Beethoven. Peter Wehle
Madeleine Pichler, und ohne die kritisch-wohlwollenden Adleraugen meines Lektors Mag. Martin Bruny hätte ich mich noch so sehr bemühen können, es wäre zu keinem Beethoven – von allem mehr gekommen.
Erst recht nicht ohne meine Mutter, Dr. Eva Wehle, die mir auch diesmal wieder die präziseste „Suchmaschine“, das beste Antidepressivum wie auch die verständigste Korrekturleserin war.
Danke!
Peter Wehle
LUDWIG DER DRITTE … UND WAHRE ERSTE
Ludwig – nach dem Großvater sollte er heißen! Da ihr erster „kleiner Ludwig“ im April 1769 nur wenige Tage überlebt hatte, wollten Johann und Maria Magdalena van Beethoven nun auch ihren Zweitgeborenen nach dessen Großvater taufen lassen.
Ludwig van Beethoven senior war mit seinen beinahe 58 Jahren schon zu alt, um dem Neugeborenen noch bei dessen Karriere helfen zu können, aber vielleicht würde seinem Enkel die Namensgleichheit nützen. Erst recht, falls der nicht so begabt wie sein – höchst angesehener – Großvater sein sollte. Aus heutiger Sicht … eine originelle Befürchtung. Aber wer konnte an diesem 17. Dezember 1770 schon ahnen, was für ein Genie hier in der Bonner St.-Remigius-Kirche getauft wurde.
GROSSVATER, VATER, STAMMVATER
1712 in Mechelen geboren, hatte sich Ludwig van Beethoven senior einst von einem jugendlichen „Ausreißer“ aus einem Elternhaus voller Armut zu einem anerkannten und würdigen Hofkapellmeister hinaufgearbeitet. Sein Weg führte den ehemaligen Chorknaben der erzbischöflichen Kathedrale von Mechelen zuerst nach Löwen, wohin er Anfang November 1731 an die St.-Peters-Kirche berufen wurde. Schon bald übernahm er neben seiner Position als Sänger auch die Stelle des Kapellmeister-Stellvertreters. Anfang September 1732 wechselte er an die Lambertuskathedrale nach Lüttich, bevor er im März 1733 zum entscheidenden Karrieresprung seines Lebens ansetzte – der Kölner Kurfürst und Erzbischof Clemens August von Bayern holte ihn als Sänger an seinen Hof in Bonn.
Da die Besoldung adäquat war, konnte er schon einige Monate später Maria Josepha Poll zum Traualtar führen. Von den drei Kindern überlebte nur der Jüngste, Johann van Beethoven, die ersten Lebensjahre.
Großvater und Stammvater Ludwig van Beethoven senior (1712–1773)
Neben seiner musikalischen Arbeit in Konzerten, am Theater und in Kirchen baute sich Ludwig van Beethoven senior ein zweites Standbein auf – einen Weinhandel für vor allem niederländische Kunden.
Die Eltern „unseres“ Beethovens: Johann (1740–1792) und Maria Magdalena van Beethoven (1746–1787)
1760 schien er endlich zum Hofkapellmeister aufsteigen zu können … und musste zusehen, wie Joseph Touchemoulin, ein jüngerer, tatsächlich besser geeigneter Kandidat, ihm vorgezogen wurde. Aber Beethoven senior hatte Glück. Nach dem Tod seines Fürsten, Clemens August von Bayern, im Februar 1761 war dessen Nachfolger, Maximilian Friedrich, Reichsgraf von Königsegg-Rothenfels, zu einem radikalen Sparkurs gezwungen, in dessen Folge er nicht nur die Größe des Bonner Hofstaats von über 1700 auf unter 700 Ämter reduzieren, sondern auch das Gehalt des Hofkapellmeisters halbieren ließ, worauf sich jener frisch ernannte Touchemoulin umsah … und den Triumph erlebte, noch im selben Jahr am Regensburger Hof der Fürsten von Thurn und Taxis eine besser dotierte Stelle zu übernehmen.
Der Hofkapellmeister-Weg war nun frei für Beethoven senior, der sich noch dazu als „Sonderangebot“ für den Erzbischof erwies, da er zwei Posten – Sänger und Kapellmeister – in einer Person bei nur einem Gehalt in sich vereinte. Beethoven senior übte diese Doppelfunktion noch Jahre aus, bevor im Jänner 1773 „bekannter Dingen der Bassist van Beethoven […] als solcher gebraucht zu werden, nimmermehr imstande sich befindet“ zu lesen war. Als er am 24. Dezember 1773 starb, war seine Frau bereits länger in einem Kölner Kloster untergebracht, denn Josepha van Beethoven hatte sich „dem Trunke ergeben“.
Egal ob Ludwig van Beethoven senior eher „ein großer schöner Mann“ mit einer „breide Stirn, runde Nas, große dicke Augen, dicke rothe Wangen, sehr ernsthaftes Gesicht“ war oder ob es sich bei ihm um einen „kleinen kräftigen Mann mit äußerst lebhaften Augen“ gehandelt hat – welche Beschreibung mancher Zeitgenossen auch immer zugetroffen haben mag, er hatte seinen Enkel dermaßen beeindruckt, dass der bei seinen zahlreichen Umzügen des Großvaters Ölporträt pfleglichst behandelte. Schließlich sollte er ihn auch in der neuen Bleibe wohlwollend betrachten können … und umgekehrt.
Beethovens Geburtshaus in Bonn, heute Teil des Beethoven-Museums
VERSAGER UND OPFER
Das berühmte Bonmot „Früher war ich der Sohn meines Vaters, jetzt bin ich der Vater meines Sohnes“ von Abraham Mendelssohn Bartholdy hätte auch von Johann van Beethoven – des alten Ludwig Sohn, des jungen Ludwig Vater – stammen können. Vielleicht wäre es ihm ja tatsächlich eingefallen, wenn nicht der in Bonn allseits geschätzte Vater auch privat so tonangebend gewesen wäre.
Oder sein Ältester nicht so elendiglich begabt gewesen wäre?
Oder der Alkohol nicht so widerwärtig allgegenwärtig gewesen wäre?
Sohn, Vater, Ehemann … und Versager.
Oder doch nur Opfer widriger Umstände?
Johann van Beethoven war vieles, ein wie auch immer erfolgreicher Zeitgenosse war er nicht.
Als er 1740 auf die Welt kam, hatten seine Eltern bereits zwei Kinder begraben, ihre Hoffnungen ruhten nun auf seinen – schmalen – Schultern. Johanns wohlklingende Stimme und seine Musikalität entsprachen den elterlichen Erwartungen, der Vater unterrichtete ihn in Gesang und Klavier. Nach kurzer Zeit in einem Gymnasium bestimmte ihn sein Vater zum Dienst in der Hofmusik. Ab zwölf sang er im kurfürstlichen Chor, mit 16 Jahren erhielt Johann van Beethoven aufgrund „zu der Singkunst habenden Geschicklichkeit, auch darin bereits erworbenen Erfahrung“ sein Dekret als Hofmusikus – eine Position, die ihm ein Zusatzeinkommen als Musiklehrer ermöglichte.
Die finanzielle Situation erlaubte ihm nun, den nächsten Schritt in ein selbstständiges Erwachsenenleben zu tun. 1767 heiratete Johann van Beethoven Maria Magdalena Leym, die trotz ihrer 20 Jahre bereits ein, wenn auch ebenso tragisches wie ehrenhaftes, Vorleben gehabt hatte. Die Tochter des acht Jahre davor verstorbenen Oberhofkochs der Kurfürsten zu Trier hatte 1763 einen kurfürstlichen Kammerherrn (eine Mischung aus Chefbutler und Head of Backoffice) geehelicht, war aber bereits knapp zwei Jahre später Witwe geworden.
Ludwig van Beethoven senior war über die Wahl seines Sohnes gar nicht erfreut – die Leymische sei doch wirklich keine standesgemäße Ehefrau. Wie konnte Johann nur die Tochter eines Oberhofkochs … also nein, wirklich nicht!
Dass in der damaligen Zeit die Position eines – noch dazu kurfürstlichen – Chef de Cuisine der eines Hofkapellmeisters durchaus gleichgestellt war, schien Ludwig van Beethoven senior in diesem Moment heftiger Ablehnung vergessen zu haben.
Eine mögliche Erklärung dieser unberechtigten Mischung aus gesellschaftlichem Dünkel und hofkapellmeisterlichem Poltern könnte jedoch in seiner Angst um den eigenen Familienstatus gelegen sein. Zwar war und blieb er der Vorgesetzte seines Sohnes, aber er mochte wohl gewusst haben, dass er bei wesentlichen Entscheidungen gegen den Einfluss einer bereits eheerprobten Schwiegertochter keine Chance haben würde.
Da sein Sohn aber auf seiner Wahl beharrte, war Ludwig van Beethoven senior klug genug, nachzugeben. Erst recht, da seine zukünftige Schwiegertochter „eine schöne schlanke Person“ von ziemlicher