Polnische Novellen. Wladislaw Reymont

Polnische Novellen - Wladislaw Reymont


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      Polnische Novellen

      Wladyslaw Reymont

      Inhalt:

       Wladyslaw Reymont – Biografie und Bibliografie

       Tomek Baran

       Das Volksgericht

       Der Tod

       In der Herbstnacht

       Der Schneesturm

       Entwurzelt

       Gerechtigkeit

      Polnische Novellen, W. Reymont

      Jazzybee Verlag Jürgen Beck

      86450 Altenmünster, Loschberg 9

      Deutschland

      ISBN: 9783849633868

      www.jazzybee-verlag.de

      www.facebook.com/jazzybeeverlag

      [email protected]

      Wladyslaw Reymont – Biografie und Bibliografie

      Namhafter poln. Erzähler, geb. am 7. Mai 1867 in Kobiele Wielkie bei Radomsko, verstorben am 5. Dezember 1925 in Warschau. Widmete sich frühzeitig der Schriftstellerei und lebte abwechselnd in Paris, Warschau und Zakopane in Galizien. Er schrieb die Romane: »Komedyantka« (»Die Komödiantin«) und »Fermenty« (»Die Gärung«), realistische, packende Darstellungen aus dem Leben der wandernden Schauspieler, »Ziemia obiecana« (»Das Gelobte Land«), aus dem Leben der Stadt Lodz und eine Sammlung stark naturalistischer Novellen, »Spotkanie« (»Die Begegnung«). Seine Erzählung »Lili«, ein tragisches Idyll genannt, greift wieder in das Leben der Wandertruppen hinein.

      Wichtige Werke:

      Die Komödiantin, 1896

      Die Herrin, 1897

      Das gelobte Land, 1898

      Das Jahr 1794, 1914–1919

      Der Vampir, 1911

      Tomek Baran

      Tomek stiess die Schankstubentür auf, ein scharfer Brodem, wie aus einem Kuhstall, schlug ihm entgegen und eine vor Dichtigkeit fast klebrige Stickluft presste gegen ihn an; er achtete nicht darauf, trat ein und zwängte sich durch das eng verschlungene Menschengedränge hindurch, das wie Roggengarben auf der Tenne einen grossen wirren Haufen bildete, in der Richtung des Lattenverschlags mit der Schanktafel dahinter.

      »Ein Halbquart Schnaps, aber starken!«

      »Ins Blech einschenken?«

      »Nein, ins Glas.«

      Die Schankwirtin goss ein. Er zahlte, nahm Flasche und Glas, wandte sich einem Tisch an der entgegengesetzten Seite der Schankstube zu, liess sich schwer an der Wand nieder, füllte sein Glas mit Schnaps und leerte es in einem Zuge. Dann spie er zwischen den Zähnen hindurch aus, wischte sich den Mund mit dem Ärmel und versann sich. Irgend etwas in seinem Innern schien ihn zu bedrängen, denn er konnte nicht einen Augenblick ruhig dasitzen, er spie immer wieder aus, schlug mit der Faust auf den Tisch, versuchte plötzlich aufzustehen, als müsse er eilig irgendwo hin und liess sich schliesslich mit einem leisen schmerzlichen Aufstöhnen auf die Bank zurückfallen; ab und zu rieb er mit der Faust über seine Augen, denn immer wieder rollte ihm eine Träne über die dürren, bläulichen wie zerfressenen Wangen und brannte wie Feuer auf seinem Gesicht.. Er merkte fast gar nicht mehr, was um ihn her geschah. Ein schwerer Kummer lag wie ein Stein auf seinem Herzen, man sah es ihm an, dass er sich nicht mehr zu helfen wusste und in eine immer grössere Ratlosigkeit verfiel, es war schon so, dass er die Arme hängen liess, ein ums andere Mal vor sich hinseufzte und sich verzweiflungsvoll seinen Schädel kratzte.

      Die Schenke erdröhnte unter dem Schurren und Gestampf der Mazurkatänzer. Etwa zwanzig Paare kreisten eifrig, ganz dem Tanz hingegeben, unter frohen Juchzern und feurigen Hackenstossern in dem gedrängt vollen Raum.

      Hopp! Hopp! Hopp! – wurden eifrig antreibende Zurufe laut.

      Schnaps und Trunkenheit umnebelten bereits die Köpfe und immer wilder schwangen sich die Paare, denn ein solcher Tanztaumel hatte sie gepackt, dass sie wild auftrampelten und sich immer rascher im Kreise drehten.

      Die roten Beiderwandröcke der Frauen blitzten neben den weissen Haartuchkitteln der Männer auf wie Mohnblumen in einem reifen Roggenfeld. Der zur Rüste gehende Tag warf Streifen rötlichen Lichts durch die kleinen, zugefrorenen Fensterscheiben, und ein ärmliches Lämpchen über dem Rauchfang des Herdes flackerte und zuckte wie im Takt des Tanzgetrampels vieler schwerer Füsse.

      Ein dumpfes Stimmengewirr erfüllte den Raum, einem verworrenen, unbestimmten Rauschen gleich, aus dem jäh wie Blitze das derbe: Hopp! Hopp! Hopp! herausschnellte, um alsbald im allgemeinen Lärm wieder unterzugehen, der auf eine Weile alles verschlang; denn an allen Tischen, in allen Ecken der Schankstube, am Schanktisch selber und wo nur irgend ein Platz übrig geblieben war, standen Menschen und redeten miteinander über die Kartoffeln vom vorigen Jahr, über den Herrn Pfarrer, das Kinderzeug, das liebe Vieh und alles, was sie sonst noch auf der Leber hatten und worüber man sich viel besser in Gemeinschaft aussprechen kann und auch leichter unter Leuten Trost findet; denn selbst das Vieh zum Beispiel, wie gesagt, trinkt nicht einmal aus einer Quelle, wenn es allein draus trinken soll, aber in Gesellschaft, da trinkt es selbst aus dem Spülwassereimer, versteht sich, – so kann auch der Mensch nicht allein leben, sich für sich allein in der Schenke belustigen, oder in den Wald fahren, sondern muss, wie es der liebe Gott befohlen hat, immer gemeinsam mit den anderen solches tun – mit den Bruderseelen, richtig wie es sich gehört.

      Alles redet durcheinander, trinkt einander zu, umarmt sich voll Herzlichkeit und die Behaglichkeit lässt jedes Auge heller aufleuchten, während die Hopphopp-hopp-Rufe immer deutlicher werden und schon gar kein Ende mehr nehmen wollen.

      Die Fussbodenbretter knarren immer bedenklicher unter dem Stampfen der eisenbeschlagenen Absätze und die Bassgeigen, die mit ihren Musikanten hoch auf einem Sauerkrautfass untergebracht sind, singen schon mit ganz tiefer Stimme:

      – Bom, tzick, tzick! bom, tzick, tzick! –

      Worauf ihnen die Lindenholzgeigen mit feinen Stimmchen Bescheid geben:

      – Tuli, tuli, tuli, tuli – tulity, tulity! –

      Die Lust brennt lichterloh und unaufhaltsam. Gesichter neigen sich Gesichtern zu, Brust schiebt sich an Brust, Rücken streift den Rücken – und alles ist dermassen vom Tanztakt der lustigen Musik durchdrungen, dass der Oberek sich wild und frei entfalten kann, wie es sich für einen echten, rechten Bauerntanz geziemt. Die Fensterscheiben klirren wehmütig, aus dem Fussboden springen hier und da die dichten Astknorren heraus und die schweren, dickbäuchigen Schnapsgläser auf dem Schanktisch hüpfen immerzu so lustig, dass es einen wahrlich wundernimmt.

      Ab und zu langt der Schankwirt nach der Trommel mit den Schellen, rüttelt sie derb, wie der Bauer den Juden, wenn er ihn am Schopf hält, und schlägt mit


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