Nur den Auserwählten. Морган Райс
musste. Er hoffte auch, dass sein Bruder sicher sein würde, denn sie alle hatten gesehen, zu was die wilden Stämme in den Bergen im Stande waren.
„Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen“, sagte Raymond. „Denkt einfach daran—”
„Bringt sie zu Graf Undines Schluss, nicht zu dem des alten Herzogs“, sagte Lofen. „Wir wissen Bescheid. Schließlich hast du es uns auf dem Weg hierher schon oft genug gesagt.“
„Ich wollte sagen, denkt daran, dass ich euch beide liebe, meine Brüder“, sagte Raymond. „Selbst wenn du, Lofen, ein Idiot bist und Garet noch grün hinter den Ohren ist.“
„Zumindest sind wir keine brütende Henne, die alle gackernd bemuttern möchte“, schoss Garet zurück. Er zog sein Pferd an den Zügeln und galoppierte vorwärts. „Wir sehen uns bald, Bruder, mit einer Armee!
„Ich sorge für seine Sicherheit“, sagte Moira und drehte ihr Pferd so, dass es Garet folgen konnte.
„Halte dein Wort“, rief ihr Raymond nach.
„Du bist ganz schön streng mit ihr“, sagte Lofen, als die beiden sich entfernten.
„Mir macht eher Sorge, dass Garet so sanft mit ihr ist“, erwiderte Raymond.
Er sah, wie sein Bruder mit den Schultern zuckte. „So hat er zumindest eine schöne Frau bei sich, die die Adeligen bereits kennt. Warum Neave nicht mit mir mitkommen konnte...“
Raymond lachte darüber. „Denkst du, sie wäre an dir interessiert? Du hast sie doch auch mit Mathilde gesehen. Abgesehen davon werden die Picti leichter zu finden sein. Marschiere einfach durch die Wildnis, bis dir einer etwas nachschießt.“
Lofen musste schlucken. „Jetzt lachst du noch, aber du wirst dich richtig schlechtfühlen, wenn ich mit lauter Pfeilen in der Brust zurückkomme. Aber ich werde es machen und komme zurück mit meiner eigenen Truppe. Ich bin gespannt, wie es den Leuten gefallen wird, gegen das wilde Volk anzukämpfen.“
Er drehte sich um und ritt in die Richtung, in der er die Ländereien der Picti erahnte. Raymond blieb alleine auf der Kreuzung zurück. Im Vergleich zu seinen Brüdern schien es ihm, als hätte er die einfachste Aufgabe: Er musste nur die Menschen für seine Sache überzeugen, die sich bereits von dem Königreich gelöst hatten. Nachdem sie so viele Jahre von den Adeligen misshandelt worden waren, die unter der Führung von König Carris standen, sollten der Funke seiner Worte bereits ausreichen, um das Feuer in ihnen zu entfachen.
Und trotzdem wünschte er sich, seine Brüder an seiner Seite zu haben, als er sein Pferd in Richtung des nächsten Dorfes ausrichtete und losgaloppierte.
***
Das erste Dorf war so klein, dass es auf den meisten Landkarten wahrscheinlich gar nicht angeschrieben war. Es trug den Namen Byesby und bestand aus wenigen Häusern. Es war kaum mehr als ein besserer Landhof und verfügte nicht einmal über ein Gasthaus, in dem er die Anwohner versammeln konnte. Aber immerhin gab es keine Wächter in der Umgebung, die einem lokalen Herrscher dienten und ihn dabei aufhalten würden, Raymonds Nachricht an die Menschen weiterzugeben.
Er ritt zum Zentrum des Platzes, der durch einen niedrigen Holzpfahl für Nachrichten markiert war und neben einem sanierungsbedürftigen Brunnen stand. Auf der Straße sah er ein paar Menschen beim Arbeiten und ein paar weitere kamen aus ihren Häusern, als sie Raymond auf seinem Pferd erspähten. Hier sah man wohl nur selten Männer in Rüstungen. Vielleicht dachten sie sogar, dass er von einem der Adeligen gesandt wurde, um das Dorf für sich zu beanstanden.
„Hört mir zu“, rief Raymond vom Rücken seines Pferdes. „Versammelt euch alle!“
Langsam kamen immer mehr Leute dazu. Raymond hatte schon deutlich mehr Menschen in Schlachten geführt, doch als sich die Menge langsam versammelte, wurde ihm klar, dass er noch nie vor so vielen gesprochen hatte. Jetzt fühlten sich sein Mund trocken und seine Hände feucht am.
„Wer bist du?“, forderte ihn ein Mann auf, der kräftig genug wirkte, um ein Hufschmied zu sein. „Wir haben keine Zeit für Räuber und Banditen.“
Er hievte einen Hammer hoch, um klarzustellen, dass sie nicht wehrlos waren.
„Das ist gut, denn die habe ich auch nicht!“, rief Raymond zurück. „Ich bin hier, um euch zu helfen.“
„Falls du nicht vorhast, uns bei der Ernte behilflich zu sein, wüsste ich nicht, wie du helfen kannst“, sagte ein anderer Mann.
Eine der älteren Frauen ließ ihre Augen von oben bis unten über Raymond gleiten. „Ich wüsste da schon ein paar Sachen.“
Die Betonung ihrer Worte reichte aus, um Raymond die Schamesröte ins Gesicht steigen zu lassen. Er kämpfte dagegen an und es schien mindestens so schwer zu sein, wie der Kampf gegen einen Fechtmeister.
„Habt ihr noch nicht davon gehört, dass der alte Herzog und sein Sohn Altfor gestürzt worden sind?“, rief Raymond.
„Was hat das mit uns zu tun?“, grölte der Hufschmied zurück. So wie die anderen Menschen zustimmend nickten, schien er derjenige zu sein, auf den alle hörten. „Wir sind auf dem Land von Fürst Harrish.“
„Fürst Harrish, der euch alles nimmt, so wie es die Adeligen tun“, sagte Raymond. Er wusste, dass es auch bessere, gütigere Adelige gab, wie den Grafen Undine, aber so viel er über ihren Herrscher wusste, war er keiner davon. „Wie oft sollen sie in eure Dörfer kommen und von euch stehlen, bevor ihr ihnen zeigt, dass es genug ist?“
„Das wäre ziemlich dumm von uns“, rief der Hufschmied zurück. „Er hat Soldaten.“
„Und wir haben eine Armee!“, erwiderte Raymond. „Ihr habt davon gehört, dass der alte Herzog gestürzt wurde? Nun, das waren wir, im Namen des rechtmäßigen Königs, Royce!“
In seiner Vorstellung hatte seine Stimme über den ganzen Platz gehallt. In der Praxis sah dies etwas anders aus und er konnte sehen, wie sich einige Menschen im Hintergrund bemühten, ihn zu verstehen.
„Du bist Royce?“, rief der Hufschmied. „Du behauptest also, der Sohn des alten Königs zu sein?“
„Nein, nein“, erklärte Raymond rasch. „Ich bin sein Bruder.“
„Also bist du auch ein Sohn des alten Königs?“, schlussfolgerte der Schmied.
„Nein, bin ich nicht“, sagte Raymond. „Ich bin der Sohn von Dorfleuten, aber Royce ist—“
„Nun, entscheide dich“, sagte die alte Frau, die ihn verlegen gemacht hatte. „Wenn Royce dein Bruder ist, dann kann er nicht der Sohn des alten Königs sein. Das ergibt keinen Sinn.“
„Nein, das habt ihr falsch verstanden“, sagte Raymond. „Bitte, hört mir zu, gebt mit eine Chance alles zu erklären und—”
„Und was?“, erwiderte der Hufschmied. „Dann wirst du uns sagen, warum wir Royce folgen sollen? Du wirst uns sagen, warum wir uns auf den Weg machen und in dem Krieg eines anderen sterben sollen?“
„Ja!“, sagte Raymond und realisierte schnell, wie das wohl klingen musste. „Nein, ich meine... es ist nicht der Krieg eines anderen. Es ist der Krieg von uns allen.“
Der Schmied schien davon nicht besonders überzeugt zu sein. Er kam nach vorne, um sich gegen den Brunnen zu lehnen. Jetzt war er kein Teil der Masse mehr, sondern richtete sich an die anderen.
„Wirklich?“, sagte er und blickte in die Menge. „Ihr alle kennt mich und ich kenne euch. Und wir wissen alle, wie die Adeligen kämpfen. Sie kommen und rekrutieren uns für ihre Armeen, dann versprechen sie uns alle möglichen Dinge, aber wenn alles vorbei ist, sind es wir, die tot sind. Und sie machen einfach wieder weiter mit dem, worauf sie Lust haben.“
„Royce