Cannabis in der Medizin. Manfred Fankhauser

Cannabis in der Medizin - Manfred Fankhauser


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2: Darstellung von Cannabis im Kräuterbuch von Leonard Fuchs

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      Abb. 3: Darstellung von Cannabis im Kräuterbuch des Tabernaemontanus

      Ab 1500 entstanden als Folge der sich etablierenden Buchdruckerkunst epochenprägende Kräuterbücher. Man ging dazu über, die Pflanzen so naturgetreu wie möglich abzubilden. Bei den als Väter der Botanik bezeichneten Kräuterbuchautoren Otto Brunfels, Hieronymus Bock und Leonard Fuchs wird die Pflanze beschrieben und in kunstvollen Holzschnitten porträtiert.

      Aber auch nachfolgende Kräuterbuchautoren wie Adam Lonicer, Jacobus Theodorus Tabernaemontanus oder Andreas Matthioli erläutern die medizinischen Anwendungen von Hanf. Letzterer schreibt:

       «Den Weiber / so von wegen der auffstoßenden Mutter hinfallen / sol man angezündeten hanff für die Nasen halten / so stehen sie bald wiederumb auff»

      (TSCHIRCH 1910: 849).

      Bemerkenswert ist, dass in diesem Kräuterbuch der therapeutische Gebrauch von Hanfrauch zur Inhalation erwähnt wird, denn man verwendete in dieser Zeit fast ausschließlich die Samen oder das daraus gewonnene Öl, deren Nutzen man schon lange kannte. Im gleichen Kräuterbuch wird ein äußerlich angewandter Umschlag aus Hanfwurzel zur Behandlung von Gichtschmerzen erwähnt: auch dies war bis dahin unüblich.

      Auch andere Gelehrte widmen sich der Hanfpflanze. So beschreibt der berühmte Zürcher Arzt Conrad Gessner in einem seiner Werke folgendes Hanfrezept gegen Haarausfall:

      «Das Wasser von Hanffsaamen mit Knoblauchsafft gebrannt / eben auff die weise wie das Rosenwasser distilliert wird / ist ein zierd Wasser. Dann so man die glatten kaalen orth darmit bestreicht / so macht es daselbst haar wachsen» (GESSNER 1583).

       Hanf – ein Berauschungsmittel?

      Im Zuge der Eroberungen oder durch Reisende wurde auch in Europa bekannt, dass Hanf außerhalb Europas als Berauschungsmittel verwendet wurde. So beschreibt der portugiesische Arzt Garcia ab Horto bereits im 16. Jahrhundert den Gebrauch von Bangue (Cannabis) in Indien (GARCIA AB HORTO 1574: 219). Auch der deutsche Arzt Engelbert Kämpfer beschreibt Anfang des 18. Jahrhunderts den rekreativen Gebrauch von Cannabis im Orient (KÄMPFER 1712: 645). Andere Asien- und Orientforscher in dieser Zeit erwähnen den Gebrauch von Cannabis in fremden Kulturen ebenso. Wann genau Haschisch zum ersten Mal nach Europa kam, ist nicht ganz sicher. Eventuell könnte dies im Jahr 1690 geschehen sein, und zwar durch den englischen (Drogen-)Kaufmann John Jacob Berlu, der in seiner Übersicht über die die handelsüblichen Drogen (The Treasury of Drugs Unlock’d) auch das «betörende und schädliche» B(h)ang aufführt (BOUQUET 1912: 13): «Bang. Is an Herb which comes from Bantam in the East Indies, of an Infatuating quality and pernicious use».

      Dass Hanf bereits in dieser Zeit auch in Europa als Berauschungsmittel verwendet wurde, ist nur ganz spärlich belegt. Es kommt dazu, dass der einheimische Hanf kaum den berauschenden Inhaltsstoff enthielt und der importierte «indische» Hanf als Medizin erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa richtig populär wurde. Interessant ist, dass das Hanfkraut bereits im 16. Jahrhundert in der europäischen Literatur Einzug hielt. So beschrieb der französische Arzt und Schriftsteller François Rabelais in seinem Werk Gargantua und Pantagruel eingehend ein Kraut namens Pantagruelion, welches insbesondere von älteren Autoren als Hanf identifiziert wurde (REGIS 1841: 1158–1163).

       Cannabis im europäischen Arzneischatz des 18. Jahrhunderts

      Das bis Mitte des 18. Jahrhunderts wohl populärste Arzneibuch im europäischen Raum war die Pharmacopoeia medico-chymica des Johann Schröder (TSCHIRCH 1910: 890). In der deutschen Ausgabe von 1709 mit dem Titel Vollständige und nutzreiche Apotheke oder medizin-chymischer Artzney-Schatz sind zahlreiche Cannabisrezepturen erwähnt. Einige Beispiele (SCHRÖDER 1709: 902):

       «Die Bauern in Niederland geben Hanff Körner zerstoßen und ein Safft deraus gepresst den Patienten zu Anfang der Gelbsucht ein/und offt nicht ohne Nutzen sonderlich wenn sie aus bloßer Verstopfung und ohne Fieber entstehet. Er öffnet den Gang der Gallen und befördert durch den ganzen Leib bilis digestionem.»

       «Wer flüssige Augen hat, der siede Hanff Körner in rothen Wein bis sie keimen hernach nehme man einen Schwam tunke den in die Brühe und binde den Schwamm alle Abend in den Nacken / zeucht die Flüsse hinweg.»

       «Hanff-Emulsion aus dem Kern davon die Rinde abgemacht mit Rosen- Wasser bereitet und mit Baumwolle übergelegt vertreibet die MaserFlecken und Pocken-Narben / machet man aber mit Bier und Butter/Brühlein davon und trinket sie das morgens nüchtern so praeserviren sie den Kindern von Kinds-Blattern.»

      In vielen zeitgenössischen Arzneibüchern wurde Hanf als Bestandteil von Rezepturen erwähnt. Meist waren es immer wieder die gleichen Beschwerden, die man mit Hanf(samen) behandelte. Eine typische Krankheit, die man unter anderem mit Hanfsamen bekämpfte, war die Geschlechtskrankheit Gonorrhoe (Tripper).

      Auch der Schweizer Universalgelehrte Albrecht von Haller kannte den medizinischen Gebrauch von Hanf. Nebst den wohlbekannten Indikationen geht er in seinem 1776 erschienenen Werk Historia stirpium indigenarum Helvetiae auch auf die kulturhistorischen Hintergründe dieser Pflanze ein (HALLER 1768: 287-289).

      Obgleich die nützlichen und therapeutischen Eigenschaften des einheimischen Hanfes geschätzt wurden, stand man dem bis dahin in der westlichen Medizin unbekannten indischen Hanf kritisch gegenüber. Den berauschenden Eigenschaften der fremdländischen Hanfpflanze und ihrer vermuteten Schädlichkeit wurde mit Vorsicht begegnet. Der Tübinger Medizinprofessor Johann Friedrich Gmelin hielt in seiner 1777 erschienen Allgemeinen Geschichte der Pflanzengifte fest:

      «Auch der Saame, die Rinde, die Blätter, noch mehr der Saft, und die Spitzen der grünenden Pflanze haben etwas Betäubendes: sie sind das Brug, oder Bangue der Morgenländer, dass sie gemeiniglich mit etwas Honig anmachen, und es gebrauchen, wenn sie sich in eine angenehme Art von Trunkenheit und Benebelung des Verstandes versetzen wollen. Ob ich gleich nicht zweifle, dass ein langer Gebrauch solcher Mittel tödlich sein kann, so ist mir doch bisher kein Beispiel davon bekannt» (GMELIN 1777: 402).

      Zusammengefasst: Auch im 18. Jahrhundert verwendete man von der Arzneipflanze Cannabis sativa fast ausschließlich, wie in der Volksmedizin üblich, die Samen in Form des Öls oder einer Emulsion. Die Heilpflanze Cannabis indica war bis zu diesem Zeitpunkt als Arzneimittel praktisch unbekannt. Es sollte bis Mitte des 19. Jahrhunderts dauern, bis sich der Indische Hanf in der europäischen Schulmedizin etablieren konnte.

       Was ist Indischer Hanf?

      Der wissenschaftliche Name Cannabis indica, Indischer Hanf, stammt von dem französischen Botaniker Jean Baptiste Lamarck (1744–1829), der ihn damit von dem in Europa angebauten Hanf Cannabis sativa unterschied. Er erwähnte «Chanvre des Indes – Cannabis indica» wahrscheinlich erstmals im Jahr 1783. Heute ist umstritten, ob es sich um eigene Arten (Spezies) oder um zwei Unterarten (Subspezies) derselben Art handelt (siehe Kapitel 2). Unabhängig von der Stammpflanze wird «Indischer Hanf» im Deutschen häufig als Synonym für Rausch- oder Drogenhanf verwendet, beispielsweise in der Homöopathie.

       Cannabis in der Schulmedizin des 19. Jahrhunderts

      Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert begann man sich für die fremdländische Variante des einheimischen Hanfes zu interessieren – so auch der Begründer der klassischen


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