Clans von Cavallon (2). Der Fluch des Ozeans. Kim Forester

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jedoch nicht so bereitwillig wie Sorsha. »Aus dem Schlund?«, fragte ein älterer Hengst, dessen Mähne von silbernen Strähnen durchzogen war. »Da unten kommt niemand raus, nicht mal ein Monster.«

      »Ich schon«, knurrte Nixi. »Und wenn ich das kann, dann können die es auch!« Zu guter Letzt gelang es ihr, sie doch noch zu überzeugen. Sie versammelten sich vor der Großen Grotte. Die Meermenschen hielten spitze Steine oder Waffen in den Händen, die sie aus Schiffswracks geborgen hatten, während neben ihnen die Kelpies mit ihren kräftigen Hufen und scharfen Zähnen in Stellung gingen.

      Nixi kämpfte sich mit einem Speer nach vorne zu Sorsha durch.

      »Sie sind fast da!«, rief Egeria. Die zierliche Kelpiestute mit der sanften Stimme stand erhobenen Hauptes an der Spitze der Gruppe. Ihre Mähne tanzte in der Strömung.

      Tatsächlich – von den Rändern der Seegrasfelder her kam ein dunkler Schatten auf sie zu. Er schob eine Woge aus schäumender Gischt vor sich her, die von Hunderten Hufen kündete, die das Wasser in wildem Galopp aufwühlten. Unmengen von Seegras wurden aus dem sandigen Grund gerissen und flogen nur so in alle Richtungen davon, während der Schatten unaufhaltsam über die Felder preschte.

      »Bleibt zusammen und gebt aufeinander acht!«, schrie Egeria.

      Nixi rückte noch etwas näher an Sorsha heran. Ihre Kelpiefreundin richtete sich neben ihr auf die Hinterbeine auf, bereit, mit ihren kräftigen Hufen zuzutreten.

      Doch dann änderte die Woge die Richtung. Eine starke Strömung ließ Nixi seitwärtstaumeln. Um sie herum wurden verwirrte Rufe laut, während Meermenschen und Kelpies gleichermaßen versuchten, nicht davongewirbelt zu werden.

      Blinzelnd sah Nixi durch das aufgewühlte Wasser zu den Monstern hinüber. Sie schwammen nach oben! Ihre gruseligen Tentakel und gigantischen Rückenflossen warfen im Licht der Sonne seltsame, wogende Schatten auf den Meeresgrund.

      »Sie wollen an die Oberfläche!«, schrie jemand.

      »Aber warum?« Sorsha ließ die Hufe sinken.

      Ein Kribbeln lief über Nixis Rückgrat, als sei sie in ein Feld aus Anemonen gefallen. »Sie haben es nicht auf uns abgesehen«, keuchte sie entsetzt. »Sie wollen zur Festungsinsel!«

       Genau dorthin, wo meine Gang ist …

      Kapitel 2

      Mein Plan ist es, ganz Cavallon zu erobern«, sagte Dromego. »Und du wirst mir dabei helfen.« Er packte Sam an der Schulter und schob ihn durch die unterirdische Werkstatt.

      »Hey!«, protestierte Sam. Er versuchte, sich loszureißen, aber Dromego hielt ihn eisern fest. In der weitläufigen Höhle loderten überall riesige Schmiedefeuer, an denen Menschen mit rußgeschwärzten Gesichtern schufteten. Das Scheppern von Metall, das Klirren der Hämmer und das Fauchen der Flammen dröhnten in Sams Ohren. Neben ihm lief der große und muskulöse Minotaurus, aus dessen Stierkopf spitze Hörner ragten. Auf Sams anderer Seite ging Dromego und trieb ihn unerbittlich vorwärts. Sam warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Was war Dromego? Ein Mensch? Ein weiteres Monster? Dem Äußeren nach schien er nicht viel älter zu sein als Sam selbst. Er war schlank und man hätte ihn durchaus als gut aussehend bezeichnen können, wären da nicht die gebogenen Hörner, die aus seinem hellbraunen Haar hervorragten.

      Was will er von mir?, fragte sich Sam verzweifelt. Angst machte sich in ihm breit.

      Irgendwo über ihm ertönte ein furchterregendes Kreischen. Sam verschlug es vor Schreck den Atem. Direkt unter der Höhlendecke hockten auf Felsvorsprüngen Dutzende pferdeähnliche Gestalten mit langen, schuppigen Hälsen und gewaltigen ledrigen Flügeln, die sie eng an ihre Körper angelegt hatten. Ihre Hinterbeine waren mit schweren Ketten an den Fels gebunden. Sam kannte den Grund dafür: Erst vor Kurzem hatte er miterlebt, wie gefährlich diese riesigen Kreaturen waren. Sie konnten sogar Feuer spucken. Er hatte sie aus nächster Nähe gesehen, als sie sein Zuhause, die Freie Stadt, in Schutt und Asche gelegt hatten. Eines der Ungeheuer streckte sich, schlug ein paar Mal mit den Flügeln und riss das Maul auf. Lange, messerscharfe Zähne blitzten darin auf.

      Sams Angst wich einem überwältigenden Zorn. »Diese Monster!«, schrie er. »Sie haben meine Eltern getötet! Und du hast sie geschickt, oder? Du Mörder!«

      In der Höhle wurde es still. Die Arbeiter hielten in der Bewegung inne und starrten ihn entsetzt an. Sams Wut verpuffte so schnell, wie sie in ihm hochgekocht war. Zurück blieb lähmende Angst. Warum hatte er nicht die Klappe gehalten?

      Dromego zog eine Augenbraue hoch. »Ach herrje«, spottete er. »Da hat wohl jemand schlechte Laune.«

      Der Minotaurus beugte sich vor, sodass sein breites, haariges Gesicht auf gleicher Höhe mit Sams war. Seine Augen waren schwarz und ausdruckslos. Er stieß ein Knurren aus und blies Sam einen Schwall heißen, stinkenden Atems ins Gesicht. Sam zitterte so heftig, dass er sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Oh, ihr Sterne … Er wich vor den scharfen Zähnen und spitzen Hörnern des Minotaurus zurück, die im Feuerschein funkelten, und kniff die Augen zu.

       Lasst es wenigstens schnell vorbei sein …

      Eine Weile verstrich, ohne dass etwas geschah: Keine Zähne bohrten sich in seinen Körper, keine Hörner spießten ihn auf. Schließlich öffnete Sam die Augen vorsichtig und stellte fest, dass sich der Minotaurus wieder aufgerichtet hatte. Dromego grinste gehässig.

      »An die Arbeit«, befahl Dromego, machte eine knappe Handbewegung und wandte sich ab.

      Sams Erleichterung währte nur kurz, denn der Minotaurus schubste ihn unsanft zu einem der Schmiedeöfen hinüber. Ein Grüppchen Menschen in schmutzigen, abgetragenen Tuniken blickte ihm wortlos entgegen. Neben dem gleichmäßig brennenden Feuer drehte sich ein großes hölzernes Rad, das den Blasebalg bediente, der den Flammen frische Luft zuführte. Es wurde von einem alten Einhorn in Bewegung gehalten, das in dem Rad langsam vor sich hin trottete. Flackernde Schatten tanzten über das matte grau-weiße Fell und die zottelige weiße Mähne des Einhorns. Die Spitze seines Horns war stumpf gefeilt worden.

      »Zurück an die Arbeit!«, blaffte eine große Frau mit dunkler Haut und stechenden blauen Augen. Hastig nahmen die Menschen ihre Tätigkeiten wieder auf. Die Frau drückte Sam einen Hammer in die Hand und sagte kurz angebunden: »Stell lieber keine Fragen, Junge. Nur so hast du hier eine Chance. Und jetzt hör gut zu, denn ich erkläre es dir nur ein Mal. Ich heiße Moyra und habe in diesem Trupp das Kommando. Es ist mir egal, wo du herkommst, wie du hier gelandet bist oder ob du Angst hast. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte und Angst haben hier alle.« Bei diesen Worten huschte ein schmerzvoller Ausdruck über ihr Gesicht. Sie fuhr sich durchs verfilzte Haar. »Wenn du überleben willst, folge meinen Befehlen, schmiede Rüstungen und halte deinen Mund. Das Beste, was dir passieren kann, ist, dass Dromego vergisst, dass du hier bist.«

      Moyra beschrieb, wo die Werkzeuge aufbewahrt wurden, doch Sam hörte ihr nur mit halbem Ohr zu. Er war zu sehr damit beschäftigt, die anderen Arbeiter zu beobachten. Sie wirkten gehetzt, von panischer Angst getrieben. Manche zuckten jedes Mal zusammen, wenn Moyra Dromegos Namen aussprach. Einer von ihnen, ein dünner Mann mit fleckigem Gesicht, zitterte so sehr, dass er das windschiefe Rüstungsteil, auf das er einhämmerte, immer wieder fallen ließ.

      Und schon wieder eine Schmiede, dachte Sam. Ihm war gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen zumute. Er war ja überhaupt erst hier unten gelandet, weil er versucht hatte, seinem Schicksal als Sklave in einer Einhornschmiede zu entkommen. Dort hatte er sich durch Helme und Kettenhemden von außergewöhnlicher Qualität und Leichtigkeit hervorgetan, was er vor allem der seltsamen Verbindung mit Tordred zu verdanken hatte.

      Wo bist du?, fragte er seinen Freund in Gedanken.

      Doch es kam keine Antwort.

      Moyra hielt ihm eine schmutzige Schürze hin. Mit zitternden Fingern band er sie sich um. Nun, da seine Angst langsam


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