Clans von Cavallon (2). Der Fluch des Ozeans. Kim Forester

Clans von Cavallon (2). Der Fluch des Ozeans - Kim Forester


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seiner Mutter gemacht und mit einigen Haaren aus Tordreds Mähne befestigt hatte. Sie war das Letzte, was ihm von seinen Eltern geblieben war. Und vielleicht auch von Tordred.

      »Sieh zu, dass es perfekt wird, Junge«, schloss Moyra ihren Vortrag und schubste ihn zum Amboss hinüber. Sam betrachtete den Hammer in seiner Hand – er war von überraschend hochwertiger Qualität, viel besser als die, die er in der Einhornschmiede benutzt hatte – und machte sich daran, das Rüstungsteil in Form zu bringen, das Moyra ihm vorgesetzt hatte. Zum Glück wussten seine Hände, was zu tun war, denn er war in Gedanken ganz bei Tordred und bekam kaum mit, was er da tat. Er musste zu ihm durchdringen, das musste doch irgendwie gehen …

      Ich bin hier unten, rief er seinem Freund in Gedanken zu, unter den Bergen. Ich brauche deine Hilfe, Tordred!

      Es kam keine Antwort.

      Neben ihm lief das alte Einhorn in dem Holzrad unbeirrt Runde um Runde und Sams Hammerschläge fielen bald in den Rhythmus der Huftritte und des quietschenden Rades ein. Vielleicht würde ihn das beruhigen.

      Hilf mir, Tordred. Vor Anstrengung rann Sam der Schweiß übers Gesicht, was durch die lodernde Hitze des Schmiedefeuers noch verstärkt wurde. Hilf mir. Hilf mir.

      Immer noch kam keine Reaktion. Frustriert ließ Sam den Hammer auf die Metallplatte krachen. »Jetzt antworte mir doch endlich!«, murmelte er.

      Das alte Einhorn blieb stehen und sah Sam durchdringend an. Sam bedachte es mit einem finsteren Blick und wandte sich dann wieder seiner Rüstung zu. Der Schlag eben hatte eine unschöne Delle darin hinterlassen, die er schleunigst ausbeulen musste.

      Als Moyra ihre Truppe mit einem Pfiff zum Essen rief, waren Sams Kleider völlig durchnässt und aus seinen Haaren rann ihm der Schweiß in die Augen. Seine kupferfarbene Haut war mit einer dicken Rußschicht überzogen.

      Moyra führte sie aus der riesigen Werkstatt in eine kleine, etwas kühlere Kammer, wo eine alte Frau jedem von ihnen ein Stück dunkles Brot und einen Brocken Fleisch reichte, dessen Ursprung nicht mal zu erahnen war. Sam ließ sich auf den nackten Boden plumpsen und lehnte sich gegen die Wand. Er hatte seit zwei Tagen nichts mehr gegessen und daher war es ihm ziemlich egal, dass das Fleisch im Licht der Fackeln grau und seltsam klumpig aussah. Bevor er sich irgendwelche Gedanken darüber machen konnte, um welche Art Fleisch es sich wohl handeln mochte, hatte er es bereits verschlungen. Das Brot war besser – höchstens ein paar Tage alt. Wahrscheinlich wäre es klug, sich ein Stück davon aufzuheben, damit er etwas zu essen hatte, falls ihm die Flucht gelang, doch sein Magen forderte lautstark die gesamte Ration ein, und zwar sofort. Sam zwang sich, jeden Bissen zwanzigmal zu kauen, bevor er ihn runterschluckte. Immerhin lenkte ihn das von seinen Gedanken an Tordred ab.

      Das alte Einhorn ließ sich ächzend neben Sam nieder. Es aß seine Ration Brot und Fleisch auf, dann beugte es sich zu Sam hinüber und raunte ihm zu: »Du solltest vorsichtiger sein.« Da alle um sie herum ins Gespräch vertieft waren, hörte keiner der anderen Arbeiter seine Worte.

      »Was meinst du?«, fragte Sam zwischen zwei Bissen.

      »Ich kann erkennen«, erwiderte das Einhorn noch leiser, »dass es ein Band zwischen dir und einem Einhorn gibt.«

      Sam erstarrte. Das alte Einhorn musterte ihn mit seinen großen schwarzen Augen.

      Sam wusste nur zu gut, dass Einhörnern schon allein die Vorstellung eines Bandes zwischen Menschen und ihresgleichen zuwider war – schließlich hatten Tordred und er deswegen vor dem Eisenhornclan fliehen müssen.

      Er würgte das restliche Stück Brot in einem Bissen runter. Im Licht der Fackeln blitzte die stumpfe Hornspitze des alten Einhorns auf. Konnte es ihn damit trotzdem noch durchbohren?

      Doch das Einhorn zuckte bloß mit den Ohren. »Du solltest vorsichtiger sein«, wiederholte es. »Dromego darf auf keinen Fall davon erfahren. Wer weiß, was er daraus machen würde?«

      Jetzt sah Sam das Einhorn zum ersten Mal richtig an. Er bemerkte die Narben unter seinem matten Fell. »Ich, äh … danke«, stotterte er. »Ich werde besser aufpassen.«

      Das Einhorn blickte sich um. »Du solltest trotzdem weiter versuchen, Kontakt zu deinem Einhorn aufzunehmen«, raunte es. »Wir alle würden sofort von hier fliehen, wenn wir könnten.« Es stieß Sams Oberarm mit seinem Maul an, was ziemlich schmerzhaft war, aber unter Einhörnern vermutlich als höflich galt. »Ich heiße Wardock.«

      Sam rieb sich den Arm. »Sam Quicksilver.«

      »Gib nicht auf«, sagte Wardock.

      Vermutlich hätte Sam froh sein sollen, dass er hier, an diesem entsetzlichen Ort, so etwas wie einen Freund gefunden hatte. Doch auch das konnte ihn nicht aufmuntern. Er hatte Tordred verloren, seine Freiheit – einfach alles.

      Kapitel 3

      Die Pegasus glitten gemeinsam durch die Lüfte. Aquilla schlug mit den Flügeln und genoss das Rauschen des Windes, während sie mit den anderen sechsundneunzig Mitgliedern ihrer Herde in Formation flog.

      Nein, dachte sie voller Zuneigung. Siebenundneunzig.

      Das siebenundneunzigste Mitglied saß auf ihrem Rücken, hielt sich an ihrer Mähne fest und stieß gelegentlich ein übermütiges Johlen aus: Jaren, ihr menschlicher Freund. Die anderen Pegasus bedachten ihn mit freundlichen Blicken. Er war jetzt einer von ihnen. Die Ältesten hatten ihn offiziell in ihre Herde aufgenommen, weil er ihnen geholfen hatte, das Heer von Zentauren, Einhörnern und Menschen zu besiegen, das zu ihnen in den Norden Cavallons gekommen war, um die Pegasus zu vernichten.

      Nun verwandelten sie die Geschichte ihres Sieges in eine ihrer vielen Erzählungen, die die Pegasus von Generation zu Generation weitergaben – die Saga von der Schlacht in den Splittern. Die Stimmung war ausgelassen, was nach dem Erfolg nicht verwunderlich war. Aquilla hätte sich gerne mit ihnen gefreut, doch es gelang ihr nicht recht.

      Nicht solange Aquoro nicht bei uns ist. Die Sorge um ihren Bruder saß Aquilla wie ein Stein im Huf und ließ ihr keine Ruhe. Was ihr am meisten zu schaffen machte, war die Tatsache, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, wo er steckte. Er war einfach verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.

      »Die Saga vom Krieg von Cavallon!«, rief Zadia, ein junges Fohlen mit weißen Flügeln, als die Saga von der Schlacht in den Splittern zu Ende war. »Papa, erzählst du sie uns?«

      Ihr Vater – Baros, ein imposanter Pegasus mit gelbem Fell – stimmte die Geschichte an. Aquilla versuchte, ihre anhaltende Sorge beiseitezudrängen, und passte ihren Flügelschlag dem Rhythmus seiner tiefen Stimme an. Er erzählte von der Dürre und der Hungersnot und von den gewaltigen Anstrengungen, die die Pegasus auf sich genommen hatten, um den Rest Cavallons mit Wasser aus den Bergen zu versorgen – ein nobles Ansinnen, das letztlich jedoch zum Scheitern verurteilt war.

      »Die saftigen grünen Landschaften verdorrten zu unfruchtbaren Einöden«, trug Baros vor. »Unter den anderen Clans brach ein Raunen los: Es hieß, die Pegasus behielten das Wasser ganz für sich. Bald kamen Gerüchte auf, dass die Pegasus die Sterne um diese Dürre gebeten hatten, weil sie die anderen Clans auslöschen wollten. Und so schickten sie eine Armee nach Norden.«

      Die anderen Pegasus sprachen die Geschichte leise mit. Ihr Tonfall war jetzt ernst und gedrückt, wie es die traurigen Ereignisse verlangten. Auch Aquilla flüsterte die vertrauten Worte, die sie wie ihre eigenen Federn kannte.

      Auf ihrem Rücken stieß Jaren ein abfälliges Grunzen aus. »Also, wir Menschen kennen die Geschichte anders«, raunte er und beugte sich vor, damit nur Aquilla ihn hören konnte. »Wir glauben, dass eine Entführung der Auslöser für den Krieg war. Die Pegasus haben doch einen Menschen verschleppt, oder nicht?«

      Aquilla drehte den Kopf nach hinten und blickte ihn entrüstet an. »Eine Entführung? So etwas würden Pegasus nie tun.«

      Jaren


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