Der Kandidat. Джек Марс
Jubel ging weiter und weiter. Er wartete darauf, dass die Menge sich beruhigte. Monroes Anhänger hassten Susan Hopkins. Sie hassten sie und alles, wofür sie stand. Sie war reich, sie war schön, sie war verwöhnt – ihr hatte es in ihrem gesamten Leben an nichts gefehlt. Sie war eine Frau in einem Amt, das seit jeher ein Mann besetzt hatte.
Sie stand Einwanderern freundlich gesinnt gegenüber, und den Chinesen, deren billige Arbeitspraktiken den amerikanischen Way of Life zerstört hatten. Sie war eine Hedonistin, ein ehemaliges It-Girl und sie schien alle Vorurteile zu bestätigen, die konservative Familien über Prominente hatten. Um Gottes Willen, ihr Ehemann war schwul! Er war ein gebürtiger Franzose. Konnte es auch nur irgendetwas unamerikanischeres geben als einen schwulen Franzosen?
Susan Hopkins war in den Augen dieser Menschen ein Monster. In den Untiefen von Verschwörungsforen im Internet gab es sogar Leute, die behaupteten, dass sie und ihr Mann Mörder waren oder vielleicht sogar Schlimmeres. Sie waren Teufelsanbeter. Sie gehörten einem satanistischen Kult der Ultrareichen an, der kleine Kinder entführte und opferte.
Nun ja, heute würde Monroe auf zumindest auf die Mörder-Theorie eingehen. Er wünschte sich so sehr, dass er in das Oval Office blicken könnte, um ihr Gesicht zu sehen, wenn er die Neuigkeiten ankündigte.
Die Menge hatte sich inzwischen beruhigt. Sie warteten auf ihn.
„Ich möchte, dass ihr mir gut zuhört“, sagte er. „Denn was ich euch jetzt erzähle, mag ein wenig kompliziert sein und es ist nicht leicht mit anzuhören. Aber ich werde es euch verraten, da die Wahrheit ans Licht kommen muss. Ihr, das amerikanische Volk, ihr wahren Patrioten, verdient es, die Wahrheit zu hören. Das ist sehr wichtig. Es geht um unsere Zukunft.“
Jetzt hatte er sie in der Hand. Sie waren so weit. Er war kurz davor, die Bombe zu zünden. Jefferson Monroe machte sich innerlich bereit.
„Fünf Tage vor der Wahl wurde eine Leiche nahe des Tidal Basin, genau hier in Washington, D.C. aufgefunden.“
Die Menge war still. Eine Leiche? Das war neu. Das war nicht gerade ein typisches Thema für eine Jefferson Monroe Wahlveranstaltung. Es schien, als würden ihn tausende Augen gleichzeitig anstarren. Nein, es schien nicht nur so, das war tatsächlich, was gerade passierte. Erzähl uns mehr, schienen diese großen, leeren Augen zu schreien. Erzähl uns alles.
„Zuerst schien es so, als hätte der Mann Selbstmord begangen. Er wurde in den Kopf geschossen, die Waffe wurde nahe der Leiche gefunden und sie war voll mit seinen Fingerabdrücken. Sein Tod schaffte es nicht gerade in die Schlagzeilen – Menschen sterben jeden Tag und viele von ihnen nehmen sich selbst das Leben. Doch ich wusste es einfach. Ich wusste schon da, dass dieser Mann keinen Selbstmord begangen hat.“
Die Augen wichen nicht von ihm ab. Tausende und abertausende Augen.
„Woher ich das wusste?“
Niemand sagte auch nur ein Wort. Jefferson Monroe hatte noch nie eine so große Menschenmenge gesehen, die so still war. Sie spürten, dass etwas Großes auf sie zukam.
„Ich wusste, dass er keinen Selbstmord begangen hat, da ich den Mann persönlich kannte. Ich würde fast sagen, dass er mein Freund war. Sein Name war Patrick Norman.“
Jefferson war es gewohnt, Lügen zu erzählen. Doch trotzdem spürte er, im Gegensatz zu manch anderem Politiker, jedes Mal ein innerliches Zwicken. Es war kein Schuldbewusstsein. Es war eher die Tatsache, dass irgendwo da draußen irgendjemand die Wahrheit kannte, und dass diese Person unermüdlich daran arbeiten würde, dass diese Wahrheit ans Licht kam. Tatsächlich waren mindesten drei Personen direkt hinter ihm, die die Wahrheit kannten. In der Organisation waren insgesamt bestimmt noch ein Dutzend weitere. Sie wussten, dass Jeff Monroe noch nie in seinem Leben mit Patrick Norman gesprochen hatte.
Er erzählte weiter.
„Patrick Norman hatte keine Selbstmordgedanken – bei weitem nicht. Ganz im Gegenteil, er war einer der besten und erfolgreichsten Privatdetektive in den ganzen USA und er hat eine Menge Geld verdient. Ich weiß, was er verdient hat, da ich ihn selbst bezahlt habe. Er arbeitete für meine Kampagne, als er ermordet wurde.
„Wahlkampagnen sind ein dreckiges Geschäft, meine Freunde. Ich habe keine Hemmungen, das zuzugeben. Manchmal tut man Dinge, auf die man nicht stolz ist, um einen Vorteil gegenüber seinen Gegnern zu erhaschen. Und ich hatte Patrick angestellt, damit er den Dreck ausgräbt, den die Hopkins-Regierung und die Geschäfte des Ehemanns der bald ehemaligen Präsidentin, Pierre Michaud, am Stecken haben. Okay? Versteht ihr langsam, worauf ich hinauswill?“
Ein Raunen ging durch die Menge, wie eine Welle, die auf den Strand aufschlägt.
„Patrick hat mich ein paar Tage bevor er gestorben ist angerufen und sagte, ‚Jeff, ich habe, wonach du gesucht hast. Ich muss nur ein paar letzte Spuren untersuchen. Aber diese Sache – die Dinge, die sie getan hat – wird die Wahl zu deinen Gunsten entscheiden.‘“
Eine Lüge, die sich auf eine weitere Lüge gestützt hatte. Norman hatte ihn nie angerufen. Er nannte ihn niemals Jeff – wie gesagt, er hatte nie auch nur mit ihm gesprochen. Er hatte keinen Dreck gefunden, wenn es um Susan Hopkins ging, nicht einmal nach einem ganzen Jahr Arbeit. Er war zu dem Schluss gekommen, dass sie lupenrein gewesen war und wenn nicht, dann war der Dreck so tief vergraben, dass ihn niemals jemand finden würde.
„Was Patrick mir gegenüber andeutete war, dass Hopkins und ihr Ehemann Schmiergelder von anderen Staatspräsidenten angenommen hatten, einschließlich von Diktatoren aus der Dritten Welt, im Gegenzug für Gefallen von unserer Regierung. Außerdem hat er angedeutet, dass es für Pierre Michauds gestellte gemeinnützige Organisationen quid pro quos gab. Wenn die Diktatoren zuließen, dass Michaud seine Wasserreinigungssysteme – Systeme, die nicht einmal funktionieren! – bauen durfte, würden die USA Waffen an sie verkaufen. Das ist unglaublich. Und liebe Leute, das war das Letzte, was ich jemals von Patrick Norman gehört habe. Er hatte alles herausgefunden, wenn es um Susan Hopkins ging. Und dann ist er ums Leben gekommen, angeblich durch sein eigenes Tun.“
Jetzt machten sich laute Buh-Rufe in der Menge breit.
„Aber er hat es nicht selbst getan! Gestern Nachmittag hat das Büro des Gerichtsmediziners von Washington, D.C. seine Ergebnisse veröffentlicht. Patrick Norman hat die Waffe, die ihn getötet hat, nicht selbst abgefeuert. Außerdem fanden sich Anzeichen eines Kampfes. Alle Hinweise besagen, dass er umgebracht wurde und der Täter versucht hat, den Mord als Selbstmord darzustellen.“
Er hielt einen Moment inne und holte Luft. Dies waren echte Fakten, die er gerade dargelegt hatte und sie sprachen Bände.
„Nur fünf Tage vor der Wahl. Patrick Norman, der Mann, der sämtliche Beweise für Susan Hopkins‘ dreckige Spielchen in der Hand hatte, wurde nur fünf Tage vor der Wahl ermordet.“
Die Menge explodierte in Ekstase. Das war es, was sie hören wollten, alles, was sie jemals gewollt hatten – etwas, das zu bestätigen schien, was sie schon immer über Susan Hopkins gewusst hatten. Sie war korrupt und sie schreckte nicht einmal davor zurück, jemanden umzubringen, um diese Tatsache zu verstecken.
Während die Menge jubelte, machte sich ein weiterer Sprechchor bemerkbar. Ein Slogan, der erst kürzlich geboren worden war. Der gefährlichste Spruch von allen, ein Spruch, den Gerry der Hai selbst über seine Gathering Storm-Anhänger hatte verbreiten lassen.
„SCHMEISST… SIE… RAUS! SCHMEISST… SIE… RAUS!“
Und dann passierte etwas Merkwürdiges und Wunderbares.
Während seine Anhänger nach Gewalt lechzten, flog eine weiße Taube vom Himmel hinab, schwebte kurz über Jefferson Monroe, und setzte sich dann auf seine rechte Schulter. Sie schlug ein paar Mal mit ihren Flügeln, beruhigte sich aber schnell und saß nun still da. Er hatte tatsächlich eine weiße Taube auf seiner Schulter. Die Menge konnte sich nicht mehr halten.
Es war wie Magie. Mehr noch, es war ein Zeichen. Ein Zeichen von Gott selbst.
Er bewegte sich vorsichtig, um die Taube nicht aufzuschrecken.
Denkt an den Vogel. Das hatte Gerry der Hai in sein Handy geschrien.
Monroe hob seinen linken Arm