Das muss gesagt werden. Elfriede Hammerl

Das muss gesagt werden - Elfriede Hammerl


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vielleicht doch nicht geerbt wird, wenn man der Erbtante die Verachtung zeigt, die man für sie empfindet, und vom Ärger darüber, dass die Alte nicht und nicht abkratzen will. So schaut das Verhältnis zur Erbtante aus.

      Und weil sie so verachtenswert und ärgererregend ist, die Erbtante, ist es moralisch nicht nur zulässig, sondern geradezu geboten, ihr gegenüber zu heucheln und zu lügen, ihr eine Wertschätzung vorzuspielen, an die niemand glaubt (vermutlich nicht einmal sie selber), und sie dadurch noch einmal zum Gespött der Umgebung zu machen, weil sie in dem heuchlerischen Schauspiel die Rolle der ahnungslosen Idiotin zu spielen hat, auch wenn sie es durchschaut.

      Zugegeben: Die Karikatur der Erbtante, so wie man sie automatisch vor Augen hat, wenn das Stichwort fällt – eine lächerlich gewandete Schabracke mit gebieterischem Auftreten –, ist vielleicht ein wenig unzeitgemäß, aber im moderneren Styling gibt es sie nach wie vor, die gut verdienende Junggesellin mittleren Alters beispielsweise, deren Neffen und Nichten erwarten, dass Tantchen die Spendierhosen anhat, wenn man sie kontaktiert, und die durchaus damit spekulieren, dass sie ihr Gerschtl, Gott behüte, nicht unnötig mit flotten Liebhabern verjuxt, ehe sie den Löffel abgibt.

      Ja, schon klar, es gibt auch (Erb-)Tanten, die geliebt und geschätzt werden. Und natürlich spricht im Prinzip nichts dagegen, liebenswerten Nichten und Neffen finanziell unter die Arme zu greifen, wenn man dazu in der Lage ist. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der jüngere Menschen oft das physische Ablaufdatum älterer Angehöriger in ihre ökonomischen Überlegungen einbeziehen, die irritiert.

      „Wenn das Haus von der Tante Rosa einmal uns gehört …“ Leuchtenden Blicks dahingesagt, zukunftsfroh.

      Wenn das Haus von der Tante Rosa einmal euch gehört, liebe Leute, dann ist die Tante Rosa tot. Te-o-te. Ist euch das bewusst? Und falls ja, ist es euch wurscht? Und falls ja, warum? Weil die Tante Rosa bloß eine potenzielle Geldquelle auf zwei Haxen ist, die erst genützt werden kann, sobald sie die Haxen streckt?

      Ach, ihr Erbtanten alle, überlegt euch gut, wofür ihr euch entscheidet, fürs Vererben oder fürs Verjuxen! Verjuxen ist nicht die übelste Option, eine schlechte Nachred’ habt ihr sowieso.

      1Der Standard, 28.12.2009

      Januar

      25

      2010

      Gemütsbewegung

      Scheidungsabsichten sind halt riskant. Vor allem, wenn der Mann Ausländer ist. Sagt das Gericht.

      Jüngst passiert: Ein Mann greift zum Messer, weil sich seine Frau von ihm scheiden lassen will. Er sticht sie mehrmals in Kopf, Brust und Hals. Danach attackiert er die lebensgefährlich Verletzte mit einem Stahlrohr, ehe sich einer seiner Söhne schützend vor die Mutter wirft. Der Mann kommt vor Gericht. Angeklagt wird er nicht wegen Mordversuchs, sondern wegen Totschlags. Er habe, befindet der Staatsanwalt, in einer „allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung gehandelt“.

      Das allein wäre zwar einerseits empörend, aber andererseits so verblüffend auch wiederum nicht. Gewalttäter können hierzulande mit einem gewissen Verständnis rechnen, wenn sie Trennungsabsichten der von ihnen terrorisierten Ehefrau mit Attacken auf Leib und Leben der Unbotmäßigen quittieren. Der Mann habe die Frau eben abgöttisch geliebt, heißt es dann in den Medien, und darum die Vorstellung nicht ertragen, ohne sie weiterzuleben. (Dass er erst recht ohne sie weiterleben muss, nachdem er sie umgebracht hat, steht erstaunlicherweise nicht zur Debatte, ebenso wenig wie die Frage, warum er ihr das Leben nimmt, wenn doch angeblich seins nicht mehr erträglich für ihn ist.)

      Allgemein begreifliche Gemütsbewegung also. Wird zwar allgemein begriffen, fließt aber vielleicht nicht so offenkundig in Urteilsbegründungen ein, normalerweise.

      Doch in diesem jüngsten Fall ist der Täter, ach so, zwar österreichischer Staatsbürger, jedoch türkischer Herkunft. Und deshalb begründet der Staatsanwalt dessen allgemein begreifliche Erregung mit dem Migrationshintergrund des Mannes. Wörtlich: „Gerade Ausländer oder Personen mit Migrationshintergrund befinden sich häufig in besonders schwierigen Lebenssituationen, die sich, auch begünstigt durch die Art ihrer Herkunft, in einem Affekt entladen können. Obwohl Affekte von Ausländern in Sittenvorstellungen wurzeln können, die österreichischen Staatsbürgern mit längerem Aufenthalt fremd sind, können sie noch allgemein begreiflich sein.“

      Ja dann. Eh klar. Andere Sittenvorstellungen. Schwierige Lebenssituation des Migranten. Spielt zwar bei Eigentumsdelikten keine Rolle (Recht muss Recht bleiben), wird aber berücksichtigt, wenn einer seine Frau absticht.

      Was letztlich ausschlaggebend war für dieses Urteil, das derzeit für heftige Debatten sorgt – der Sexismus der Urteilenden oder ihre Einschätzung von Ausländern als Menschenschlag mit speziellen Sittenvorstellungen –, wird nicht geklärt werden können. Vielleicht sind sie ja grundsätzlich der Ansicht, dass eine, die sich scheiden lassen will, zu Recht ein hohes Risiko eingeht, und haben mit klammheimlicher Befriedigung eine Gelegenheit gesehen, ihrer Auffassung wenigstens über den Umweg der kulturellen Rücksichtnahme zu Rechtsgültigkeit zu verhelfen. Grob gesagt: Vielleicht war der Verweis auf die Ethnie des Täters ja nur eine faule Ausred’ dafür, dass es nach Ansicht der Richtenden grundsätzlich eine Provokation ist, wenn eine Frau sich scheiden lassen will.

      Oder aber es steht hinter dem Urteil vor allem eine massive Verachtung ausländischen Menschen gegenüber, derzufolge einzukalkulieren und zu billigen sei, dass in diesen Kreisen ein Frauenleben nicht viel wert ist.

      Wie auch immer, die Wirkung dieses Urteils ist fatal, weil es genau das alles signalisiert: Frauen, die sich von Männern trennen, müssen wissen, dass sie sich in Gefahr begeben. Männer aus dem Ausland sind gefährlich. Und: Deren Frauen sollen sich besser damit abfinden, dass der österreichische Staat im Zweifelsfall auf der Seite ihrer Männer steht.

      Das alles arbeitet jenen in die Hände, die nicht nur immer schon gewusst haben und predigen, dass alle Fremden (potenzielle) Verbrecher sind, sondern die auch gern behaupten, dass unser Rechtssystem in Gefahr ist, den Sittenvorstellungen der Zuwandernden geopfert zu werden. Diese These verliert durch das genannte Urteil leider ein wenig von ihrem paranoiden Charakter, denn tatsächlich könnte man es als Initiierung eines Parallelrechts für bestimmte Bevölkerungsgruppen sehen. Und natürlich stellte sich angesichts eines solchen Parallelrechts die Frage, ob und wie schnell es sich auf die übrige Bevölkerung erstreckt.

      Von der Justizministerin verlautet in diesem Zusammenhang wenig Beruhigendes. Sie ließ über eine Sprecherin ausrichten, dass es ein Skandal wäre, in die unabhängige Justiz einzugreifen. Im Übrigen gebe es keine Bevorzugung von Frauen. Und es gebe auch Gewalt gegen Männer.

      Wie bitte? Ein Mann sticht seine Frau fast ab, weil sie sich (wegen seiner Gewalttätigkeit) von ihm trennen will, findet vor Gericht Verständnis, weil er als gebürtiger Türke andere Sittenvorstellungen habe, und alles, was der Frau Justizministerin dazu einfällt, ist, dass man Frauen nicht bevorzugen dürfe und dass es auch Gewalt gegen Männer gebe?

      Na servas. Das schafft Vertrauen. Sie möchten nicht bedroht, nicht attackiert, nicht getötet werden? Als Frau? Woher nehmen Sie die Chuzpe, solche Ansprüche zu stellen? Halten Sie sich für was Besseres? Ein Messer zwischen den Rippen, ach was. Glauben Sie, das passiert nur Ihnen?

      April

      12

      2010

      Adoptivtochter

      Sexuelle Grenzüberschreitungen bewunderter Männer gelten nach wie vor nicht als Unrecht.

      Woody Allen war vor Kurzem in Wien. Mit Ehefrau Soon-Yi. Die Zeitungen schrieben: „Woody Allen mit Ehefrau Soon-Yi, der Adoptivtochter seiner Ex-Frau Mia Farrow.“ So lautet die Sprachregelung: Woody Allen hat eine junge Frau, die hat eine Adoptivmutter, die war einmal Woody Allens Frau. Es klingt, als habe Mia Farrows Leben


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