich lasierter Balken, die quer an der Decke hingen, ergänzt wurde. Beeindruckende Steinstatuen standen in Intervallen im Korridor und vervollständigten die prachtvolle Atmosphäre.
Als die Kinder eintraten, echoten ihre Schritte durch den Raum. Oliver sah den Gang hinunter. Erst links, dann nach rechts.
„Da ist er!“, rief er, als er den Jungen durch eine Tür verschwinden sah.
Sie rannten ihm nach und folgten ihm durch dieselbe Tür.
Sie befanden sich nun in einem großen Vorlesungsauditorium, das Oliver schmerzvoll an Doktor Ziblatts Klassenzimmer erinnerte. Die Bänke waren auch hier rund um die Tribüne in der Mitte in Hufeisenform