Metamorphosen. Ovid

Metamorphosen - Ovid


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Rasse; dann stürmen andere nach, schneller als ein Windstoß: [210] Allesfresser, Späher, Berggänger, alle drei Arcader, der starke Hirschmörder und, zusammen mit Sturmwind, der trotzige Waidmann, die fußschnelle Schwungfeder und die witternde Jägerin, der wilde Waldmann, den kürzlich ein Eber verletzt hatte, die von einem Wolf gezeugte Schluchtengängerin, Paßauf, die das Vieh hütete, [215] Faßan mit zwei Welpen, Haltefest, der Sicyonier mit den schlanken Weichen, Läuferin, Raßlerin, Schecke, Tigerin, Starkmut, Schneeweiß mit hellen, Schornsteinfeger mit pechschwarzen Zotteln, der bärenstarke Spartaner und Windsbraut, die schnelle Läuferin, [220] Sputedich und, zusammen mit dem cyprischen Bruder, das flinke Wölflein und, die schwarze Stirn in der Mitte mit einem weißen Fleck gezeichnet, der Räuber, Mohrchen und mit struppigem Leibe das Zottelchen und, eine Kreuzung eines kretischen Vaters mit einer spartanischen Mutter, Ungestüm, Wildzahn und Belferer mit durchdringender Stimme. [225] Ich habe keine Zeit, auch noch die zu nennen, die ferner liefen. Der Schwarm folgt ihm voll Beutegier über Felsen und Klippen und unzugängliche Zacken, durchs Unwegsame, ja durchs Weglose. Als Gejagter flüchtet er durch die Gegend, in der er oft als Jäger seinen Hunden gefolgt war, wehe, er flieht vor den eigenen Dienern! Er wollte rufen: [230] »Actaeon bin ich, erkennt euren Herrn!« Doch die Worte gehorchen seinem Willen nicht, der Äther hallt wider von Gebell. Als erster verwundete ihn Schwarzmähne am Rücken, als zweiter Wildfänger, Bergsohn biß sich in seinem Bug fest – sie waren später losgezogen, aber auf Schleichwegen über den Berg [235] den anderen zuvorgekommen. Während sie ihren Herrn festhalten, sammelt sich die übrige Meute und schlägt gemeinsam die Zähne in seinen Leib. Schon fehlt es an Platz für weitere Wunden; Actaeon stöhnt und gibt einen Laut von sich, der zwar kein Menschenlaut ist, doch ein Laut, wie ihn kein Hirsch ausstoßen könnte; er füllt die vertraute Bergwelt mit trauervollen Klagen, [240] sinkt auf die Knie wie ein Schutzflehender und schaut bittend in die Runde, als wären seine stummen Blicke flehend erhobene Arme. Doch seine Gefährten treiben ahnungslos die wilde Schar mit den gewohnten Zurufen an; ihre Augen suchen Actaeon, und als wäre er abwesend, rufen sie um die Wette: »Actaeon!« [245] Als er seinen Namen hört, wendet er den Kopf zurück. Sie klagen darüber, daß er nicht da sei, daß er zu spät komme, um das Schauspiel des Fanges zu genießen. O wie gern wäre er wirklich abwesend; doch er ist ja dabei! Wie gern wollte er das Wüten seiner Hunde nur mitansehen, statt es selbst zu spüren! Von allen Seiten umstellen sie ihn, vergraben die Schnauzen in seinem Leibe [250] und zerfleischen ihren Herrn in der Truggestalt des Hirsches. Und erst nachdem seinem Leben durch tausend Wunden ein Ende bereitet war, soll der Zorn der köchertragenden Diana befriedigt gewesen sein.

      Iuppiter und Semele

      Das Echo ist zwiespältig: Den einen schien die Göttin über Gebühr grausam; andere loben sie und nennen sie eine würdige Vertreterin der strengen Jungfräulichkeit. [255] Beide Parteien finden Gründe. Nur Iuppiters Gattin äußert sich nicht zustimmend oder ablehnend; vielmehr freut sie sich über das Unheil, das Agenors Haus getroffen hat. Den Haß, der sich in ihr wegen der Nebenfrau aus Tyros angesammelt hat, überträgt sie auf deren Stammesgenossen. Doch siehe da: Zu dem früheren Grund kommt ein neuer hinzu. [260] Es tut ihr weh, daß Semele vom Samen des großen Iuppiter schwanger ist. Da lösen Schmähworte ihr die Zunge. »Und was hab’ ich denn so oft durch Schimpfen erreicht?« sprach sie. »Sie selbst muß ich angreifen; sie selbst werde ich, so wahr ich die großmächtige Iuno heiße, vernichten, so wahr es mir ziemt, [265] das mit Edelsteinen besetzte Zepter in der Rechten zu halten, so wahr ich Königin und Iuppiters Schwester und Gattin bin – Schwester ganz gewiß! Und da denk’ ich noch: Sie gibt sich mit einem Seitensprung zufrieden, und der Schimpf ist kurz, den sie meinem Ehegemach antut! Nein, sie wird schwanger! Das fehlte gerade noch! Und offen trägt sie ihren vollen Leib und damit ihr Vergehen zur Schau. Ausgerechnet durch Iuppiter will sie Mutter werden, was selbst mir kaum gelang! [270] Soviel bildet sie sich auf ihre Schönheit ein! Ich werde ihr einen Strich durch die Rechnung machen, und ich will nicht Saturnia heißen, wenn sie nicht von ihrem geliebten Iuppiter selbst zu den Wellen der Styx hinabgeschleudert wird.«

      Nach diesen Worten steht sie vom Thron auf und geht, in eine gelbrote Wolke gehüllt, zu Semeles Schwelle. Sie zerstreute das Gewölk erst, [275] als sie die Gestalt einer Alten angenommen hatte: Um die Schläfen ließ sie sich graues Haar wachsen und Runzeln die Haut durchfurchen. Mit zitterndem Gang bewegte sie die gekrümmten Glieder; sie nahm auch die Stimme einer Greisin an. So war sie Beroe, Semeles Amme aus Epidaurus. Sie knüpfte ein Gespräch an, und nach langer Unterhaltung [280] fällt Iuppiters Name. Da seufzt sie und sagt: »Ich möchte wünschen, daß es wirklich Iuppiter sei! Doch bin ich auf alles gefaßt: Schon viele sind unter dem Namen von Göttern in keusche Gemächer eingedrungen. Und es genügt nicht, daß es Iuppiter ist; laß ihn dir einen greifbaren Beweis seiner Liebe geben, wenn er wirklich der Rechte ist! Du sollst ihn bitten, er möge dir seine Umarmung in all seiner Größe und Kraft schenken, [285] so wie die hohe Iuno ihn empfängt, und vorher seine Hoheitszeichen anlegen.« Mit solchen Worten hatte Iuno die ahnungslose Cadmustochter unterwiesen. Sie bittet Iuppiter um ein Geschenk, ohne es zu benennen. Der Gott spricht zu ihr: »Wähle nur! Du wirst keine Zurückweisung erfahren. [290] Und damit du mir noch mehr glaubst, soll auch die Gottheit des stygischen Sturzbachs meinen Eid hören. Sie ist der Schrecken sogar der Götter und ihr Gott.« Froh ihres Unheils, allzu mächtig und todgeweiht durch die Ergebenheit des Geliebten, sprach Semele: »Wie Saturnia dich zu umarmen pflegt, wenn ihr den Bund der Liebe schließt, [295] so schenke du dich mir!« Der Gott wollte ihr die Lippen verschließen, während sie noch sprach; doch schon war das übereilte Wort in die Lüfte entflogen. Er seufzte auf; denn es war weder möglich, ihren Wunsch noch seinen Schwur ungeschehen zu machen. Also stieg er todtraurig zur Höhe des Äthers empor und zog durch ein Nicken die folgsamen Wolken zusammen, [300] nahm Platzregen hinzu und, mit Winden vermischt, Wetterleuchten, Donnerschläge und den Blitz, vor dem es kein Entrinnen gibt. Doch so gut es irgend geht, versucht er seine Kraft zu verringern. Und er bewaffnet sich nicht mit dem Feuerstrahl, mit dem er den hundertarmigen Typhoeus niedergeworfen hatte – zu gewaltig ist diese Waffe. [305] Es gibt noch einen anderen, leichteren Blitz, dem die Hand der Cyclopen weniger Grausamkeit, Feuer und Wut mitgegeben hat: »Zweites Kaliber« nennen’s die Götter. Er nimmt diese Waffe und betritt Agenors Haus. Der sterbliche Leib ertrug nicht den ätherischen Sturm und verbrannte an den hochzeitlichen Gaben. [310] Das noch nicht ausgetragene Kind wird aus dem Leibe der Mutter gerettet und, zart wie es ist, in den Schenkel des Vaters eingenäht – wenn man es glauben darf –, bis seine Zeit erfüllt ist. Ino, die Schwester seiner Mutter, zieht es heimlich auf, solange es noch klein in der Wiege liegt; später übergibt sie es den Nymphen vom Berg Nysa. [315] Sie versteckten es in ihren Grotten und nährten es mit Milch.

      Tiresias

      Während dies auf Erden nach dem Gesetz des Schicksals geschah und die Wiege des zweimal geborenen Bacchus in sicherer Hut war, soll Iuppiter einmal, vom Nektar erheitert, die ernsten Sorgen beiseite geschoben haben. [320] Mit Iuno, die für ihn Zeit hatte, scherzte er entspannt und sprach: »Größer ist in der Tat die Lust, die ihr empfindet, als diejenige, die den Männern zuteil wird.« Sie streitet es ab. Man beschloß, den erfahrenen Tiresias um seinen Schiedsspruch zu bitten; kannte er doch die Liebe von beiden Seiten. Er hatte nämlich im grünen Walde zwei große Schlangen, die sich paarten, [325] mit einem Stock geschlagen und verletzt. Aus einem Manne, o Wunder, zur Frau geworden, hatte er sieben Herbste erlebt; im achten sah er wieder dieselben Schlangen und sprach: »Wenn ein Hieb auf euch so große Macht besitzt, das Geschlecht des Schlagenden ins Gegenteil zu verkehren, [330] will ich euch jetzt wieder schlagen.« Er versetzte den Schlangen, die in der Tat dieselben waren, einen Hieb; seine frühere Gestalt und seine angeborene Erscheinung kamen zurück. Ihn wählt man also zum Schiedsrichter für den scherzhaften Streit. Er bestätigt Iuppiters Spruch. Saturnia soll sich dies mehr als billig zu Herzen genommen haben und nicht, wie es der Sache entsprochen hätte. [335] So verurteilte sie die Augen ihres Richters zu ewiger Nacht. Doch der allmächtige Vater – darf doch kein Gott die Handlungen eines Gottes rückgängig machen – gab ihm anstelle des verlorenen Augenlichtes das Wissen um die Zukunft und milderte die Strafe durch diese Ehre.

      Narcissus und Echo

      In Aoniens Städten hochberühmt, [340] gab Tiresias


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