Demenz - Wenn das Leben entgleitet. Prof. Dr. Gabriela Stoppe

Demenz - Wenn das Leben entgleitet - Prof. Dr. Gabriela Stoppe


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      GABRIELA STOPPE

      DEMENZ

      fischer & gann

      GABRIELA STOPPE

      Eine rätselhafte Krankheit verstehen und angstfrei damit umgehen

      fischer & gann

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.

      © Verlag Fischer & Gann, Munderfing 2018

      Umschlaggestaltung | Layout und Satz: Gesine Beran, Turin

      Umschlagmotiv: © shutterstock | Maren Winter

      Gesamtherstellung | Druck:

      Aumayer Druck + Verlag Ges.m.B.H. & Co KG, Munderfing

      ISBN 978-3-903072-74-9 | ISBN E-BOOK 978-3-903072-75-6

       www.fischerundgann.com

INHALT

      EINFÜHRUNG

      SEIT BEINAHE 30 JAHREN beschäftige ich mich beruflich mit der Demenz. Am Anfang tat ich das ungern bzw. ohne große Lust. Altersthemen waren zur damaligen Zeit für Mediziner unattraktiv. Auch heute noch hat das Alter bei Ärzten und Pflegekräften ein schlechteres Image als beim Rest der Gesellschaft. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass diese Berufsgruppen eben (nur) jene Menschen zu Gesicht bekommen, die im Alter auch krank und gebrechlich sind. Vielfach herrscht noch immer die Vorstellung, dass man ohnehin nicht mehr viel tun könne.

      Ich trat damals als Neurologin nach einer längeren Fachweiterbildung eine Stelle in der Psychiatrischen Universitätsklinik in Göttingen an. Als Ärztin, die sich auch mit den organischen Erkrankungen des Nervensystems auskannte, wurde ich damit beauftragt, eine Gedächtnissprechstunde zu eröffnen. Damals gab es nur wenige solcher Einrichtungen. Erst Mitte der 80er Jahre war die erste Memory Clinic in London gegründet worden, fast gleichzeitig auch die Memory Clinic in Basel. Beide Einrichtungen sollten einerseits Anlaufstellen für Patienten sein und andererseits auch Teilnehmer für die Demenzforschung rekrutieren. Eine weitere frühe Ambulanz an der Psychiatrischen Universitätsklinik der Technischen Universität in München folgte, an all diesen Stellen wurde nun erst mit der Forschung an Demenzkranken begonnen.

      In diesen ersten Studien wurden Menschen mit Demenz über längere Zeit auf ihre Beschwerden und Störungen hin untersucht. Man beschäftigte sich erst einmal damit, das klinische Erscheinungsbild der Demenz überhaupt zu charakterisieren. Heutzutage werden auch noch solche Daten gesammelt, allerdings überwiegend in sogenannten Forschungsverbünden wie zum Beispiel dem EUROPEAN ALZHEIMER’S DISEASE CONSORTIUM (EDAC) oder dem KOMPETENZNETZ DEMENZ in Deutschland. Der Zusammenschluss von Einrichtungen zur gemeinsamen Forschung hat den Vorteil, die Daten zu einer größeren Zahl Betroffener auswerten zu können. Das erhöht die Aussagekraft der Ergebnisse.

      Viele der Menschen, die sich an solche Gedächtnissprechstunden wenden – das ist heute noch so wie damals –, erhoffen sich Hilfe, zum Beispiel in Form neuer Medikamente. Auch wenn der erhoffte Durchbruch in der medikamentösen Behandlung von Demenzerkrankungen bis heute ausgeblieben ist, sind nach wie vor viele bereit, sich für Studien und Forschung zur Verfügung zu stellen.

      In meine erste Gedächtnissprechstunde kamen zunächst vorwiegend Menschen mit bereits schwerer Demenz. Erst im Laufe der Jahre stellten sich auch leichtere Fälle ein bzw. Menschen, die erste Zeichen von Demenz bei sich wahrnahmen oder von ihren Angehörigen gebracht wurden. Ganz allmählich schien das Interesse am Thema auch in der Mitte der Gesellschaft anzukommen.

      Diese Entwicklung zeichnete sich auch an anderer Stelle ab. Ich erinnere mich noch gut an die ersten öffentlichen Veranstaltungen zum Thema Alzheimer in den 90er Jahren. Obwohl alle meinten, dass bei diesem großen Problem viele Besucher zu erwarten seien, kamen nur wenige. Doch die Situation sollte sich dramatisch ändern – eine der für mich sehr spannenden Erfahrungen in meinem Leben –, plötzlich war die öffentliche Aufmerksamkeit da, auch das Interesse an der Forschung nahm rapide zu.

      DIE ALZHEIMER - FORSCHUNG HEUTE

      HEUTZUTAGE KANN MAN mit Fug und Recht sagen: Die Alzheimer-Forschung ist – ähnlich wie die Krebs- oder AIDS-Forschung – ein mit großen Mitteln ausgestatteter wichtiger Forschungs-Bereich. Es gibt heute – anders als früher – auch sehr viele Initiativen, vor allen Dingen bei Ehrenamtlichen oder auch im Bereich der Pflegeheime, die die Situation der Demenzkranken verbessern wollen. Es gibt hier durchaus Grund zur Hoffnung.

      Es kann aber auch aus einer zweiten Richtung Grund zur Hoffnung geben. Eine Reihe von Studien aus den letzten Jahren konnte aufzeigen, dass die erwartete Zunahme von Demenzkrankheiten weltweit so nicht eintreten würde. Was diese Studien bedeuten und was uns das über die Entstehung von Demenzerkrankungen sagen könnte, dies werde ich unter anderem in diesem Buch beschreiben.

      WARUM MACHT DEMENZ SO VIEL ANGST?

      DOCH KOMMEN WIR ZU UNSEREM ZENTRALEN THEMA: Warum macht uns Demenz und vor allen Dingen Alzheimer derart viel Angst? Angst vor Krankheiten zu haben, ist durchaus natürlich. Wer will schon krank sein? Und Krankheiten, die nicht zu behandeln sind oder zum Tod führen, sind verständlicherweise ganz besonders belastend.

      Als Demenzforscherin, die sich für die Früherkennung einsetzt, habe ich mich immer wieder mit den Erfahrungen von Kollegen aus der Krebsforschung oder anderen Bereichen getröstet. Auch die Früherkennung von Krebserkrankungen war zu früheren Zeiten nicht sonderlich populär. Wer will schon wissen, dass er eine zum Tod führende Erkrankung hat?

      In der heutigen Zeit, wo ein Brust- oder auch ein Darmkrebs durchaus überlebt werden kann, wenn er früh genug erkannt wird, ist die Bereitschaft, zur Vorsorge zu gehen, inzwischen größer. Dennoch vertreten viele Menschen auch heute noch die Ansicht, sich die Vorsorgeuntersuchung lieber zu sparen. Es genüge doch, sich erst zu kümmern, wenn sie die Krankheit tatsächlich hätten, so deren Meinung. Sie wollen mit der Unsicherheit, die mit einer Vorsorgeuntersuchung einhergeht, nicht leben.

      Ich plädiere für eine frühere Erkennung von Demenzerkrankungen. Warum? Ein Grund ist, dass Betroffene dann noch für sich selbst entscheiden können, wie ihr Leben mit Demenz gestaltet werden soll und wie andere mit ihnen und ihrer Krankheit umgehen sollen. Ein zweites wichtiges Argument ist, dass die Behandlungen, die es schon gibt, umso wirksamer sind, je früher sie eingesetzt werden. Und nicht zu vergessen sind die pflegenden Angehörigen. Auch sie profitieren davon, wenn sie in einem noch frühen Stadium erfahren, was auf sie zukommt, und sich dementsprechend vorbereiten können. Auch dazu werde ich mich in diesem Buch noch ausführlicher äußern.

      ANGST VOR ALTERSARMUT UND PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT

      DOCH ZURÜCK ZU DEN ÄNGSTEN RUND UM DIE DEMENZ. Eine wesentliche Angst liegt wohl in dem Wunsch nach Sicherheit bwz. darin, dass sie nicht mehr gegeben ist. Gerade in Mitteleuropa haben wir aktuell eine Situation, in der viele Menschen befürchten, dass ihre Rente im Alter nicht reicht. Altersarmut und auch Pflegenotstand sind Begriffe, die überall zu hören und zu lesen sind. In dieser generellen Verunsicherung in Bezug auf das Leben im Alter und vor allen Dingen auf das gute Leben im Alter ist die mögliche Perspektive, auch noch dement zu werden, beängstigend. Dabei könnte man doch auch sagen, dass die Demenzkrankheiten dazu führen, dass man schlimme Situationen oder die Armut vielleicht gar nicht mehr so spürt. Solange man gesund ist und die Demenz fürchtet, hat man natürlich Angst davor – zum Beispiel die Angst, schlecht gepflegt zu werden oder von niemandem mehr gepflegt werden zu


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