Unverzehrtes Leben. Michael Großek
Frauke hält das kleine, unscheinbare technische Micro-IMP-Wunderwerk zwischen Daumen und Zeigefinger und glaubt, ob der damit verbundenen Möglichkeiten, zu träumen. Sie ist froh, sich so entschieden zu haben. Mit einem Schluck gehüteten sauberen Wassers spült sie die IMP in sich hinein, sie würde die korrekte Stelle in ihrem Körper von selbst finden und sich dort einnisten. Ab Morgen 0 Uhr UTC würde sie aktiv verwendbar sein. Wie viele Ritter es gibt, ließ sich aus der Identifikationsseriennummer jedoch nicht ableiten.
Nachdem es sukzessive seit Anfang der 30er Jahre schon kaum noch eine Marine oder Luftwaffe in Deutschland gab, wurden die bis dato noch verbliebenen Teile der Bundeswehr zu Ende 2039 völlig als Armee beerdigt. Um die aufgelösten Bereiche nicht auch faktisch in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, wurde eine künstliche Sonderpolizeitruppe, der BESD geschaffen, die als Verstärkung der innerstaatlichen Sicherheits- und Katastrophenschutzbehörden dienen sollte, ohne dass diese ihrem »neuen Partner« allzu viel Vertrauen schenkten und das auch öffentlich Kund taten.
Meistens wurde der BESD benötigt, um Auswirkungen regionaler Katastrophen in Grenzen zu halten. In den steppenähnlich verödeten Gebieten Zentraldeutschlands tobten oft Sandstürme, die monatelang versiegten Flussläufe gerieten während extremen Starkregens oder aufgrund der Schneeschmelze nach den langen Wintermonaten regelmäßig außer Kontrolle und rissen jeglichen spärlichen Pflanzenwuchs mit sich. In den Alpengebieten waren die gravierenden Wetterumschwünge zur physischen Unerträglichkeit erwachsen. Alles flüchtete im Land vor irgendwelchen Gefahren hin und her, bloß um an anderer Stelle neue unschöne Erfahrungen damit zu sammeln. Die »Regierung« konnte ohnehin nur tatenlos zusehen und ihren anachronistisch anmutenden Selbstschutzslogan »Bleib zu Hause« daherbeten. Viele wussten gar nicht mehr, wo das überhaupt sein sollte.
Es war allein schon ein täglicher Albtraum zur Arbeit zu kommen, so man eine hatte. Die Reise über ländliche Gebiete geriet zum Abenteuer. Fuhr die Bahn? Waren die Straßen befahrbar? Bekam man Sprit und Ersatzteile für sein Auto? Waren marodierende Banden unterwegs? Rosig war nur der morgendlich im Dunst des Staubes zu beobachtende Sonnenaufgang, der im Sommer eine brütende Hitze von mindestens 45°C versprach. Das irdische Leben verbrannte regelrecht in sengender Mittagsglut. Und nichts, aber auch gar nichts war mehr zur Kühlung funktionsfähig. Klimaanlagen ohne Strom, Freibäder ohne Wasser, Gletscher ohne Eis, Flüsse ausgetrocknet, Seen kochend heiß, keine Bäume, kein Schatten, Wohnungen glichen Brutkästen, Gott sei Dank, wer einen Keller mit Tiefbrunnen hatte. Er sollte besser niemandem davon erzählen, denn das ist unbestritten das Gold dieser Tage!
Sie hat das alles nicht. Weder Brunnen noch Keller – wenigstens Arbeit und jede Menge Wissen von ihrem Vater über das Verhalten in Notfällen. Auch wenn der Kalte Krieg kaum etwas mit der Situation der heißen Zeiten von heute gemeinsam hat, das Überleben reduziert sich auf kleine Aspekte mit großen Effekten im Kampf mit den Elementen und der Kenntnis über die Funktionsweise des Organismus Mensch in solchen Lagen. »Und davon habe ich mehr Ahnung als die meisten Artgenossen«, konstatiert Frauke selbstbewusst. Leid tun ihr ihre Kinder. Herrje, was machen sie bloß und wo sind sie? Die letzte Verbindung zu ihnen ist jetzt wie lange her? Sie ist irritiert.
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