Germanias Vermächtnis. Swen Ennullat

Germanias Vermächtnis - Swen Ennullat


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ist eine Stadt im Harz. Ich soll dort offenbar mit irgendwelchen Nachforschungen beginnen. Aber wo? – Irgendwelche Ideen?“

      „Nein, da fragst du eindeutig die Falsche. Der Professor und du seid die Experten. Ich bin eigentlich nur für die Fotos zuständig. Allerdings dachte ich bislang, der Orden hätte nach dem Krieg nur in Westdeutschland weiter existiert und dort seine Macht gefestigt. Quedlinburg lag in der DDR. Meinst du, dort befindet sich – wie in Altenburg – ein weiteres, unbekanntes Versteck oder ein verschollener Bunker mit einem Geheimnis des Ordens, das es zu lüften gilt?“

      Torben streckte sich etwas. „Ich weiß nicht, was es sein könnte, aber es ist offensichtlich so wichtig, dass es Margot mit ihrem letzten Atemzug erwähnen musste. Aber ich kann mir vorstellen, wer uns bei der Beantwortung unserer Fragen behilflich sein kann.“

      „Der Professor?“, mutmaßte Julia.

      „Richtig, der Professor! Aber um ihn zu besuchen, müssen wir vorher auf unsere israelischen Freunde warten.“

      Die Nacht hätte für Torben nicht schrecklicher sein können. Nicht weil er allein schlief, da Julia das so wollte, sondern er hatte einfach keine Ruhe gefunden. Alle waren sie ihm wieder erschienen: Michael, wie er ihn mit einer Pistole bedrohte und dann selbst starb; Margot, in ihrem Blut auf dem Friedhof; seine Mutter, wie sie ihn auf dem Totenbett anlächelte; Tim, der ihn auch hatte töten wollen; und viele andere mehr. Keuchend und schweißnass war er schließlich aufgewacht und hatte sich danach mit grimmiger Entschlossenheit der Minibar gewidmet.

      Am nächsten Morgen konnte er das rückblickend nur als Fehler bezeichnen, denn sein Kopf brummte schon wieder und eine mittelschwere Übelkeit verdarb ihm den Appetit, als er am Frühstücksbüfett des hoteleigenen Restaurants stand. An einem Tisch im hinteren Bereich konnte er Mosche und Levitt entdecken. So entspannt, wie sie aussahen, schien es zu keinen großen Verwicklungen mit den deutschen Ermittlungsbehörden gekommen zu sein.

      Levitt begrüßte ihn kurz und fragte höflichkeitshalber nach Julia. Torben erklärte ihm, dass sie noch etwas schlafen wolle. Sein Gesprächspartner nickte kurz und berichtete dann kühl, dass die „Küstenpolizisten“, wie er die Ermittler des gestrigen Tages nonchalant nannte, zwar nett, aber zweifellos überfordert gewesen waren. Sie hatten tatsächlich die Absicht gehabt, die Mossad-Agenten trotz Diplomatenstatus festzunehmen. Erst ein junger Staatsanwalt hatte sie von dieser selbstzerstörerischen Idee wieder abbringen können.

      Levitt versicherte Torben, dass er trotz oder gerade wegen dieses Vorfalls noch immer die volle Unterstützung seiner Regierung hätte, weil der Mord an Margot erneut gezeigt hatte, wie skrupellos der Orden noch immer agierte. Er wurde als ernstzunehmende Bedrohung der Interessen des israelischen Volkes eingeschätzt, ehrlicherweise allerdings vielleicht nur, weil man so wenig von ihm wusste.

      Torben erfuhr weiter, dass es am heutigen Tage ein Treffen im Auswärtigen Amt in Berlin gäbe, wo man in dieser Sache das Gespräch mit den deutschen Nachrichtendiensten führen würde. Über das Ergebnis würde man Levitt danach in Kenntnis setzen. Dieser rechnete ganz fest damit, dass man Mosche und ihm weiterhin freie Entscheidungsbefugnis lassen würde.

      Levitt hielt im Sprechen inne, als ein Kellner an den Tisch trat und allen Kaffee anbot. Während die Mossad-Agenten ablehnten, stimmte Torben zu und war wenig später froh darüber, da das heiße Getränk langsam seine Lebensgeister weckte.

      Nachdem sie wieder allein waren, wusste Mosche zu berichten, dass er den getöteten Tim vor Ankunft der Polizeibeamten noch durchsuchen konnte und dabei die Brieftasche gefunden hatte, die zumindest eine Auskunft über dessen Identität gab.

      Offensichtlich hieß Tim mit vollem Namen Tim Burmann, war zum Zeitpunkt seines Todes seit drei Monaten achtunddreißig Jahre alt, in Freiburg im Breisgau geboren und arbeitete für eine Firma namens PRAETORIUS aus Bern, wie eine Visitenkarte verriet und deren Anschrift und Telefonnummer der Agent schnell notiert hatte. Eine aktuelle Adresse von Burmann hatte er allerdings nicht finden können.

      Bei Tims Waffe handelte es sich laut Mosche um ein Standardmodell der Marke Sig Sauer, neun Millimeter Parabellum; nichts Ungewöhnliches, eine auch bei deutschen Sicherheitsbehörden weit verbreitete Waffe.

      Überdies wurde bei der Schießerei durch eines der Projektile leider Tims Handy zerstört, mit dem er vor dem Mord an Margot noch telefoniert hatte. Es wäre zwar möglich gewesen zu versuchen, trotzdem einige Daten auszulesen. Das Risiko, das Telefon oder Teile von ihm, wie die Speicherkarten, vom Tatort illegal zu entfernen, war den Agenten aber dann doch zu groß. Die Polizei hätte anhand der Spurenlage festgestellt, dass sie das Mobiltelefon mitgenommen hatten, und womöglich Verdacht geschöpft, dass Tims Tod doch kein Zufall gewesen war. So blieb also erst einmal im Dunkeln, wer dem Mörder den vermeintlichen Auftrag erteilt hatte, die Meisterin zu töten, als sie mit Torben sprach.

      Tims Schweizer Arbeitgeber war vorläufig der einzige Anhaltspunkt, den sie weiter verfolgen konnten. Auf ihn war auch der Audi zugelassen, mit dem Margot am Friedhof angekommen war. Eine Durchsuchung des Autos war den Agenten allerdings auch nicht mehr gelungen. Levitt erklärte ihm, dass aber zumindest die Nachforschungen zu PRAETORIUS bereits veranlasst seien.

      Im Gegenzug berichtete Torben danach ausführlich, was Margot ihm erzählt hatte, und seine beiden Zuhörer machten sich dazu einige Notizen. Sie stimmten ihm nicht nur zu, dass eine Nachfrage bei Professor Meinert sinnvoll sei, sondern klärten ihn auch darüber auf, dass Levitt seit ihrer Begegnung in Thüringen ständig in Kontakt zum Professor stehe. Überrascht das zu hören, weil er bislang geglaubt hatte, dass Professor Meinert das teilweise recht brutale Vorgehen des Mossads kategorisch ablehnte, erfuhr Torben weiter, dass im Gegenzug dafür ein aktuelles Vorhaben des Professors von staatlicher Seite aus unterstützt wurde. Seine Nachfragen, worum es sich dabei handele, tat Levitt mit einer Handbewegung und den Worten ab: „Das kann er Ihnen selbst erzählen!“

      Die Erste, die Torben und Julia freudig begrüßte, war Gertrud, der kleine Chihuahua des Professors, der ihnen schwanzwedelnd und laut kläffend entgegeneilte.

      Torben schien dabei ihr besonderer Liebling zu sein, denn nachdem sie kurz seine Schuhe beschnüffelt hatte, zwackte sie ihn ein paar Mal in die Waden. Die offensichtliche Aufforderung zum Spielen war wegen ihrer kleinen, spitzen Zähne allerdings nicht ganz so spaßig, und Torben sah sich genötigt, den kleinen Racker auf den Arm zu nehmen, um sich dem Stöckchen werfen oder Herumtollen zu entziehen. Julia fand Gertrud natürlich sofort „herzallerliebst“ und kündigte an, sie selbst behalten zu wollen.

      Das Bellen des kleinen Hundes, das die Ankunft von Fremden ankündigte, hatte längst die Aufmerksamkeit von einem guten Dutzend junger Leute erregt, die auf der kleinen Ausgrabungsstätte zwischen den riesigen Laubbäumen unterhalb der Burgruine arbeiteten. Neugierig geworden und den Anlass als willkommene Pause nutzend, klopften sie den Dreck von ihren Knien, kurzen Hosen und T-Shirts ab und blickten in ihre Richtung.

      Levitt war anscheinend schon einmal hier gewesen, denn zielsicher schritt er, die interessierten Blicke ignorierend, auf ein etwas abseits im Schatten stehendes Wohnmobil zu, nicht ohne zuvor Torben und Julia zu bedeuten, ihm zu folgen.

      Unter dem Vorzelt standen ein paar Klappstühle, halbvolle Getränkekisten und zwei Tische, die mit Kaffeebechern, Notizen und etlichen – historisch anmutenden – Karten, Luftbildaufnahmen und Büchern bedeckt waren. An der Tür des Campers angekommen, schlug Levitt mit der Faust zwei Mal kräftig gegen das Blech und sorgte so dafür, dass der Bewohner der Behausung kurz darauf seinen Kopf ins Freie steckte.

      Es war dann auch Professor Meinert, der sie ähnlich herzlich wie sein kleiner Hund begrüßte. Nachdem er die beiden Stufen zu ihnen regelrecht heruntergesprungen war, um zuallererst Julia an sich zu reißen und innig zu drücken, wandte er sich Torben zu, ignorierte dessen ausgestreckte Hand und sagte: „Mein junger Freund, es ist so schön, Sie wieder zu sehen! Ich habe mir solche Sorgen um Sie gemacht! Nun kommen Sie her und umarmen Sie Ihren väterlichen Freund!“

      Torben


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