Polnische Novellen. Wladislaw Reymont

Polnische Novellen - Wladislaw Reymont


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uns ein Fläschchen Essenz und ein Quart Sprit, zwei Reihen Semmeln und 'n Pfund von der fetten Wurst!« rief man vom Tisch am Fenster, an dem vier Menschen sassen, der Schankwirtin zu; zwei von diesen Leuten trugen städtische Kleidung, die zwei anderen – bäurische.

      »Frau Jatzkowa, liebe Frau Jatzkowa! hör' Sie, auch etwas Essig zur Wurst und einen Teller für den Herrn Jäger! ... Sehen Sie mal, Herr Jäger, ich will es gleich sagen, wie es gewesen ist ...«

      »Sei mal still, Alter, ich werde es ganz genau erzählen, du erinnerst dich nicht mehr, wie es war,« unterbrach ihn die Frau ... »Ich geh' also durch die Waldschneise, sozusagen, ich geh' also ...«

      »Halt's Maul! Die wird hier mit ihrer Zunge unnützes Zeug dreschen. Ich erzähl' es. Auf die Gesundheit, der Herr Jäger!«

      »Wohl bekomm' er Euch, mit Gottes Hilfe!«

      »Noch ein Glas, der Herr Jäger?«

      »Eure Gesundheit, Andreas!«

      »Frau Jatzkowa, nochmal denselben!«

      »Gott bezahl's Euch, Andreas, ich kann nicht mehr.«

      »Noch ein Gläschen, lieber Herr Jägermeister! nur ein Bisschen, nur einen einzigen Schluck, oh ... Gleich will ich es erzählen, wie das gewesen ist. Meine Frau sagt zu mir: ich geh' mich so durch die Waldschneise, durch das Revier, das dem Herrn Jäger gehört, hat sie gesagt, und da liegt mit einemmal etwas, wie ein Hase, und doch ist es kein Hase – nein, es hat keinen Schwanz, hat sie gesagt, kein Kalb ist es und auch kein Schwein, denn es quiekt nicht ein bisschen. Das Frauenzimmer ist stehen geblieben, ganz steif ist sie vor Schreck geworden und betet nur in einem fort: ›Wer sich in den Schutz des Herrn begibt‹, und dieses Tier liegt noch immerzu da, sperrt sein Maul auf, hat sie gesagt, und hatte solche Hauer, jeder wie ein Finger so gross – und da das Weibsvolk doch gleich so wütig und hitzig ist, im Schlechten wie im Guten – so nimmt sie in einem Nu den Klumpen vom Fuss, und mit ganzer Macht ihn diesem Tierzeug an den Schädel! ... und dann, heidi ... und mit Gewein nach Hause gerannt – hat sie gesagt. Sie ist ins Haus gelaufen gekommen und gleich auf mich zu: Alter, hörst du! – Was denn? frag' ich sie. – Ich hab' ein wildes Tier totgeschlagen, in der Waldschneise, sagt sie. – Ich antworte nicht darauf, denn ich habe mir gedacht, dass es sie wohl vom Gehen so benebelt hat und sie darum unsinniges Zeug daherredet, wie das so bei einer Frau einmal ist. Und die immer ein und dasselbe: Ein wildes Tier oder so was Ähnliches hab' ich totgeschlagen, in der Waldschneise ... Ich lange ihr eins mit der Faust über den Buckel, was soll sie unsinniges Zeug daherreden, und die immer wieder nur ein und dasselbe: Ich hab' ein wildes Tier im Wald ... totgeschlagen! Du lieber Gott, du lieber Gott! ... Mit dem Frauenzimmer wirst du nicht fertig, denk' ich jetzt, vielleicht hat sie auch einen Menschen totgeschlagen oder sonst was. Ich spanne also die Schimmelstute an und so bin ich denn hingefahren, weil ich nachsehen wollte, damals als mich der Herr Jäger im Wald trafen.«

      »Das sind Zigeunergeschichten, mein Andreas! Ich habe Euch doch dabei abgefasst, wie Ihr die Rehkuh auf den Wagen ludet!«

      »Noch ein Tröpfchen Schnaps, Herr Jäger – zum Abgewöhnen! Ich habe die Wahrheit gesagt, wie bei der Beichte, vor Hochwürden. Der Herr Jäger sind mir mehr als der Vater oder Bruder, der Herr Jägermeister sind mein lieber Wohltäter. Ich weiss, dass ich, wenn der Herr Jägermeister es wollen würden, meine Sache beim Gericht verliere, denn das ist schon so auf der Welt eingerichtet, dass der feine Herr obenauf ist und du, Bauer, musst leiden, arbeiten und zahlen! Ich weiss, dass der Herr Jägermeister ein ehrlicher, friedlicher und gerechter Mensch sind, so wird er mir auch kein Unrecht antun, und weil ich den Herrn Jägermeister von Herzen lieb habe, wie meinen eigenen Vater, so bringt meine Frau morgen freundschaftlich das Schweinchen hin, und alles ist zwischen uns wieder in Ordnung. Was sollen wir die Gerichte an uns verdienen lassen! Frau Jatzkowa, noch etwas von demselben Schnaps!«

      »Ich lege auch noch ein paar Entlein und eine kleine Scheibe Honig hinzu, denn ich weiss schon, dass die Frau Jägerin eine edeldenkende und feine Dame sind und in den Schulen Bildung gelernt haben, wie der Herr Jäger selbst, – nicht wie wir Bauernpack, zum Beispiel,« fügte die Bäuerin schlau hinzu und beugte sich der Jägerin ergeben zu Füssen, diese aber schloss sie in die Arme, und sie begannen sich vor Rührung zu küssen. »Ich hab' schon ein so weiches Herz, dass ich Euch, Andreas, nicht nur diese Rehkuh schenken werde, sondern auch, wenn Ihr mal eine Fichte oder einen jungen Eichbaum nötig hättet, werde ich Euch Eure Bitte nicht abschlagen können.«

      »Auf Eure Gesundheit, der Herr Jäger, mitleidige und christliche Seele!«

      Sie tranken immer wieder einander zu, küssten sich und tuschelten miteinander, vom Nebentisch aber hörte man jetzt wieder die Stimmen der Bauern:

      »Oh, hundsverdammt! Der Mensch ist gänzlich zuschanden gekommen. Ihr habt ja dort mit ihm zusammengewohnt?«

      »Nur durch einen Grenzrain waren wir getrennt. Ich habe das alles mitangesehen. Es wird einem dabei ganz schlecht zumute, das versteht sich, als wäre man selbst schon krank.«

      »Ich, Czerwinski, sage Euch dieses: er hätte noch leben können, Gott sei seiner Seele gnädig, das hätte er können.«

      »Hale! Wegen zu viel ›grossem Bedürfnis‹ ging das nicht mehr bei ihm, es kam nur mehr wie Wasser aus ihm gefegt; er stöhnte herum und stöhnte herum und schliesslich ist er eingegangen, der Ärmste.«

      »Der Doktor soll bei ihm gewesen sein?«

      »Ih... die Doktoren. Wenn einer sterben soll, dann kannst du ihm eine Hufe Land geben und Hab und Gut bis hoch an den Hals, lebendig wird er doch nicht mehr.«

      »Wahr ist es schon! in deine Hände, Gschela!«

      »Wohl bekomm's. Und wer war daran schuld? Der Wahrheit und Gerechtigkeit nach einzig und allein seine Mastsau und sein Weib. Er hatte eine fette Sau, dick wie ein Holzklotz, so brachte er sie denn zum Verkauf, weil Geld im Haus nötig war. Mit diesem seinem Schwein ist er nun losgezogen. Es hatte geschneit, versteht Ihr, der Schnee lag bis an den Gurt hoch und herumgelaufen ist er, hat sich die Kräfte abgejagt wie gewöhnlich beim Handel. Dann hat er Wurst gegessen, die ist ihm im Magen geronnen und so ist er daran zugrunde gegangen. Hätte er sie gut mit Schnaps begossen, dann wäre ihm nichts geschehen, so wahr Gott im Himmel ist, aber er trank auch nicht ein halbes Quart.«

      »Der Ärmste hatte Angst vor der Hölle zu Hause.«

      »Ho! ho! ein übles Weib hatte der auch, mit festen Fäusten, das will ich meinen! Die prügelte ihn schon manches Mal, und was die ihn geprügelt hat!«

      »Auf Euer Wohl, Gevatter!«

      »Wohl bekomm's. Lasst Euch das von Czerwinski gesagt sein: hätt' er dieses Hundeschönchen geprügelt, dass ihr das Dunkel über die Augen gekrochen wäre, dann hätte er auch ein artiges Frauchen gehabt, wie sich's gehört!«

      »Wahr ist es, was Ihr sagt, Herr Schultheiss, die reine Wahrheit. Der war in der Faust zu weich, hatte auch nicht die richtige Überlegung, wie sich das für einen Mann gehört, jetzt hat er ins Gras beissen müssen – ewige Ruhe seiner sündigen Seele.«

      »In Ewigkeit, Amen. In deine Hände, Gschela.«

      »So ein Ehegatte seid Ihr? die Frau ist fast am Sterben und ihr sauft hier wie die wahren Heiden!« schrie eine Frau, sich zu ihnen hindurchschiebend.

      »Was schert mich das!... Man hat Kinder in Menge, wie Kehricht, und immer noch soll es kein Ende nehmen... pah...«

      »Lästere nicht, Gschela, sonst nimmt dir der liebe Gott noch alles fort...«

      »Trinkt ein Tröpfchen mit, Gevatterin, dann wollen wir gleich zusammen fortgehen ...«

      »Mich hat das Jesuskindlein nicht auf meine alten Tage mit einem Kind erfreut,« begann die Frau auseinanderzusetzen,


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