Handbuch Sozialraumorientierung. Группа авторов
Dazu gehören die Sichtung oder Erstellung für das jeweilige Handlungsfeld relevanter Datenerhebungen, die Durchführung von Befragungen oder die Erkundung und Beschreibung von Lebens- und Aktionsräumen, die mit erprobten Methoden wie Sozialstrukturanalyse, Sozialraumanalyse oder »Weitwinkelscan«14 fachlich qualifiziert angewandt werden können. Ein »kontinuierlich durchgeführtes und standardisiertes Monitoring der Entwicklung handlungsfeldspezifischer Parameter« schafft einen permanenten Überblick zur Entwicklung von Lebensbedingungen und -situationen, macht Veränderungen frühzeitig erkennbar und ermöglicht angepasste Interventionen. Das Wissen um die Strukturen von Lebensbedingungen und der Verteilung von Merkmalen der Lebenslage von Menschen alleine ist jedoch nicht hinreichend zum Verständnis der subjektiven Lebenswelten (Thiersch 1992). Die Erschließung der Bedeutung, die Menschen ihren Lebensbedingungen zuschreiben, und wie sie diese bewerten, erfordert neben einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung eine entsprechend empathische Haltung seitens der Fachkräfte Sozialer Arbeit sowie den Einsatz geeigneter Methoden. Dazu gehört ebenfalls, sich den Interessen der Adressat*innen zu nähern und sich an ihrem Handlungswillen zu orientieren.
Dimension II. Ressourcen und Potenziale
Erschließung, Förderung und Ausbau persönlicher (individueller) und sozialräumlicher (institutioneller) Ressourcen und Potenziale
Weil sozialraumorientierte Soziale Arbeit mit der Bevölkerung, entsprechend den o. g. Ausführungen zu Prinzipien und Standards, am Willen und den Interessen der Menschen ansetzt, wird die Orientierung an den Ressourcen und Potenzialen zu einer weiteren wichtigen Dimension. Neben der Analyse und Förderung individueller Stärken von Menschen in ihrem sozial und räumlich strukturierten Umfeld (vgl. Dimension I), müssen auch »persönliche (individuelle) und sozialräumliche (institutionelle) Ressourcen und Potenziale erschlossen, berücksichtigt und ausgebaut« werden. Hierfür gibt es eine Fülle erprobter Methoden, wie »Ressourcencheck«, »Kompetenzkartierung«, »Eco-Mapping« etc. (vgl. Becker 2014: 185f.), mittels derer sich sowohl individuelle und soziale als auch materielle und infrastrukturelle Ressourcen und Potenziale erschließen und entwickeln lassen. Der Ausbau von Ressourcen und Potenzialen kann im Rahmen des Handlungskonzeptes SRO ein breites Themen- und Aufgabenspektrum umfassen. Diese reichen von der Schaffung und Sicherung adäquaten und bezahlbaren Wohnraums über die Sicherung und Förderung des Arbeitsplatz- und Grundversorgungsangebotes (Lebensmittel, Mittagstisch, Kleiderladen, haushaltsnahe Dienste, Tauschbörsen etc.) unter dem Stichwort »lokale Ökonomie« (Elsen 2011) bis hin zur Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten in öffentlichen Einrichtungen (Bürger-/Quartierzentren etc.), speziellen handlungsfeldbezogenen Angeboten (Jugendtreffs, Erwachsenenbegegnungsstätten, Tagestätten etc.) oder der Nutzung öffentlicher Räume (Plätze, (Spiel-)Straßen, Parks).
Dimension III. Partizipation und Engagement
Ermöglichung und Förderung gesellschaftlicher Teilhabe sowie von bürgerschaftlichem Engagement und Selbstorganisation
Auf der Basis fundierter Analysen zu Lebensbedingungen, Lebenssituationen und Ressourcen in einem sozial und räumlich strukturierten Kontext (vgl. Dimensionen I + II), gehört die »Ermöglichung und Förderung gesellschaftlicher Teilhabe sowie von bürgerschaftlichem Engagement und Selbstorganisation« zu den Aufgaben sozialraumorientierter Sozialer Arbeit, die zur »Dimension Partizipation und Engagement« zusammengefasst werden können. Partizipation, verstanden als Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, bezieht sich sowohl auf ökonomische und politische als auch auf kulturelle und soziale Teilhabe von Menschen, trotz möglicher Einschränkungen. Wie in der obigen Übersicht zu Prinzipien und Standards erkennbar, ist die zielgruppenübergreifende Arbeit konstitutives Merkmal sozialraumorientierter Betrachtungs- und Herangehensweise, die alle Menschen in sozial und räumlich strukturierten Kontexten in den Blick nimmt. Dabei bilden Motivation und Wille zum Handeln der Menschen den Ausgangspunkt der Orientierung an deren Interessen und Themen. Die Herausforderung professioneller Arbeit besteht u. a. darin, »vorhandene Handlungsmotive der Menschen vor Ort herauszufinden«, anstatt sie für (fremdbestimmte) Ziele Anderer zu überreden.
Unter die »Dimension Partizipation und Engagement« fällt auch die Aufgabe der »Förderung von Selbstorganisation und Selbsthilfekräften der Bevölkerung«. Hierzu bedarf es erfahrungsgemäß der Ermutigung und Unterstützung der Menschen vor Ort, ihre Angelegenheiten soweit möglich selbst zu gestalten. Dies bedarf eines systematischen Ermöglichungs- und Unterstützungsmanagements sowie der Schaffung von Öffentlichkeit und öffentlicher Diskurse. Dabei handeln Fachkräfte Sozialer Arbeit grundsätzlich nicht für, sondern mit den Menschen vor Ort und ermöglichen damit Kompetenz-, Selbstwirksamkeits- und Lernerfahrungen. Gelegenheiten selbstbestimmter, aktiver Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen werden geschaffen, erhalten und gefördert, wenn erforderlich auch durch Unterstützung und Anregungen zur Entwicklung des soziokulturellen und politischen Lebens. Die »Schaffung und Erhaltung transparenter und verlässlicher Beteiligungsmöglichkeiten« sowie die »Sorge um Wertschätzung und Anerkennung für gemeinnütziges Engagement« gehören ebenso zu den Aufgaben der Fachkräfte Sozialer Arbeit wie die »politische Einforderung von Beteiligung in allen gesellschaftlichen Bereichen«.
Ein weiteres Aufgabenfeld sozialraumorientierter Sozialer Arbeit im jeweiligen Handlungsfeld stellt die »Unterstützung Engagement-ungeübter Bevölkerungsteile« dar, um Benachteiligungen vorzubeugen oder solche, wo vorhanden, durch geeignete Maßnahmen zu beheben oder auszugleichen. Auch für die Ausführung der unter dieser Dimension zusammengefassten Aufgaben gibt es zahlreiche fachliche Methoden (z. B. »Zukunftswerkstatt«, »Jugendplanungszelle«, »Community Organizing«, »Planning für Real«), Formate (»Bürgerversammlung«, »Selbsthilfeinitiativen« etc.) und Hilfsmittel (z. B. »Beteiligungsmatrix«)15, die auf Passung für das jeweilige Handlungsfeld überprüft bzw. überarbeitet werden können.
Dimension IV. Kooperation und Vernetzung
Entwicklung und Förderung ressort- und disziplinübergreifender Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren, die Einfluss auf die im jeweiligen Handlungsfeld zu bearbeitenden sozialen Prozesse ausüben
Weil eine integrierte und nachhaltige sozialraumorientierte Soziale Arbeit die Einbindung und Kooperation aller involvierten Akteure erfordert, stehen »Entwicklung und Förderung ressort- und disziplinübergreifender Kooperation und Vernetzung mit allen relevanten Akteuren« im Fokus dieser Aufgabenstellung. Als Akteure einzubeziehen sind Institutionen und Organisationen, die Einfluss auf die für das jeweilige Handlungsfeld zu bearbeitenden sozialen Prozesse ausüben. Dies können Kommunen (Landkreis, Stadt, Gemeinde), Institutionen wie Schule, Kirche, Polizei, Arbeits- und Sozialverwaltung, aber auch Bürger*innen, Initiativen und Organisationen der Zivilgesellschaft wie Wohlfahrtsverbände, Bürgervereine sowie Organisationen der Wirtschaft wie Unternehmen, Handwerksbetriebe, Einzelhändler und Freiberufler*innen sein. Die Koordinations- und Vernetzungsaufgaben können je nach Auftrag an den »Leistungserbringer« und beruflicher Stellung, Aufgabe und Rolle der Fachkräfte durchaus variieren. Während Sozialer Arbeit in Behörden meist Gewährleistungs- und übergreifende Koordinationsaufgaben obliegen, können beauftragte Organisationen und Fachkräfte Sozialer Arbeit, für die »Schaffung von Treffpunkten und Anlaufstellen für Adressat*innen oder die Stärkung sozialer Netze der Bevölkerung sowie die Nutzung fachlicher Koordinationsgremien unter Professionellen« zuständig sein. In all diesen Fällen geht es darum, als verlässliche Ansprechpartner*innen zu fungieren, aufgabengerechte Vernetzungs- und Koordinationsformate zu entwickeln und zu betreiben sowie Kommunikationswege und Informationsfluss möglichst transparent, pragmatisch und verlässlich zu gestalten. Neben moderierenden Tätigkeiten zählt die »Unterstützung zum konstruktiven Umgang in Konfliktsituationen« zu den professionellen Aufgaben, verbunden mit Tätigkeiten der Vermittlung von Interessenkonflikten und der Anwendung von Konfliktbearbeitungsmethoden (z. B. Mediation). Aus der sektorenübergreifenden SRO als integralem Bestandteil kommunalpolitischer Strategie ergibt sich die Verpflichtung zu offensiver sozialer Kommunalpolitik und damit der »Einmischung in lokale Politik(-prozesse)«, verbunden mit der Gewinnung