Das Perchtenerbe. Birgit Arnold

Das Perchtenerbe - Birgit Arnold


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sowohl der Menschen wie auch des Viehs. Jeder hofft auf ihren Segen, und jeder fürchtet ihren Unmut. Diese zwei Gesichter der Frau Percht ziehen Criste in ihren Bann. Sie sind wie die beiden Seiten einer Medaille, wie Himmel und Hölle, wie Geburt und Tod. Ein ehrfürchtiges Zittern überkommt Criste, wenn sie an die Göttin denkt. Allein der Name Frau Percht bezeugt, wie angesehen sie unter den Leuten ist. Als „Frau“ werden nur sehr hochstehende Persönlichkeiten betitelt, oder die Gottheit selbst. Das Verlangen nach einer Begegnung mit ihr bereitet Criste beinahe körperlichen Schmerz. Es fühlt sich an wie sehr starker Hunger. Und tatsächlich hungert sie danach, diese Frau zu sehen, ihre Gegenwart zu erfahren. In ihrer Fantasie hat sie ein Bild der Urmutter gezeichnet, das ihr nicht mehr aus dem Sinn geht, um das ihre Gedanken ständig kreisen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht daran denkt.

      Criste weiß, dass ihre Familie sich in Gefahr befindet. Frau Percht besteht auf eine Ruhephase zwischen den Jahren. Gerade die Frauen, welche in der Regel ständig schwanger sind, benötigen diese Pause, um wieder zu Kräften zu kommen. Deshalb sind all die schweren Arbeiten in dieser Zeit verboten. Das Spinnen, das Waschen und das Putzen. Cristes Mutter hat sich dieses Jahr nicht an diese Vorgaben gehalten. Sie ist der Meinung, dass der alte Glaube nicht mehr die Macht besitzt, die er früher einmal hatte. Doch trotz des Zweifels, der in der Bevölkerung immer weiter um sich greift, warten viele Familien des Dorfes heute gespannt auf das Erscheinen der Frau Percht.

      Criste knetet aufgeregt ihre Hände. Als sie sich dessen bewusst wird, verschränkt sie die Finger mit solcher Kraft ineinander, dass die Knöchel weiß hervortreten. Sicher würde die Urmutter als Schutzpatronin der Spinnerinnen Verständnis für die Situation ihrer Eltern haben. Sie muss doch wissen, dass sie lediglich aus der Not heraus handeln. Unbehaglich lässt Criste ihre Gedanken weiter wandern. Doch was wird geschehen, wenn Frau Percht dieses Argument nicht gelten lässt? Welche Strafe wird die Familie dann ereilen? Wird tatsächlich über ihre Mutter gerichtet werden, sie gar getötet werden? Angst beschleicht Criste, Angst, die nicht mehr von ihr weichen will.

      Das Tageslicht ist fast erloschen. Was von ihm noch übrig ist, erahnt man mehr, als dass man es tatsächlich sieht. Die Stimmung wird hektischer. Die Menschen, welche zuvor noch ihre Waren auf dem Markt feilgeboten hatten, tragen diese nun eilig nach Hause. Der Korbflechter rennt an Criste vorüber. Laut rufend bahnt er sich seinen Weg. Der hohe Korbturm, den er vor sich her balanciert, versperrt ihm fast vollständig die Sicht, und so stolpert er beinahe über ein Schaf, das von seinem Besitzer nach Hause getrieben wird. Eine alte Frau zieht ihren Handkarren mit Eiern und lebenden Hühnern, denen die Beine zusammengebunden sind, hinter sich her. Die Tiere gackern aufgeregt und die Räder des Karrens quietschen durchdringend im Takt der eiligen Schritte.

      Bei diesem Geräusch flackert kurz der Gedanke in Cristes Bewusstsein auf, dass kein Rad sich drehen darf. Doch sie verwirft ihn sogleich wieder. Das soll nicht ihr Problem sein. Jeder muss selbst wissen, was er tut.

      All die Menschen eilen in ihre Häuser, um dort darauf zu warten, dass Frau Percht ihnen ihr Schicksal verkündet. Schnell werden noch letzte Handgriffe verrichtet und aufgeregtes Getuschel ertönt aus allen Gassen. Die Spannung liegt greifbar in der Luft.

      Gerade als Criste denkt, sie würde von ferne Hufgetrampel vernehmen, packt sie eine Hand mit hartem Griff am Arm und zerrt sie aus ihrem Versteck. Ihre Mutter steht vor ihr und starrt sie voller Wut an.

      Die Augen eng zusammengekniffen, mit müden Schatten darum, zischt sie: „Scher dich nach Hause Kind! Sofort!“

      Diese Aufforderung duldet keine Widerrede. Die Mutter stößt Criste von sich, so dass diese auf den Knien im hartgefrorenen Dreck landet. Einen Moment lang bleibt das Mädchen so am Boden liegen, ihre Knie schmerzen. Sie krallt die Finger in das Eis und presst die Lippen aufeinander. Die Hoffnung, Frau Percht heute endlich einmal sehen zu können, löst sich auf und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

      Verzweiflung breitet sich in Criste aus. Sollte sie auch dieses Jahr wieder nur in ihr Stroh gekauert auf die Geräusche draußen lauschen? Es sieht ganz danach aus.

      Da sie weiß, dass sie ihrer Mutter körperlich unterlegen ist, beißt sie die Zähne zusammen, rappelt sich auf und trottet mit gesenktem Kopf hinter ihr her. Cristes Gedanken bleiben allerdings bei Frau Percht, und noch immer horcht sie angestrengt in die Ferne, ob sie nicht doch das Hufgetrampel der Gruppe aus der Unterwelt hört.

      Viel zu schnell kommen sie an ihrem Haus an. Mit Widerwillen betrachtet Criste das Gebäude. Es besteht aus zwei Hälften. Die eine dient als Stall und Scheune. In der anderen wohnen die Menschen. Durch die Tiere wird der Wohnraum etwas erwärmt, doch ständig hat man den Geruch des Dungs in der Nase. In der Mitte des Raumes befindet sich eine Feuerstelle. Im Moment hängt ein großer Topf mit dünner Suppe über ihr. Direkt darüber ist ein Loch in das Dach eingelassen, damit der Rauch abziehen kann. Die Möblierung ist sehr spärlich. Sie besitzen einen Tisch mit drei Schemeln, in der Ecke steht eine Truhe, in welcher all ihre Habseligkeiten aufbewahrt werden, und nahe des Stalls steht eine schmale Pritsche, auf der die Eltern schlafen. Darauf liegt neben einem Strohsack sogar ein Schaffell. Ein Luxus, der den Eltern vorbehalten bleibt. Die Kinder müssen im blanken Stroh auf dem Boden schlafen.

      Der Vater und Cristes Geschwister befinden sich bereits in der Stube. Als sie mit ihrer Mutter das Haus betritt, begibt sich der Vater nach hinten in den Stall, um die Tiere zu versorgen. Die Kinder sitzen auf dem Boden und spielen mit Kieselsteinen. Criste beneidet sie um ihre Sorglosigkeit. An der Haustüre haben die Eltern vor langer Zeit ein Druidenkreuz aus Holzspänen befestigt. Es soll Unheil von diesem Haus fernhalten. Damals glaubte die Mutter noch an die alten Gesetze. Criste wirft im Hineingehen einen schnellen Blick nach oben, sie vergewissert sich, dass es noch immer an Ort und Stelle hängt.

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