Göttinnen, Götter, Mythen. Christiane Lutz
Die Autorinnen
Christiane Lutz ist als Kinder- und Jugendpsychotherapeutin sowie als Paar- und Familientherapeutin in eigener Praxis in Stuttgart tätig. Sie ist Dozentin am C. G. Jung-Institut in Stuttgart.
Pia Schiller, M.A. (phil.), ist als Heilpraktikerin in eigener Praxis tätig.
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1. Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-037934-3
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-037935-0
epub: ISBN 978-3-17-037936-7
mobi: ISBN 978-3-17-037937-4
1 Einführung
Was können uns die großen Göttergeschichten heute noch sagen? Repräsentieren sie alte Geschichten, die vor unserem klaren Denken kaum etwas anderes sind als dramatische Geschichten, die Abbilder menschlichen Erlebens darstellen, aber im Grunde in die Märchenschublade gehören?
Der Mythos ist nach griechischem Verständnis das Wahre, Wahrhaftige (Lutz 2016). Es ist der Niederschlag dessen, was die Menschheit seit Urzeiten erlebt und erlitten hat. Es sind einerseits die farbigen Erzählungen, andererseits die göttlichen Gestalten, die ein unsterbliches Erlebnisgut repräsentieren, das den jungen Menschen auch heute noch viel zu sagen hat. Die Erfolgsserien von Rick Riordan sprechen eine eigene Sprache, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen fasziniert. Der Autor verknüpft griechisches, ägyptisches und nordisches mythologisches Gedankengut mit dem gegenwärtigen Erleben von Kindern in der beginnenden Pubertät. In dramatischen Szenen sind die Leser Akteure in den gefährlichen Interaktionen zwischen den Göttern. Sie sind zum Beispiel Kinder der Vatergötter Zeus und Poseidon und kämpfen mit dem Unterweltsgott Hades. In anderen Bänden werden die Kinder zu »Gottlingen«, indem sich die ägyptischen Götter in ihnen niederlassen (Riordan 2011–2014).
Die umfassende Begeisterung der Heranwachsenden zeigt, dass in diesen Themen eigenstes, archetypisches Erleben angesprochen wird. Dies gilt für die bewusste Wahrnehmung. Dass die Beziehung auf der Ebene von bewusst zu unbewusst eine noch tiefere Dimension anspricht, zeigen die archetypischen Träume der Kinder und Jugendlichen. Diese Träume unterscheiden sich deutlich von denjenigen Träumen, die eine Handlung mit bekannten Personen abbilden. Hier ist das Ich als reale Person mit unterschiedlichen Gefühlen beteiligt. Zumeist ist der Traum wie ein griechisches Drama aufgebaut. Es findet eine Einleitung statt, es entwickelt sich eine Handlung mit sich steigernder Dynamik bis zu einer Katastrophe. Dann ebbt die Handlung ab bis zu einem gelegentlich beruhigenden Schluss, und sei es der, beim Aufwachen festzustellen, dass es »nur« ein Traum war.
Archetypische Träume stellen sich hingegen anders dar. In der Regel gibt es keine Handlung, stattdessen werden Bilder wahrgenommen. Es existieren keine bekannten Personen und das Traum-Ich agiert häufig als Beobachter. Die dargestellte Szene ist häufig rätselhaft »unlogisch«. Gesetze der Naturwissenschaft erscheinen aufgehoben. Nicht selten sind die Träume auch farbig und unterstreichen damit den Aspekt der Lebendigkeit und Aktualität. Die auftauchenden Figuren sind unpersönlich, erinnern an keine Bekannten oder Freunde. Sie scheinen deutlich etwas zu symbolisieren, was sich jedoch dem spontanen, interpretierenden Bewusstsein verschließt. Nicht selten steht man einem solchen Traum ähnlich gegenüber wie der rätselhaften Pythia, die lorbeerkauend ihre Orakel verkündete, die, zumeist doppelbödig, häufig missverstanden wurden.
Der Versuch, Göttinnen, Götter und Mythen in ihrer tiefen Botschaft mit archetypischen Träumen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verbinden, hat sich in der praktischen therapeutischen Arbeit als sehr hilfreich erwiesen. Es sind Quellen der Erkenntnis, die jenseits von rationalen Deutungen und Interpretationen die selbstheilenden Kräfte im Patienten aktivieren und damit nicht selten die Behandlungszeit verkürzen. Die Archetypen aktivieren Erkenntniskräfte im Einzelnen, die nicht selten in Krisensituationen weiterhelfen.
1.1 Götter – Spiegel des Menschlichen, Menschliches – Spiegel des Göttlichen?
In Zeiten zunehmender Verunsicherung, im immer flüchtigeren Zeiterleben, in Gewalttätigkeit und Terrorismus im Namen Gottes erhebt sich immer stärker die Frage nach dem Göttlichen.
Gibt es eine transzendente Verbindlichkeit, gibt es Gott in seinen vielfältigen Erscheinungsformen in Natur und Kultur?
Meinen die vielen Götter im Alten Ägypten, in Griechenland, bei den Etruskern und Römern, bei den Germanen und Kelten schließlich immer nur den einen Einzigen? Ist es die Sonne als Manifestation dieses Einzigen, wie es Echnaton, der rätselhafte Pharao und Gemahl der schönen Nofretete vor 3 000 Jahren verkündete? Ist es aber gleichzeitig auch der Mensch, der sich über die Verehrung des Göttlichen selbst zum Gott erhebt, wie es Echnaton in seinem Sonnengesang beschrieb als Ausdruck tiefster Überzeugung, die nichts mit Anmaßung zu tun hatte.
Und was ist an dem Mythos des »goldenen Zeitalters« der Griechen dran, die den Menschen über seinen Geist zu einem unsterblichen Wesen machte? Oder woher kommt die Überzeugung zum Beispiel bei den Kelten, dass ein würdiger Mensch, sei es ein Druide, Priester oder machtvoller Fürst nach dem Tod zum Gott wurde?
Und wenn es so ist, dass Gott Mensch ist, wie es der christliche Mythos über die Gestalt Christi verkündet, müsste die Umkehr berechtigt sein, zu denken, dass der Mensch zumindest Göttliches in sich trägt. Hat nicht auch Goethe etwas Ähnliches ausgedrückt, wenn er davon spricht, dass uns Göttliches nur entzücken kann, weil das Gottähnliche im Menschen ist?
Die vielschichtigen Mythen unseres Kulturraums umkreisen immer wieder dieses Rätsel der Beziehung zwischen dem Göttlichen und dem Menschen. Sie versuchen Verbindendes und Trennendes zu erfassen. Aber die absolute Wahrheit werden wir aus unserer