Escape. Petra Ivanov

Escape - Petra Ivanov


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dem Kühlschrank und fragte mich, was ich da tat. Eigentlich mochte ich Bier nicht, doch das war mir egal. Zu den ersten Schlucken musste ich mich zwingen, danach ging es ganz leicht. Bald spürte ich gar nicht mehr, wie bitter das Zeug schmeckte.

      Als sich Chris eine Zigarette in den Mund steckte, boter mir auch eine an. Ich lehnte ab. Dafür war mir der Sport zu wichtig.

      «Ich nehme mir einige Tage frei in den Herbstferien», sagte er. «Und du?»

      Ich leerte die Bierflasche. «Hab was vor.»

      «Keine Zeit?»

      Ich schüttelte den Kopf, dabei wurde mir ein wenig schwindlig. Überhaupt fühlte ich mich komisch. Das musste am Alkohol liegen, anders konnte ich mir nicht erklären, dass ich plötzlich zu reden begann wie ein Mädchen.

      «Mein Vater hat Besuch organisiert. Aus Kosova. Darf ich noch eine Flasche?» Ich wartete die Antwort nicht ab, sondern ging einfach in die Küche und kehrte mit einem zweiten Bier zurück. «Sie heisst Sanije.»

      «Sanje?»

      «Sanije. Man betont das ‹i›.»

      «Eine Braut?»

      Die Doppeldeutigkeit kam mir unheimlich komisch vor. Das lag aber nicht nur am Bier. Vor Lachen verschüttete ich fast den Inhalt der Flasche. «Allerdings! Eine richtige Braut, nicht einfach eine Braut.»

      «Hä?»

      «Vater meint, sie sei ‹überdurchschnittlich attraktiv›», lallte ich.

      «Du meinst …» Chris starrte mich an.

      So aufmerksam hatte ich ihn noch nie erlebt. «Sie kommt am 7. Oktober.»

      «Zu dir?»

      «Hast du mir eine Zigarette?»

      Kommentarlos reichte er mir das Päckchen. Nachdem ich eine herausgezogen hatte, gab er mir Feuer. Schon nach einem Zug hustete ich so stark, dass mir fast das Bier hochkam. Ich rauchte trotzdem weiter. «Ich soll sie mir nur ansehen», presste ich hervor.

      «So wie bei einer Modeschau oder so?»

      Ich stellte mir vor, wie Vater einen Laufsteg durch unsere Wohnung baute, auf dem eine magersüchtige Blondine herumstolzierte. Zuerst präsentierte sie sich im Bikini, dann in Küchenschürze und schliesslich mit Kopftuch und Einkaufstasche. Erneut begann ich zu lachen. «Nein, sie kommt zum Essen. Damit ich sehe, ob sie Tischmanieren hat!»

      «Echt?»

      «Idiot!», grölte ich.

      «Wichser», gab Chris zurück. «Brauchst du Verstärkung?»

      «Ich brauche Jackson!» Paul Jackson war ein US-Marine in «Call of Duty». Ich zog an meiner Zigarette. Als ich wieder einen Hustenanfall kriegte, kam das ganze Bier hoch.

      «Scheisse, Mann!», rief Chris.

      Fertig mit Gelassenheit.

      9

      luft

      Auch meine Gelassenheit ist jetzt dahin. Obwohl ich lieber auf den Seegrund sinken würde, beginne ich wie ein Wahnsinniger um mich zu schlagen. Es ist dieser Druck auf meiner Lunge, den ich kaum aushalte. Meine Arme und Beine bewegen sich automatisch, um mich herum wird das Wasser trüb. Wenn ich so weiter mache, löse ich noch eine Flutwelle aus. Und dann, auf einmal, ist alles um mich herum klar. Ich spüre den Wind und höre das Knattern eines Motors. Ich reisse meinen Mund auf und schnappe nach Luft, als hinge mein Leben davon ab. Tut es ja auch.

      Aber von unten greifen schon wieder unsichtbare Arme nach mir. Es gelingt mir, ein zweites Mal einzuatmen, bevor mich die trübe Brühe wieder erfasst. Obwohl ich weiterstrample, bewege ich mich immer weiter nach unten.

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